Daimler wusste wohl frühzeitig von der Steuerrückzahlung. Doch die Finanzbehörden hätten die Stadt informieren müssen, steht in einem Brief des Finanzministeriums an den Sindelfinger OB.

Sindelfingen - Das Finanzamt Stuttgart-Körperschaften habe es versäumt, die Stadt Sindelfingen frühzeitig darüber zu informieren, dass sie möglicherweise der Firma Daimler eine hohe Summe an Gewerbesteuern zurückzahlen müsse. Dies steht in einem Brief des Ministerialdirektors Rolf Schumacher vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft an den Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer. Stattdessen habe ein Sachbearbeiter des Finanzamts das Unternehmen Daimler gebeten, die Stadt über die bevorstehende Rückzahlung zu unterrichten, heißt es weiter. Dieses Schreiben war eine Antwort auf eine Beschwerde Vöhringers beim Ministerium. Der Oberbürgermeister hatte nachgefragt, warum die Stadt erst Ende März von der Forderung in Höhe von 62 Millionen Euro erfahren habe.

 

Spätestens im vergangenen September hätte das Finanzamt der Stadt mitteilen müssen, dass Einsprüche gegen Gewerbesteuerbescheide vorlagen, die zu Rückzahlungen führen könnten, damit die Stadt dies bei ihren Haushaltsberatungen berücksichtigen könne, heißt es in dem Schreiben. Allerdings sei damals noch nicht klar gewesen, ob die Stadt tatsächlich zur Kasse gebeten würde und auch nicht die ungefähre Summe. Die konkreten Zahlen hätten erst Ende Januar festgestanden. Der zuständige Finanzbeamte ging laut dem Brief fälschlicherweise davon aus, dass er die Stadt wegen des Steuergeheimnisses nicht informieren dürfe. Stattdessen habe er Daimler gebeten, die Stadt die drohende Gewerbesteuerzahlung mitzuteilen.

Daimler kam dieser Bitte aber laut dem Werksleiter Willi Reiss und dem Oberbürgermeister Bernd Vöhringer erst am Nachmittag des 27. März nach, nachdem die Stadt und das Werk am Vormittag gemeinsam das 100-jährige Bestehen des Unternehmens in Sindelfingen gefeiert hatten. In der Woche darauf erhielt die Stadt dann die konkrete Rückforderung und informierte die Stadträte und die Öffentlichkeit. Die Hiobsbotschaft erreichte die Stadtverwaltung und den Gemeinderat also mitten in den Haushaltsberatungen. Der Etatentwurf ist nun Makulatur.

Der Hintergrund der Rückzahlungen sind Wertverluste im Pensionsvermögen von Daimler, die 2002 und 2003 angefallen sind. Nach Entscheidungen des Bundesfinanzhofs und des Bundesverfassungsgerichts können diese nun steuermindernd geltend gemacht werden. Hinzu kommen Zinsen, die seit 2002 aufgelaufen sind. Dies alles summiert sich auf 62 Millionen Euro.

Sindelfingen ist nicht der einzige Daimler-Standort, dem hohe Rückforderungen zustehen. Gaggenau, Esslingen und Mannheim sind ebenfalls betroffen. Auch andere Unternehmen in anderen Städten haben Einspruch gegen Gewerbesteuerbescheide eingelegt und erhalten nun Geld zurück. So hoch wie in Sindelfingen fällt die Summe aber – soweit das bisher bekannt ist – sonst nirgendwo aus. Das Stuttgarter Finanzministerium hat nun die Oberfinanzdirektion in Karlsruhe angewiesen, die Finanzämter sollten die Kommunen künftig rechtzeitig über Einsprüche gegen Steuerbescheide informieren.