Am ersten bundesweiten Warntag ertönten entlang der Königsstraße Sirenen. Viele Stuttgarter wunderten sich, warum in ihren Stadtteilen nichts zu hören war. Die App „Nina“ versagte. Das Bundesinnenministerium bezeichnet den Probealarm offen als „fehlgeschlagen“.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Stuttgart - Eigentlich ist an diesem Donnerstagvormittag auf dem Stuttgarter Schlossplatz alles wie gewohnt: Leute sitzen auf den Bänken, trinken Kaffee, telefonieren. Ein paar Gärtner bearbeiten das Blumenbeet, Touristen machen Fotos von der Jubiläumssäule. Doch um kurz vor 11 Uhr unterbricht eine Durchsage der Feuerwehr Stuttgart das tägliche Treiben: „Achtung, Achtung, hier spricht der Katastrophenschutz“, schallt es aus den Lautsprechern des Feuerwehrautos. Die ersten neugierigen Blicke von Passanten folgen. Dann der Hinweis: „Zum bundesweiten Warntag erfolgt um 11 Uhr ein Sirenenalarm. Halten Sie sich bitte vom Lautsprecher-Fahrzeug entfernt. Dies ist ein Probe-Alarm.“ Einige Sekunden später die Wiederholung, dann drückt Steffen Kwiatkowski von der Feuerwehr Stuttgart den roten Alarmknopf – und löst damit den auf- und absteigenden Heulton durch die mobile Sirene, eine sogenannte Mobela, auf dem Dach des Feuerwehrautos aus.

 

Viermal so laut wie ein Presslufthammer

Die Vögel flüchten aus den Bäumen, fliegen aufgeregt umher, einige Passanten filmen das Geschehen – und manch ein Fußgänger wird durch den Warnton beim starren Blick auf das Smartphone aufgeschreckt. Der Großteil der Leute hetzt aber eher unbeeindruckt weiter die Königstraße entlang.

126 Dezibel laut ist der Ton aus der mobilen Sirene in einem Meter Entfernung. „Viermal so laut wie eine Kettensäge oder ein Presslufthammer“, sagt Christopher Haigis, Pressesprecher der Stuttgarter Feuerwehr, und verteilt Ohrstöpsel an seine Kollegen. Eine Minute lang ertönt der Warnton, danach ist 19 Minuten Stille, bis ein gleichbleibender Ton aus der Sirene um 11.20 Uhr Entwarnung sendet.

Einwohner Stuttgarts verwundert

Dennoch hören die meisten Stuttgarter wenig bis gar nichts von den Alarmtönen. „In Stuttgart, relativ nah am Zentrum, musste man das Fenster öffnen, um den Hauch von Sirene zu hören. Hätte aber auch eine Schleifmaschine von der Baustelle nebenan sein können. Also im Ernstfall: alle verloren“, schreibt zum Beispiel die Twitter-Nutzerin Ida Hartmann. Ähnliche Kritik wurde auch in anderen Kommunen in der Region Stuttgart laut.

Christopher Haigis von der Feuerwehr Stuttgart überrascht das nicht: „Das war klar. Wer gelesen hat, der wusste, dass wir nur drei Lautsprecher-Fahrzeuge entlang der Königsstraße parken. Das hatten wir ja vorab so kommuniziert.“ Die Sirenen waren also nur im Umkreis von einigen hundert Metern beim Hauptbahnhof, auf dem Schlossplatz und am Rotebühlplatz zu hören. Zudem gibt es in Stuttgart seit dem Jahr 1994 keine stationären Sirenen auf den Dächern mehr.

Kurz vor dem Warnton fragt ein Passant, warum die Feuerwehr nicht durch die Wohngebiete fahre, dort, wo die Stuttgarter Bürger die Sirenen auch hören würden – so wie im realen Katastrophenfall, wie etwa bei einer Trinkwasserverunreinigung oder bei einer Rauchentwicklung. Haigis später dazu: „Die Kritik ist nicht unberechtigt. Das muss man überlegen, es wäre eine Option.“ Er rechtfertigt die Idee der Feuerwehr: „Man muss auch sagen, dass wir das jetzt zum ersten Mal seit über 15 Jahren wieder gemacht haben. Es ist klar, dass wir da nicht alles schaffen.“

Warn-Apps versagen

Der Pressesprecher ist dennoch mit der Aktion zufrieden. „Ein paar Passanten sind vorbeigekommen, um sich das anzuschauen. Das zeigt, dass wir einen Teil der Leute erreicht haben. Dieser Teil sagt es jetzt weiter. Und diejenigen, die sich online ärgern, haben es ja offensichtlich auch mitbekommen. Also haben wir unser Ziel erreicht“, sagt Haigis.

In erster Linie sei der Zweck des Warntags gewesen, die Bevölkerung zu informieren – vor allem die Jüngeren, die die Zeiten mit Sirenen auf den Dächern nicht miterlebt haben. „Wir wollen damit zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten zum Warnen gibt als Apps oder die neuen Medien“, sagt Michael Idler von der Feuerwehr Stuttgart. Warn-Apps wie „Nina“ haben am Donnerstag aber nicht so funktioniert, wie sich das das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) vorgestellt hatte. Demnach erhielten die Nutzer keine Warnung – aber wenig später dafür die Entwarnung, dass es sich um einen Test gehandelt habe. Ursache war die „nicht vorgesehene, zeitgleiche Auslösung einer Vielzahl von Warnmeldungen“, teilte das BBK mit. Das Bundesinnenministerium bezeichnete den Probealarm offen als „fehlgeschlagen“. „Die Vorgänge werden jetzt umfassend aufgearbeitet“, kündigte das Ministerium in Berlin an. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten bei der weiteren Entwicklung des Warnsystems berücksichtigt werden.