Stühle mit geflochtenen Sitzflächen und Kommoden mit durchsichtigen Rattantüren sind ein neuer Möbeltrend. Neu? Aber das kommt einem doch irgendwie bekannt vor!

Landsberg/Berlin  - Wer mit dem Begriff Wiener Geflecht nichts anfangen kann, könnte erst mal auf ein Hefe-Teilchen spekulieren. Oder einen leckeren Nusszopf. Tatsächlich handelt es sich um ein Flechtwerk aus Holz, das gerne im Möbelbau eingesetzt wird. Allen voran am typischen Kaffeehausstuhl mit dem Geflecht als Sitzfläche.

 

Eigentlich liegt die Hochzeit des Wiener Geflechtes schon viele Jahre zurück. Nun aber ist dieses Designelement zurück - mit sehr großem Erfolg.

Und der liegt ausgerechnet in seiner Geschichte begründet, sagt Trendanalystin Gabriela Kaiser aus Landsberg (Bayern). Denn das Wiener Geflecht ist ein Klassiker - „und danach sehnen sich viele Menschen gerade, nach den traditionellen Werten genauer gesagt“, erläutert Kaiser. „Das Wiener Geflecht strahlt eine gewisse Wertigkeit aus. Man hat beim Kauf das Gefühl, man kann damit nichts falsch machen.“

Wie ein alter Freund - und Millionen Mal verkauft

Ursula Geismann, Trendexpertin des Verbands der deutschen Möbelindustrie, sagt sogar: „Solche Möbel wirken vertraut wie ein guter alter Freund.“

Bei dem bekannten abgerundeten Holzstuhl mit einer Sitzfläche aus dem Geflecht handelt es sich im Original um den Stuhl 214 von Michael Thonet aus dem Jahr 1859. Allein bis 1930 wurde das Möbel 50 Millionen Mal verkauft, von den vielen Kopien gar nicht zu sprechen. Die Gründe dafür sind im 21. Jahrhundert aktueller denn je.

Neben seiner Wertigkeit ist es die Schlichtheit: Der Stuhl wie auch andere Möbel mit Geflecht aus Stoff oder Holzfasern passen zu jedem denkbaren Wohnstil, erklärt Möbelexpertin Geismann. Dazu wirken die Möbel meist nicht wuchtig.

Denn die leichte Transparenz eines Geflechts lässt zum Beispiel an einem Schrank etwas von seinem Inhalt erahnen, ohne ihn wirklich preiszugeben. Diesen gestalterischen Trick verwenden Designer wie Mathieu Gustafsson. Er setzte das Wiener Geflecht eigenen Angaben zufolge für seine Kollektion AIR für Design House Stockholm wie „einen Filter oder einen Schleier“ ein, um zudem optisch etwas Leichtigkeit in eine größere Fläche zu bringen.

Leicht und nachhaltig

Das Designduo Thau & Kallio schätzt hingegen die tatsächliche Leichtigkeit von geflochtenen Elementen - was etwa Stühle auch leichter macht als mit einer massiven Holzplatte. Und sie ließen sich besser stapeln, erklärte Designer Sami Kallio bei der Präsentation ihres Stuhls Betty TK1 mit einer Sitzfläche aus Leinen-Geflecht für die Firma &tradition.

Die Folge: Die Transportkosten sind geringer als bei manch anderen Möbeln. „Das ist ganz im Sinne der Nachhaltigkeit - darauf achten derzeit viele“, analysiert Geismann. Daher wundert es auch nicht, dass viele Einrichter aktuell Möbel mit Flechtwerk aus Textilien oder anderen Materialien auflegen.

Übrigens: Das Vertriebskonzept für den Original-Kaffeehausstuhl 214 von Thonet im 19. Jahrhundert war hiervon nicht weit entfernt. Der Stuhl besteht lediglich aus sechs Bauteilen, zehn Schrauben und zwei Muttern. Zerlegt konnte er in einer Kiste von nur einem Kubikmeter weltweit verschickt werden. Er ist nun vom Designduo Besau Marguerre für eine Jubiläumsedition überarbeitet worden und in Schwarz, Weiß, Samtrot und Salbei erhältlich.

Nachhaltig ist das Wiener Geflecht noch auf andere Weise: Es besteht meist aus Rattan und Peddigrohr - natürlichen, vergleichsweise rasch nachwachsenden Materialien. „Es wundert daher nicht, dass vor drei, vier Jahren das Wiener Geflecht kaum jemandem ein Begriff war, es jetzt aber großen Erfolg feiert“, betont Geismann.