Spaniens König Felipe VI. enterbt sich selbst – weil er sich nicht ganz sicher ist, ob das Geld seines Vaters aus sauberen Quellen stammt. Das Misstrauen kommt nicht von ungefähr.

Madrid - n den sorgenvollen Tagen der Komplett-Quarantäne Spaniens käme ein Wort des Königs zur Viruskrise ganz recht. Aber Felipe VI., der sich außer zu Weihnachten sowieso selten an sein Volk wendet, lässt nichts von sich hören. Er ist mit Familienangelegenheiten beschäftigt. Das erfuhren die Spanier, eingesperrt in ihren Wohnungen, am Sonntagabend, als das Königshaus eine Mitteilung veröffentlichte, die kaum anders als sensationell zu nennen ist. Felipe zerschneidet das Tischtuch mit seinem Vater Juan Carlos, weil er ihn für möglicherweise korrupt hält. Das ist ein Donnerschlag, der in diesen aufregenden Tagen etwas weniger Lärm macht, als er es zu gewöhnlichen Zeiten täte. Aber es bleibt ein Donnerschlag.

 

Vor knapp zehn Monaten, Ende Mai 2019, verkündete der alte König Juan Carlos seinen Rückzug aus dem öffentlichen Leben. Das war insofern eine merkwürdige Ankündigung, als Juan Carlos schon längst, fünf Jahre zuvor, abgedankt hatte und seitdem nur noch selten bei öffentlichen Auftritten zu sehen war. Noch merkwürdiger war, dass in Spanien offenbar niemand wissen wollte, was hinter dieser Rückzugserklärung steckte. Man durfte spekulieren. Zum Beispiel über eine mögliche abnehmende Geisteskraft des 82-jährigen Monarchen. Jetzt ist klar, dass ihn sein Sohn und Thronnachfolger Felipe damals aus dem Königshaus gejagt hat. Er wollte bisher nur nicht, dass das alle Welt weiß. Jetzt weiß es alle Welt.

Der König unterstellt dem Königsvater, ein Krimineller zu sein

In der Erklärung von diesem Sonntagabend erfahren die Spanier, dass Felipe am 5. März vergangenen Jahres Post von der britischen Anwaltskanzlei Kobre & Kim erhielt, die ihn darüber informierte, dass er – Felipe – Begünstigter einer Stiftung namens Lucum sei. Im Falle des Todes seines Vaters Juan Carlos gehe das Geld der Stiftung an ihn. Von seiner Verbindung zu dieser Stiftung, lässt Felipe erklären, habe er bis zu diesem Zeitpunkt nichts gewusst.

Für alle Fälle aber besprach er sich gut einen Monat später, am 12. April 2019, mit einem Notar, um klarzustellen, dass er auf die Benennung als Erbe dieser Stiftung verzichte – und seine Tochter, Kronprinzessin Leonor, auch. In der Erklärung vom Sonntag schreibt der König, er verzichte als künftiger Erbe auf alle Dinge, „deren Ursprung, Eigenschaften oder Zweck nicht im Einklang mit der Legalität stehen könnten“. Dieser Halbsatz ist eine Bombe. Der König unterstellt dem Königsvater, ein Krimineller zu sein. Deswegen musste Juan Carlos im Mai 2019 seinen Rückzug aus dem öffentlichen Leben erklären. Ab sofort erhält er nun auch kein Gehalt mehr vom Königshaus, bisher rund 195 000 Euro brutto jährlich.

Bestach Saudi-Arabien den Spanischen König?

Dass Felipe diese Bombe jetzt platzen ließ, ist dem Madrid-Korrespondenten des britischen „Telegraph“ zu verdanken. Der hatte eine Quelle aufgetan, die ihm bisher öffentlich nicht bekannte Unterlagen der Lucum-Stiftung zeigte, in denen Felipe als deren Begünstigter nach dem Tode seines Vaters benannt worden war. Damit kam Felipe in den Ruch, von möglichen unsauberen Geschäften seines Vaters zu profitieren.

Nach der Veröffentlichung der Geschichte im „Telegraph“ trat der König am Sonntag die Flucht nach vorne an. Über die am 31. Juli 2008 gegründete Lucum-Stiftung verwaltete Juan Carlos ein Vermögen, das ihm der damalige saudische König Abdullah hatte zukommen lassen: 100 Millionen US-Dollar, knapp 65 Millionen Euro. Vier Jahre später überwies er das Geld an seine damalige Freundin, die deutsche Geschäftsfrau Corinna zu Sayn-Wittgenstein, die den Betrag als „nicht erbetenes Geschenk“ annahm.

Bemerkenswert an dem Skandal ist das Desinteresse vieler Spanier

Diese Geldflüsse sind so auffällig, dass seit einiger Zeit ein Genfer Staatsanwalt deren Zweck untersucht. So wie König Felipe fragt er sich, ob alles „im Einklang mit der Legalität“ geschah oder ob Juan Carlos Bestechungsgelder für seine Vermittlertätigkeit bei einem saudischen Schnellbahnprojekt erhielt. Der „Telegraph“ hatte die Gelegenheit, auch noch die Unterlagen einer zweiten, mit zehn Millionen Dollar etwas weniger üppig ausgestatteten Stiftung namens Zagatka einzusehen: Dort erscheint König Felipe nach seinem Vater als vierter Begünstigter, falls die vorigen drei nicht mehr darauf zugreifen können sollten. Auch von seiner Verbindung zu dieser Stiftung, erklärt der König, wusste er bis jetzt noch nichts, aber für alle Fälle verzichte er hier ebenfalls.

Bemerkenswert an diesem Königsdrama ist das Desinteresse der spanischen Presse, der spanischen Justiz und der spanischen Politik. Ohne die Hartnäckigkeit eines Schweizer Staatsanwalts und eines britischen Journalisten wäre von der Geschichte heute so gut wie nichts bekannt.