Stefan Effenberg hat sein Stinkefinger einst die WM gekostet. Jetzt will der Göppinger OB gegen die immer raueren Sitten in seinem Gemeinderat härter durchgreifen. An den dort gefuchtelten Stinkefinger denkt er dabei bisher aber nicht.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Die gute Nachricht vorweg: die Ulmer Staatsanwaltschaft hat ihr Ermittlungsverfahren gegen den Göppinger Oberbürgermeister Guido Till (CDU) eingestellt und damit eine Anzeige der Gemeinderatsfraktion von Linken und Piraten (LiPi) zurückgewiesen. Es gebe keinen ausreichenden Anfangsverdacht, dass der OB dem Piratenstadtrat Michael Freche Geheimnisverrat und damit eine strafbare Handlung unterstellt habe.

 

Doch leider gibt es auch eine schlechte Nachricht: Offenbar versucht der OB, es LiPi jetzt mit gleicher Münze heimzuzahlen. So war Freche bei der jüngsten Sitzung des Ältestenrats vom OB ein Schreiben ausgehändigt worden, in dem ihm nach StZ-Informationen rechtliche Schritte angedroht werden, sollte er noch einmal Internas aus der Aufsichtsratssitzung der stadteigenen EVF öffentlich ausplaudern. Er habe seinen Rechtsanwalt mit einem Antwortschreiben betraut, sagte Freche auf Nachfrage. Die vom OB geforderte Unterschrift will er offenbar nicht leisten. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst“, sagte Freche.

Indiskretion lässt sich schwer beweisen

Der OB sieht das allerdings anders und verweist auf die Tagesordnung zu einer öffentlichen Fraktionssitzung von LiPi. Darin war Freche mit einem Bericht aus dem EVF-Aufsichtsrat angekündigt, einem vertraulich tagenden Gremium. Es ging nur um Atmosphärisches, erklärte LiPi-Fraktionschef Christian Stähle hinterher. Anderes zu beweisen, dürfte dem OB schwer fallen. Schließlich befanden sich nur Parteigänger von Linken und Piraten bei der Fraktionssitzung im Raum.

Derweil soll auch gegenüber Stähle die Gangart verschärft werden. Nach Informationen der StZ möchte Till den Gemeinderat darum bitten, ein Ordnungsgeldverfahren gegen den Linken einzuleiten. Dies könnte „vielleicht als ein Signal an ihn wirken, zukünftig in angemessener Form mit den übrigen Mitgliedern des Gemeinderats und dem Oberbürgermeister umzugehen“, heißt es in einer Stellungnahme des OB. Darin nennt er Stähle allerdings nicht direkt, sondern erwähnt nur allgemein „ein Gemeinderatsmitglied“, das sich „nicht an die üblichen Gepflogenheiten, informellen Verhaltensregeln und traditionellen Umgangsformen“ halte.

SPD fordert Ausschöpfung der Ordnungsmittel

Mittlerweile sind viele Stadträte derart genervt von Stähle, dass sie Till den Wunsch erfüllen dürften. So forderte der SPD-Fraktionschef Armin Roos den OB nach einem Scharmützel mit Stähle dazu auf, endlich seine Ordnungsmittel auszuschöpfen, um einen sachlichen Diskurs zu ermöglichen. Allerdings müssten dann auch andere zittern. So zeigte der Freie-Wähler-Stadtrat Emil Frick bei der jüngsten Gemeinderatssitzung Stähle gut sichtbar seinen ausgestreckten Mittelfinger. „Was ich getan habe, habe ich getan“, sagte Frick auf Anfrage. Der Sprecher der Stadt, Olaf Hinrichsen, wollte sich zu der Frage, welches Ordnungsmittel Frick zu erwarten habe, übrigens nicht äußern. „Ich weiß nicht, ob der OB das gesehen hat.“

Ausschluss und Ordnungsgeld

Bei ungebührlichem Verhalten kann ein Stadtrat von bis zu sechs Sitzungen ausgeschlossen werden. Allerdings liegt das nicht im Ermessen des (Ober-)Bürgermeisters, sondern des Gemeinderats.

Bei Pflichtverletzungen kommt nach der Gemeindeordnung auch die Verhängung eines Ordnungsgeldes durch den Gemeinderat in Betracht. Die Höhe variiert zwischen 50 und 1000 Euro.