Athletinnen beschuldigen einen Tauberbischofsheimer Landestrainer der sexuellen Belästigung. Was wusste der Verein darüber?

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Matthias Behr hat sich am Sonntagvormittag beim Badminton abreagiert. Sport tut gut in diesen unruhigen Zeiten. In dem am Samstag erschienenen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ steht der FC Tauberbischofsheim, dessen Fecht-Internat Matthias Behr leitet, in einer skandalösen Angelegenheit im Fokus. Ein Trainer soll Fechterinnen begrapscht und sexuell belästigt haben. Bereits am 22. Dezember 2016 hatte der Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) dem Coach, der in dem „Spiegel“-Artikel als Sven T. nur abgekürzt wird, aus diesen Gründen fristlos gekündigt. Nun steht der einst ruhmreiche FC Tauberbischofsheim vor einem Scherbenhaufen, womöglich sogar vor dem größten Skandal seiner Vereinsgeschichte.

 

Auch Matthias Behr wird in die Sache hineingezogen. Fechterinnen beschuldigen den Mannschaft-Olympiasieger von 1976, den Trainer gedeckt zu haben. Er soll den Athletinnen sogar gedroht haben, dass sie aus dem Kader fliegen, wenn sie ihre Behauptungen nicht zurücknehmen. Behr ist ganz außer sich ob dieser Vorwürfe. „Ich habe dem ,Spiegel‘ gesagt, dass ich mich zu dem Thema nicht äußere, denn ich werde in dieser Angelegenheit nur beschädigt“, sagte der Internatsleiter dieser Zeitung. Dass er im Zusammenhang mit Vertuschung von sexueller Belästigung eine Rolle spielen soll, ärgert den ehemaligen Florettfechter Matthias Behr.

Der Verband verurteilt sexualisierte Gewalt aufs Schärfste

Dem Magazin zufolge soll es im Fechtzentrum Tauberbischofsheim zwischen 2003 und 2016 zu mehreren Fällen von sexueller Belästigung durch Sven T. gekommen sein. Der Deutsche Fechter-Bund (DFeB) verkündete am Samstag, dass er jede Form von sexualisierter Gewalt auf das Schärfste verurteile und eine saubere Aufklärung der schwerwiegenden Vorwürfe fordere. „Es ist nicht zu tolerieren, wenn damals wissentlich nicht gehandelt worden ist“, sagt DFeB-Sportdirektor Sven Ressel im Hinblick auf das womöglich allgemeine Wegschauen in Tauberbischofsheim. „Für uns gilt die Unschuldsvermutung. Aber wenn das stimmt, ist das ein Skandal“, meint der Sportchef.

Der Verband, heißt es weiter, hatte bis zu der Kündigung durch den LSV keine Kenntnis über die Vorfälle. Funktionäre, Trainer und Athleten hätten den DFeB nicht informiert. „Es darf nicht sein, dass Sportlerinnen und Sportler Angst davor haben, Probleme offen anzusprechen“, sagt der DFeB-Athletensprecher Max Hartung.

Nach aktuellem Kenntnisstand sei für den Verband derweil noch nichts bewiesen. „Ich möchte dennoch klarstellen, dass sexualisierte Gewalt in unserem Sport, aber auch in keinem anderen Bereich unserer Gesellschaft etwas verloren hat“, verurteilt die DFeB-Präsidentin Claudia Bokel jedoch die Vorwürfe, die im Raum stehen. Alle Beteiligten, allen voran die Verantwortlichen in Tauberbischofsheim, seien in der Pflicht, zu einer schnellen Aufklärung beizutragen, mahnt Bokel.

Der Skandal trifft den Verein mit voller Wucht

Der Skandal trifft den Stützpunkt im Taubertal mit voller Wucht. In diesem Jahr hatte bereits die Entlassung des Florett-Bundestrainers Andrea Magro, dessen Gehalt sich der FC TBB und der DFeB geteilt hatten und nicht mehr stemmen wollten, negative Schlagzeilen erzeugt. Dazu kommen die sportlich dürftigen Leistungen seit mehr als vier Jahren – das betrifft nicht nur Tauberbischofsheim, sondern die deutsche Fechtbranche ganz allgemein. „Die Ergebnisse haben den Sport erschüttert“, sagt ein Kenner der Szene. Nicht umsonst habe Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, einmal davor gewarnt, dass das Fechten aufpassen müsse, sich nicht in Richtung Curling zu bewegen. Nun spitzt sich die Krise offenbar richtig zu. Der neue Skandal hat gerade noch gefehlt.

In Tauberbischofsheim glauben sie, dass der LSV, dem sich die Fechterinnen anvertraut hatten, dem Stützpunkt schaden wolle. Bald entscheidet sich, welche Olympiastützpunkte im Land ihren Status verlieren – Tauberbischofsheim steht ohnehin auf der Kippe. Ein Skandal dieser Größenordnung könnte nicht nur das Aus für den Olympiastützpunkt bedeuten, auch Behr könnte Ärger drohen. Bereits 2009 haben sich laut „Spiegel“ die betroffenen Athletinnen in einem Brief, den auch der Internatschef bekommen haben soll, über den Trainer beschwert. Behr will von dem Schreiben jedoch nichts gewusst haben.

Der LSV-Hauptgeschäftsführer Ulrich Derad zweifelt an den Vorwürfen keineswegs: „Die Aussage einer betroffenen Sportlerin ist sehr detailliert und emotional gewesen.“