Anfang Mai hat das Regierungspräsidium zwei größere Sammelabschiebungen angeordnet. Auch aus Stuttgarter Unterkünften wurden Personen abgeschoben, drei Kinder kamen in die Obhut des Jugendamts, die Großeltern mussten das Land verlassen.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Das Land hat in den vergangenen Monaten verstärkt Menschen aus Flüchtlingsunterkünften abgeschoben, betroffen waren vor allem Männer, Frauen und Kinder aus den Balkanstaaten. Das Regierungspräsidium Karlsruhe verzeichnet seit Jahresbeginn (Stand 13. Mai) 1244 Abschiebungen für ganz Baden-Württemberg (ungefähr genau so viele wie im gesamten Jahr 2014), davon 102 aus der Landeshauptstadt Stuttgart. 2015 hatte das Land 2449 Ausländer abgeschoben. Anfang Mai hat es zwei große Abschiebeaktionen innerhalb einer Woche gegeben: Am 4. Mai wurden 118 Personen nach Albanien rückgeführt, darunter waren 31 Kinder. Am 10. Mai wurden 75 Personen nach Pristina/Kosovo gebracht, darunter 32 Kinder.

 

Die gestiegenen Abschiebezahlen haben am Donnerstag auch den AK Asyl Stuttgart auf der Plenumssitzung beschäftigt, viele Ehrenamtliche aus den Freundeskreisen bewegen die Schicksale, die hinter den Zahlen stecken, gerade sehr. Der politische Wille sei klar erkennbar, meint Wolf-Dieter-Dorn vom Feuerbacher Freundeskreis. „Wir können nur versuchen, dazu beizutragen, dass die Abschiebungen wenigstens in geordneten Bahnen und so menschlich wie möglich ablaufen“, meint er. Das ist ihm auch in Hinblick auf die übrigen Bewohner aus der Unterkunft wichtig.

Enkelkinder von den Großeltern getrennt

Dorn hat auf der Sitzung des AK Asyl berichtet, was er von einem Ehrenamtlichen über das Vorgehen der Polizei in der Nacht auf den 4. Mai bei der Flüchtlingsunterkunft Viehwasen in Wangen gehört hatte: Nachts um zwei sollen demnach Polizeibeamte in die Unterkunft gekommen sein, um zwei albanische Familien abzuholen. Dabei sei das ganze Haus geweckt worden. Unbeteiligte seien so im Schock gewesen, dass der Notarzt habe kommen müssen. Auch Asylpfarrer Joachim Schlecht gab an, diese Information erhalten zu haben.

Laut einem Zeugenbericht, den der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ins Internet gestellt hat, hätten die Flüchtlinge Unterstützer gerufen. Diese seien rüde von der Polizei daran gehindert worden, zu den Freunden vorzudringen. Ein Ehepaar aus Albanien habe Enkelkinder bei sich gehabt, die Eltern seien noch in der Erstaufnahmestelle. Die zwei Kinder seien von den Großeltern getrennt und dem Jugendamt übergeben worden. „Kleinkinder betreuen – das ist kein Abschiebehindernis“, klagt der Autor.

Der Rechtsanwalt Stefan Weidner hat bei der Sitzung des AK Asyls erklärt, woran es liegt, dass Abschiebungen zurück auf den Balkan inzwischen schneller passieren als früher: Menschen aus den Balkanstaaten dürften auch dann schon abgeschoben werden, wenn ihr Hauptsacheverfahren noch läuft, also wenn sie gegen einen ablehnenden Bescheid Rechtsmittel eingelegt haben.

Einsätze seien auch für die Polizeibeamten bedrückend

„Momentan merkt man deutlich, dass die Abschiebungen nach oben gehen“, konstatierte auch der Leiter des Polizeireviers Volker Weinstock, der an diesem Abend als Experte zu Gast war. „Niemand von uns ist zur Polizei gegangen, um Familien abzuschieben“, betonte Weinstock. Das sei auch für die Kollegen bedrückend. Gleichwohl hätten sie als Polizisten auch diese Aufgabe zu erfüllen. Die Zeit des Einsatzes lege das Regierungspräsidium fest.

Weinstock erläuterte auch, wie es dazu kommt, dass Polizisten in einer Flüchtlingsunterkunft an viele Türen klopfen: Nicht immer spielten die Verantwortlichen auf Trägerseite mit, sodass sie nicht wüssten, in welchem Zimmer die Personen auf den Listen wohnten, manchmal hielten sich diese auch in anderen Zimmern auf. „Dann kommt es zu der Klopferei. Anders ist es uns auch lieber“, versicherte Weinstock. Formal sei in Wangen aber alles richtig gelaufen.