Von der saftigen Preiserhöhung der Ökumenischen Sozialstation für Haushaltshilfen sind 148 Privatkunden in Sindelfingen betroffen – der Grund sind die gestiegenen Personalkosten.

Sindelfingen - Eigentlich kommt die 79-jährige Sindelfingerin, die nach dem Tod ihres Mannes alleine in ihrem Haus in lebt, noch ganz gut zurecht. „Aber beim Gardinenaufhängen wurde mir plötzlich schwindelig“, erinnert sich die Rentnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Also beschloss sie, sich Unterstützung für den Haushalt zu holen. Da sie eine vertrauenswürdige Person wollte, wandte sie sich an die Ökumenische Sozialstation in Sindelfingen.

 

Dort werden Haushaltshilfen auch an sogenannte Privatkunden vermittelt, die wie die 79-Jährige noch nicht als pflegebedürftig von der Krankenkasse eingestuft sind, aber trotzdem Unterstützung im Haushalt brauchen. Mit der Haushaltshilfe, die nun bereits seit einigen Jahren zu der 79-Jährigen kommt, ist sie sehr zufrieden: „Wir haben ein Vertrauensverhältnis aufgebaut.“ Diese Unterstützung ließ sie sich zuletzt 18,90 Euro die Stunde kosten. 2018 waren es noch 17,90 Euro.

Rentnerin will vertrauenswürdige Putzhilfe behalten

Bis dann im April dieses Jahres ein Schreiben der Sozialstation bei ihr in den Briefkasten flatterte, mit der Ankündigung auf drastische Preiserhöhungen für Privatkunden. In dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, teilt die Sozialstation mit, dass sich die Preise ab Juli pro Stunde auf 24,90 Euro erhöhen. Von November an steigt der Stundenpreis noch einmal auf 29,90 Euro. Von März 2020 an will die Sozialstation dann die Preise übernehmen, die die Pflegekassen für diesen Leistungsbereich vorgeben. Die liegen aktuell bei 34 Euro. Für die Rentnerin war das Schreiben ein Schock: „Seit 2018 wäre das eine Preissteigerung von mindestens 50 Prozent. Wie sollen alte, hilflose Menschen diese Summe aufbringen?“, fragt sie sich.

Damit sieht sich die Rentnerin in einer Zwickmühle: Einerseits möchte sie nicht so viel Geld für eine Haushaltshilfe aufbringen, die auf dem freien Markt deutlich günstiger zu bekommen ist. Andererseits will sie ungern auf ihre vertrauenswürdige Putzhilfe verzichten. „Schließlich lebe ich alleine, da muss man vorsichtig sein, wen man ins Haus lässt“, sagt sie. Mit diesem Problem ist sie nicht alleine, in Sindelfingen haben 148 Privatkunden das Schreiben der Sozialstation erhalten.

Sozialstation bedauert saftige Preiserhöhung

Dort bedauert man die saftigen Erhöhungen im Privatleistungsbereich: „Ich weiß, es tut weh“, sagt der Geschäftsführer Rolf Schneider. Doch die Preiserhöhung sei durch Tariferhöhungen und strukturelle Verbesserungen bei den Minijobbern und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unumgänglich geworden. „Früher waren bei uns 70 Prozent der Haushaltshilfen als Minijobber angestellt, inzwischen ist mehr als die Hälfte in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übergegangen“, erklärt Schneider. Und auch bei den Minijobbern habe sich einiges verbessert. „Unsere Personalkosten sind dadurch aber deutlich gestiegen“, sagt er. Aber auch die Nachfrage nach Haushaltshilfen steige ständig: „Wir müssen in erster Linie den Menschen helfen, die bereits mit einem Pflegegrad eingestuft sind. Das ist unsere Pflicht.“

Dass bei den Privatkunden nun der Eindruck entstehe, dass man sie nicht mehr haben will, möchte Schneider so nicht stehen lassen. Jedoch: „Wir können die Selbstzahler nicht mehr mitsubventionieren.“ Auf das Schreiben hin hat es in der Sozialstation Anrufe gegeben mit Beschwerden, räumt Schneider ein. Zehn bis 20 Beschwerdeanrufe seien es gewesen. „Wir sind aber froh, wenn die Kunden anrufen. Dadurch bekommen wir die Möglichkeit, sie zu beraten“, ergänzt der Geschäftsführer. Denn viele ältere Menschen wüssten gar nicht genau, ab wann sie beispielsweise Anspruch auf eine Haushaltsunterstützung vonseiten der Krankenkasse haben. Bei vielen herrsche ein Halbwissen, sagt Schneider. Er ermuntert die Kunden daher dazu, sich zunächst ausführlich beraten zu lassen.

Rentnerin will Haushalt weiter alleine führen – mit Unterstützung

Für die 79-jährige Rentnerin aus Sindelfingen kommt das nicht in Frage. Sie fühlt sich noch fit genug, ihren Haushalt zu schmeißen – mit ein wenig Unterstützung. Die wird sie sich nun jedoch auf dem freien Markt suchen müssen, denn die Preise der Sozialstation will sie nicht mehr aufbringen. Von ihrer gewohnten Haushaltshilfe wird sie sich dann jedoch verabschieden müssen.