Die Skeleton-Pilotin Jacqueline Lölling gehört zu den Besten ihres Fachs. Beim Training hatte die 23-Jährige aber Probleme mit der Bahn – und wie wird es nun im Wettkampf?

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Pyeongchang - Ein schulterfreies Abendkleid steht ihr gut, doch es ist ziemlich ungewohnt, Jacqueline Lölling in einem derart edlen Gewandt zu sehen. In der Freizeit trägt sie das selten, und wenn sie ihrem Sport nachgeht, steckt sie in einem hautengen, bis zum Hals geschlossenen Rennanzug. Bei der Sportlerehrung im Dezember 2017 hatten die Veranstalter Jacqueline Lölling unter dem Vorwand, vor wichtigen Menschen aus der Sportwelt in Baden-Baden ein wenig Werbung für die Randsportart Skeleton zu machen, ins Kurhaus gelockt. Bring deinen Schlitten mit, hatten sie ihr schelmisch geraten.

 

Als Jacqueline Lölling unerwartet auf die Bühne gerufen wurde, staunte die damals 22-Jährige wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal in Disneyland steht. Zur Newcomerin des Jahres war sie auserkoren worden, 8000 Euro bekam sie für sich, 8000 Euro erhielt ihr Club, die RSG Hochsauerland. Wer in einer so kurzen Karriere Welt- und Europameisterin geworden ist und dazu in den vergangenen zwei Saisons den Gesamtweltcup gewonnen hat, der hat sich das Scheinwerferlicht verdient. „Das war eine riesige Ehre – und eine tolle Überraschung“, sagt sie.

Mit einem Ausflug ging es los

Eigentlich ist die junge Frau, die am 6. Februar 23 geworden ist, diejenige, die für Überraschungen zuständig ist. Das begann, als sie ihren Eltern beichtete, dass sie Skeleton-Pilotin werden möchte und dass sie dafür einen Fahrdienst benötigen würde, der sie zwei- bis dreimal pro Woche von Brachbach im Westerwald nach Winterberg kutschiert. 90 Minuten Fahrzeit, einfache Strecke. Das war vor zehn Jahren. Eine Sportlehrerin hatte sie zuvor an den Eiskanal mitgenommen, weil deren Tochter Spaß an Skeleton hatte – Jacqueline Lölling brauste zweimal die Jugendstrecke runter, da hatte der Teenager entschieden: Das mache ich auch. Widerstand zwecklos, das war den Eltern klar. „Wenn sie sich mal irgendwo festgebissen hat“, erzählte Vater Bernd Lölling, „dann zieht sie das auch durch.“

Und wie, denn die nächste dicke Überraschung hat nicht übermäßig lange auf sich warten lassen. 2011 schnappte sich zum Erstaunen vieler die erst 16-Jährige den Titel der deutschen Meisterin, 2012 holte sie bei den Olympischen Jugendspielen in Innsbruck Gold. 2015 wurde sie Vizeweltmeisterin – und im vergangenen Winter gelang Jacka Lölling, wie sie mittlerweile in der Szene firmiert, das historische Triple aus WM-Triumph, EM-Gold und dem Gesamtweltcupsieg. „Wenn man auf dem Podest steht, will man dieses Niveau natürlich halten“, sagt die Polizeimeister-Anwärterin, „aber mir war schon auch klar, dass es nicht automatisch so weitergehen wird.“ Allerdings hat sie sich dabei ein wenig selbst überrascht – es ging so weiter: Mit ihrem vierten Saisonsieg verteidigte Jacka Lölling im Januar am Königssee den Gesamtweltcup. Damit war für Laien und Experten klar: Der Weg durch den Eiskanal von Pyeongchang zum Olympiasieg führt nur über die Deutsche.

Es droht kein Zickenkrieg

Doch in Korea präsentierte sich plötzlich ein ungewohntes Bild. In den Trainingsläufen eins bis vier kam die Topfavoritin mit der Bahn nicht gut zurecht, der Rückstand zu den Besten lag zwischen vier und acht Zehnteln Sekunden. Die Österreicherin Janine Flock und die Britin Lizzy Yarnold finden einen schnelleren Weg durch das Eislabyrinth. „Die Bahn hat ihre Tücken und ist anspruchsvoll – vor allem Kurve neun“, sagt Jacka Lölling, „es ist nicht einfach, sie zu erarbeiten.“ Dabei hat sie eigentlich gute Erinnerungen an das Alpensia Sliding Center – dort machte sie vergangenes Jahr ihren ersten Gesamtweltcup-Erfolg perfekt. Manchmal gibt’s im Leben der Skeletoni eben auch negative Überraschungen.

Doch sie kämpfte um eine bessere Linie – in Training fünf legte sie die Bestzeit hin. An diesem Freitag (12.20 Uhr) wird der erste von vier Läufen gestartet, die Entscheidung fällt am Samstag (13.45 Uhr) in Lauf vier. So schnell gibt im Skeleton niemand auf. Bundestrainer Jens Müller wird mit Lölling und deren Teamkolleginnen Tina Hermann (25), der Einzel-Weltmeisterin und Gesamtweltcupsiegerin von 2016, sowie Anna Fernstädt (21) noch am Start feilen, bei dem sie ihre Probleme haben.

Dass der ehemalige Rodler (Olympiasieger 1988) gleich drei Athletinnen von Topformat betreut, sieht er als Riesenvorteil. „Konkurrenz im eigenen Lager ist ein wichtiges Element im Leistungssport“, sagt der 52-Jährige, „sie hilft bei der Weiterentwicklung und spornt die Athleten zusätzlich an.“ Und zwar im positiven Sinn, denn Jacka Lölling, Tina Hermann und Anna Fernstädt kommen miteinander zurecht, im Skeleton-Lager droht kein Zickenkrieg. „Wir sind so häufig gemeinsam unterwegs“, erzählt die amtierende Weltmeisterin, „wir fühlen uns als Mannschaft, nur am Startbalken denkt jede nur noch an sich und will schneller sein als die anderen.“

Womöglich reicht es zu einer Medaille, die wäre aber keine ganz so große Überraschung. Dann darf Jacka Lölling im Dezember sicher wieder ins Kurhaus nach Baden-Baden kommen – dann kann sie ein neues Abendkleid vorführen. Ihren Schlitten darf sie gerne daheim lassen.