Sir Waldo Weathers blickt auf eine große Musikkarriere zurück. 15 Jahre hat er mit James Brown gespielt, heute betreibt er auf der Waldau in Stuttgart-Degerloch einen Imbiss. Zu Besuch bei einem Brummbären und Scherzkeks.

Degerloch - Daniela Merz rührt bedächtig im Bottich. Sie kocht die Currysoße auf. Würstchen werden gleich auf dem Grill landen. Die spätvormittaglichen Vorbereitungen bei Soul Snacks laufen. Um 12 Uhr wird der Imbiss unterm Fernsehturm öffnen. Tony bekommt indes schon jetzt ein Häppchen. Das freundliche Havaneser-Hündchen steht auf Salatschnipsel. Die 56-Jährige scheint gut gelaunt. Sir Waldo Weathers wirkt indes grummelig. Wortkarg sitzt er an einem Tisch und raucht, während seine Partnerin durch die Küche wirbelt und erzählt.

 

Vielleicht ist es die Sprachbarriere. Der US-Amerikaner aus Kentucky lebt seit zwölf Jahren in Deutschland, spricht die Sprache aber kaum. „Mein Gehirn ist zu alt“, sagt er bierernst. Dann grinst er breit. Der Brummbär mit dem langen Glitzerohrring ist in Wirklichkeit ein Scherzkeks. Er und seine Daniela foppen sich, und wer ins kleine Lokal kommt, wird auch gefoppt. „Sie lieben es“, sagt Sir Waldo Weathers über seine Gäste.

Er trägt seinen Adelstitel seit 2008

Nicht nur wegen seines trockenen Humors ist der 70-Jährige, der seinen Adelstitel führt, seit er 2008 vom Herzog des deutschen Ritterguts Meinbrexen zum Ritter geschlagen wurde, auf der Waldau bekannt. Der Gastronom ist eine Musiklegende. Das Internet spuckt massenhaft Infos über seine mehr als 50-jährige Karriere aus. Viele bekannte Namen tauchen auf. Der klangvollste: James Brown. 15 Jahre lang spielte der Saxofonist Seite an Seite mit dem Godfather of Soul. Mit B.B. King, Al Green, Little Richard oder Phil Collins hat er gearbeitet. Nach wie vor hat der Sir Bands und tritt mit Klassikern und eigenen Stücken auf.

Sir Waldo Weathers wirbt bis heute mit den Namen von gestern. Am Eingang zum Imbiss hängt ein großes Foto, das ihn mit James Brown zeigt. Das zieht Kunden an. Die Lebensgeschichte des Mannes, der die ganze Familie Jackson kannte, ist zwischen Pommes und Burgern oft Thema. „Ich hatte nie einen Hit. Aber man kennt meinen Namen“, sagt er. Tatsächlich scheint der elffache Vater trotz seines Alters noch ganz gut im Geschäft zu sein. In der jüngeren Vergangenheit habe er Konzerte von Joss Stone oder Maceo Parker eröffnet und mit Eric Gauthier gearbeitet, sei viel ins Ausland gereist. Auch Engagements als Hochzeitsmusiker gehören zum Repertoire, sagt Daniela Merz, seine Managerin und Lebensgefährtin. „Wo immer man mich hören will“, sagt er.

Sir Waldo Weathers ist frustriert

Aktuell aber ist alles auf null. Frustrierend sei das. „Ich habe nichts. Ich habe mich“, sagt er. Und sein Saxofon. An diesem Samstag wird er ab 19 Uhr über die Plattform Twitch wieder streamen. „Seltsam“ sei es, in einem leeren Raum vor einer Kamera zu spielen, denn Livemusik lebe schließlich von den Emotionen der Zuhörer, aber „du willst nicht, dass die Menschen dich vergessen, und du willst, dass sie noch Musik haben“.

Was Musik für ihn bedeutet, wird klar, als er Aufnahmen früherer Auftritte vorspielt. Ein Video von 1999 zeigt ihn bei Woodstock II auf einer gigantischen Bühne mit der James-Brown-Band. Er spult vor. Bei 28:39 ruft James Brown „Waldo! Make it funky!“, der Saxofonist tritt nach vorn und spielt vor Zigtausenden sein Solo. Zum Zöpfchen trägt er einen langen Ohrring. Sir Waldo Weathers, heute Glatzenträger, beobachtet sein jüngeres Selbst. Er lächelt und wippt leicht mit dem Körper. Kein Brummbär weit und breit.

Corona hat das Geschäft verhagelt

Auf der Waldau kennt man sich. Der besondere Wirt winkt Leuten durchs Fenster zu, Spaziergänger stecken kurz den Kopf durch die Tür. Seit Mitte 2019 bewirtet das Möhringer Paar hier. „Dafür, dass wir Quereinsteiger sind, waren wir überrascht, wie viel los war“, sagt Daniela Merz. Corona hat das Geschäft aber verhagelt. Weder Sportler noch Touristen noch Schüler kommen. Lediglich Wanderer und Handwerker finden aktuell den Weg an die Snacktheke. Daniela Merz spricht von einer katastrophalen Lage.

Hinzu kommt ein Disput mit der Stadt. Bis zum Sommer haben Sir Waldo Weathers und Musikerfreunde freitags vor der Bude musiziert. Dann aber hat die Stadt verfügt, dass ein Zelt abgebaut werden muss, und ein Beschallungsverbot verhängt. Das Duo hofft auf eine Kulanzregelung und will für seinen kleinen kulturellen Treffpunkt kämpfen. „Es könnte viel besser sein“, sagt Sir Waldo Weathers knapp. „Aber wir sind immer noch hier.“

Die Energie ist da, die Musik sowieso. Jüngst hat der Saxofonist und Sänger einem US-Sender ein langes Video-Interview gegeben. Eine Netflix-Doku über sein Leben ist aktuell ebenfalls in Arbeit, erzählt er. CDs mit eigenen Songs liegen bei Soul Snacks parat. Träume habe Sir Waldo Weathers aber nicht mehr. Er habe seine Träume gelebt. „Ich war an mehr Orten als der durchschnittliche Musiker“, sagt er. Aber er hat einen Wunsch. Zurückkehren zu dem, wie es vor Corona war.