Der suspendierte Arzt der Göttinger Unikliniken schweigt sich weiter aus. Mediziner, Politiker und Verbände haben Konsequenzen im Organspende-Skandal gefordert.

Göttingen/Braunschweig - Vertrauen zurückgewinnen, drastische Strafen und bessere Kontrollen: Im Skandal um mögliche Manipulationen bei Organtransplantationen haben Mediziner, Verbände und Politiker Konsequenzen gefordert. Der verdächtige ehemalige Oberarzt der Uniklinik Göttingen hat einen Verteidiger engagiert und die Möglichkeit, sich zu äußern, bisher nicht genutzt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Der Uniklinik zufolge hat der Arzt die Vorwürfe nie zugegeben. Er steht unter Verdacht, Akten gefälscht und dafür gesorgt zu haben, dass die eigenen Patienten beim Empfang von Spenderlebern bevorzugt wurden. Laut Staatsanwaltschaft können die Ermittlungen gegen den 45-Jährigen Monate dauern.

 

Nach Bekanntwerden des Falls wird der Ruf nach besseren Kontrollen lauter. Mehrere Politiker forderten ein Vier-Augen-Prinzip bei der Übermittlung von Daten. „Ich verfolge die Idee, dass ein Laborarzt die Daten, die Eurotransplant geschickt werden, noch einmal prüfen sollte“, sagte der Chef der Ständigen Kommission Organtransplantation, Hans Lilie, der „Welt“. Für ein Vier-Augen-Prinzip sprach sich auch der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Essen und Mitglied des Ethikrates, Eckhard Nagel, aus. Zudem brachte er den Vorschlag ins Spiel, weniger Transplantationszentren zu haben, die besser überprüfbar seien. Gegen ein solches Prinzip wandte sich der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst. „Das ist für manche Entscheidungen nicht günstig und praktisch auch nicht immer machbar“, sagte er. Windhorst gehört der Kommission Organtransplantation an. Der Präsident der Organvermittlungsstelle Eurotransplant, Bruno Meiser, befürwortete stichprobenartige Kontrollen der Transplantationszentren.

Die Uniklinik habe schnell reagiert

Derweil wies die Göttinger Klinik Vorwürfe zurück, bei der Personalwahl des Mediziners unachtsam gehandelt zu haben. Laut „Süddeutscher Zeitung“ war in der Vergangenheit bereits gegen den Arzt ermittelt worden, weil er eine für das Klinikum Regensburg vorgesehene Spenderleber nach Jordanien brachte. Ein Sprecher der Göttinger Universitätsmedizin erklärte: „Das haben wir nicht gewusst, das war weder aus den Zeugnissen noch sonst wie erkennbar“, sagte er. Die Uniklinik habe nach ersten Verdachtsmomenten schnell reagiert und den Arzt suspendiert. Die Klinik hatte sich im Dezember von dem Mediziner getrennt. Grund sei ein anonymer Hinweis an die Deutsche Stiftung für Organspende gewesen, wonach an der Uniklinik Organe verkauft würden.

Der Patientenverband Lebertransplantierte – mit 1300 Mitgliedern einer der größten Transplantierten-Verbände – rief dazu auf, gestörtes Vertrauen zurückzugewinnen. „Alle müssen darauf vertrauen können, dass Gerechtigkeit und Selbstlosigkeit bei der Zuteilung der knappen lebensrettenden Spenderorgane in Deutschland oberstes Gebot ist“, erklärte die Vorsitzende Jutta Riemer in Bretzfeld (Hohenlohekreis). Sollten sich die Vorwürfe gegen den Oberarzt bestätigen, müssten die Verantwortlichen unnachsichtig zur Rechenschaft gezogen werden.