Der Sindelfinger Automobilzulieferer Fele setzt auf ein Elektrokleinstfahrzeug als neues Standbein – obwohl es in Deutschland noch verboten ist. Zwar ist die asiatische Konkurrenz groß, aber sie bietet keine Qualität made in Germany.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sindelfingen - Für ein Dieselfahrzeug arbeitet Fele hauptsächlich. Jede Woche stellt der Sindelfinger Zulieferer in seiner Werkhalle 25 000 Ladeluftkühler her. „Die Zahlen sind nicht zurückgegangen“, betont York Dlugokinski. Trotzdem hat sich der Unternehmer entschlossen, ein neues Standbein aufzubauen. „Die Automobilbranche ist im Umbruch“, sagt er. Auf einem Kongress für Mikromobilität kam ihm dann die Idee: Yorks heißt der Elektroroller, mit dem York Dlugokinski durchstarten will. Allerdings darf er das Gerät in Deutschland bisher nicht verkaufen.

 

Sein Projektleiter ist bei einer Testfahrt von der Polizei erwischt worden. Den Strafzettel über 90 Euro hat der Chef bezahlt, den einen Punkt in Flensburg konnte er ihm nicht abnehmen. York Dlugokinski investiert viel in seinen E-Scooter. Er hat ein Start-up gegründet und ein junges Entwicklerteam an die Aufgabe gesetzt. Seine 108 Mitarbeiter erwirtschafteten im vergangenen Jahr mit Klimaverteilgeräten für Daimler oder der Kabelbaumintegration bei Motorrädern von BMW einen Umsatz von 13,5 Millionen Euro. Seine Ingenieure konstruieren Fertigungsteile, Bordnetze und Batteriesysteme. „Wir haben das Know-how“, sagt der Unternehmer. In der Produktionshalle im Pfinztal stehen 30 Kunststoffspritzmaschinen, dort wird eines Tages der Roller gefertigt.

Roller in Einzelteile zerlegt

In der Werkstatt hat Thomas Köhler den Roller in Einzelteile zerlegt. „Wir wollten Qualitätsstandards made in Germany in das Produkt einbringen“, erklärt der Projektleiter. „Es ist sehr herausfordernd, aber ein wahnsinnig tolles Projekt“, fügt der 28-Jährige an. Im Sommer vor zwei Jahren legte das Team mit einer Marktstudie los. Es testete unzählige Elektroroller, die größtenteils in China fabriziert werden, und war von deren Stabilität gar nicht überzeugt. Die Verkabelung und die Wasserdichte der asiatischen Geräte nennt Köhler „nicht zielführend“. Mehrere Patente haben die Sindelfinger auf ihr Modell angemeldet. Sie entwickelten zum Beispiel einen Klappmechanismus und einen Griff, ihr E-Scooter lässt sich ziehen und abstellen wie ein Rollkoffer.

„Was uns bei vielen Rollern genervt hat: Man muss ein Ladekabel mitnehmen“, erzählt Tom Köhler. Beim Sindelfinger Modell ist es nun integriert wie bei einem Staubsauger. Zwei Motorvarianten gibt es für Yorks: mit 250 und 500 Watt. Sie werden in Fernost eingekauft, die Akkus stammen aus der Region und haben eine Reichweite von 25 Kilometern. Der Roller kommt auf ein Gewicht von 17 Kilogramm, zwei davon will Tom Köhler noch abspecken. Die asiatische Konkurrenz sei leichter, räumt er ein, aber ein Hersteller musste seine Fahrzeuge kürzlich zurückrufen, weil sie zerbrochen sind. Und der E-Roller von BMW wiegt 20 Kilogramm.

Ein Verleihsystem nach dem Vorbild von Regiorad

Seit vier Monaten befindet sich der Yorks in der Prototyp-Phase. Eine halbe Million Euro hat York Dlugokinski seither in seine Unabhängigkeit gesteckt. Aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand gab es einen Zuschuss von 140 000 Euro. Nun geht es in Richtung der Serienproduktion, und die Geschäftsmodelle werden definiert. Für 1600 bis 1800 Euro will der Unternehmer den E-Scooter verkaufen. „Wir sind kein Billiganbieter“, sagt er. Darüber hinaus möchte er ins Verleihgeschäft einsteigen und seinen Yorks nach dem Vorbild von Regiorad an Stationen über eine Smartphone-App anbieten.

York Dlugokinski erwartet von der Bundesregierung jetzt Spielregeln für das neue Geschäftsfeld – und baldmöglichst mit der Zulassung der Elektroroller für Deutschland. Dass der Bedarf dafür vorhanden ist, erklärt sein Marketingbeauftragter: In Frankfurt sei ein Autofahrer jährlich 65 Stunden mit der Parkplatzsuche beschäftigt. „Wer in einen Stau fährt, kommt auf einen Adrenalinlevel wie ein Düsenjetpilot“,sagt Dominik Neyer.

Klassifizierung

Fahrzeuge
: Motorfahrzeuge, die schneller als sechs Stundenkilometer fahren, brauchen in Deutschland für öffentliche Straßen eine Betriebserlaubnis und eine Versicherung. Dazu gehören der E-Roller und das E-Bike. Das Pedelec ist hingegen bisher von dieser Regel ausgenommen und wird behandelt wie ein Fahrrad, wenn es nicht schneller als 25 Stundenkilometer fahren kann. Der Unterschied: Der elektrische Antrieb funktioniert beim Pedelec nur dann, wenn der Radler in die Pedale tritt. Bei E-Roller und E-Bike dreht man hingegen am Gaspedal, um schneller zu werden.

Regeln
: Geplant ist, E-Tretroller zuzulassen, die bis zu 20 Stundenkilometer fahren. Sie dürfen nicht auf Gehwegen gefahren werden. Helme sind erst ab 25 km/h Pflicht. Diskutiert wird noch, ob ein Mofa-Führerschein nötig ist oder ob eine Altersgrenze von 15 Jahren gilt.