Ein echter oder vermeintlicher Brief von Bundesfinanzminister Olaf Scholz sorgt für Verwirrung. Das Ludwigsburger DemoZ muss in Sachen Gemeinnützigkeit weiter bangen.

Ludwigsburg - Das Urteil gegen den globalisierungskritischen Verein Attac Anfang 2019 hatte Signalwirkung: Seither wurde vielen Gruppen und Vereinen die Gemeinnützigkeit aberkannt – darunter auch dem Ludwigsburger Demokratiezentrum (DemoZ). Der Klub hat Widerspruch eingelegt. Jetzt wurde behauptet, die Finanzminister von Bund und Ländern hätten sich auf einen „Nicht-Anwendungserlass“ geeinigt und die Ämter angewiesen, keine weitere Aberkennungen zu veranlassen. Das DemoZ schöpfte Hoffnung, aber das Stuttgarter Finanzministerium widerspricht: „Ein solcher Erlass war mal im Gespräch“, sagt eine Sprecherin, „aber es gibt ihn nicht.“

 

Warten auf neue Richtlinien

„Der Stopp der Anwendung zeigt deutlich, dass auch aus Sicht der Politik ein Dominoeffekt angestoßen wurde, der nicht tragbar ist für unsere Zivilgesellschaft“, meint Yvonne Kratz vom DemoZ-Vorstand. Das „Handelsblatt“ zum Beispiel zitiert Antje Tillmann, die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit den Worten: „Bund und Länder wollen noch in diesem Jahr das Gemeinnützigkeitsrecht reformieren. Ich habe Verständnis, wenn die Verwaltung bis dahin keine weiteren Fakten schaffen will.“ Als Grundlage für diese Äußerungen gilt ein Brief des Bundesfinanzministers Olaf Scholz (SPD). In Stuttgart sei man verwundert, sagt die Ministeriumssprecherin. Von einem solchen Erlass wisse man nichts. Unbestritten sei indes, dass an einer Lösung gearbeitet werde: „Wir warten sehnsüchtig auf neue Richtlinien zur Gemeinnützigkeit.“

Als bekannt wurde, dass das Finanzamt dem DemoZ den Steuerabzug auf Spenden streichen wolle, weil es sich einseitig politisch positioniere und bestimmte Personengruppen von seinen Veranstaltungen ausschließe, war die Empörung groß – und zwar bundesweit. Die Beschwerdeführer stellten in Abrede, dass Mitarbeiter einer Steuerbehörde entscheiden könnten, wo die Grenzen politischer Bildung verlaufen und wo das Terrain von Agitation beginnt.

Auf einem Auge blind?

Außerdem wurde scharf kritisiert, dass die Aufhebung der Gemeinnützigkeit nahezu ausschließlich Vereine traf, die sich als links, antifaschistisch oder antirassistisch verstehen. Konkret hatte das Ludwigsburger Finanzamt einen kapitalismuskritischen Vortrag mit dem Titel „Einführung in die Idee des Anarchismus“ als Beleg angeführt, der gegen die Gemeinnützigkeit spreche.

Außerdem, so die Behörde weiter, dienten die Veranstaltungen des DemoZ nicht der Allgemeinheit, weil der Verein sich vorbehält, Personen, „die durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind“, von Veranstaltungen auszuschließen.

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Klar ist, dass Bund und Länder die Rechtsgrundlage für den Steuerstatus der Gemeinnützigkeit ändern wollen. Zum einen will man politsche Agitation und Versuche von verschleierter Parteienfinanzierung bekämpfen, zum anderen sollen Gruppen, die für exklusive Ziele antreten, nicht länger Privilegien genießen, die nur für Vereine gemacht sind, die die gesamte Gesellschaft im Blick haben.

Doch die Sache ist sehr kompliziert. Erste Versuche einer Korrektur des Gesetzestextes im Herbst sind gescheitert. Nachdem nun aber die Nachricht von einem Brief des Bundesfinanzministers die Runde machte, wonach die Finanzbehörden angewiesen werden, bis Ende 2021 keinen weiteren Vereinen mehr unter Verweis auf das Attac-Urteil die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, hatten auch die Mitarbeiter im DemoZ gehofft, dass damit der Konflikt ausgestanden sei.

DemoZ wird unterstützt

Doch das ist wohl nicht der Fall – ganz gleich, ob es den Scholz-Brief samt Nicht-Anwendungserlass nun gibt oder nicht. Denn das Demokratische Zentrum fällt ebenso wie die Vereine und Gruppen, denen im Laufe des Jahres 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, durch die Raster. Das Verfahren wird fortgesetzt.

„Nachdem wir im November Einspruch gegen den Bescheid eingelegt hatten, haben wir im Januar eine Begründung nachgereicht“, sagt Kratz. Das habe so lange gedauert, weil das Argumentieren schwer falle, wo das Finanzamt einfach eine Gesinnung unterstelle. Die Ludwigsburger Behörde hat bis Ende April Zeit für die Prüfung. Werde die Aberkennung bestätigt, gehe die Sache vor das Finanzgericht, sagt Kratz. Das DemoZ sei zu einem Großteil auf Spenden angewiesen. Zugute kam dem Verein, dass er in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen feiert. Das DemoZ habe viel Unterstützung erfahren, damit sei zumindest die Arbeit für 2020 gesichert.