Weil die Skirennläufer wegen der Corona-Pandemie auf die sonst üblichen Trainingslager in Chile oder Argentinien verzichtet haben, geht es in den europäischen Alpen zu wie auf dem Rummelplatz. Und bald startet in Sölden schon wieder das erste Weltcuprennen.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Ganz langsam färben sich die Blätter, der Sommer ist erst seit wenigen Tagen vorüber, doch am 17. Oktober beginnt schon der alpine Ski-Weltcup – wie unwirklich! Riesenslalom-Auftakt in Sölden, ein echter Klassiker ist das, wegen der Corona-Pandemie findet er diesmal jedoch eine Woche früher statt als sonst. „Das ist ein Motivationsschub für mich, jetzt hat man endlich mal wieder einen Pusch“, sagt der deutsche Riesenslalom-Spezialist Alexander Schmid, der es kaum erwarten kann, unter Wettkampfbedingungen abzuschwingen.

 

Corona hat vieles verändert für die Skirennläufer. Kein Training in Chile oder Argentinien war möglich im Sommer, obwohl die Bedingungen dort brillant waren – dafür aber bevölkert der halbe Weltcup-Zirkus seit Wochen die Schweizer Gletscher in Zermatt und Saas-Fee. Da wollen dann wie in Saas-Fee morgens um 6.15 Uhr 600 Leute mit der ersten Gondel auf den Berg. Sie warten im Seilbahnhaus mit Masken und Sicherheitsabstand, der die lange Schlange ungewöhnlich auffächert, um so schnell wie möglich nach oben zu kommen: jeder gegen jeden – es fängt schon am Skilift an. „So ein Stress! Es sind so viele Leute hier, und jeder will überall der erste sein – also in den letzten Jahren war es viel ruhiger“, sagt der Schweizer Rennläufer Daniel Yule, den die Übervölkerung seiner Heimatberge nervt.

13 verschiedene Pisten

Insgesamt 13 verschiedene Pisten haben sie auf dem Gletscher in Saas-Fee gesteckt, fein säuberlich nebeneinander, für jede Disziplin ist ein Kurs dabei. In dem heillosen Durcheinander muss man sich erst einmal zurechtfinden. Aber das Gute ist: da die Nationen so geballt aufeinandertreffen und zusammen trainieren, weiß jeder schon jetzt, was der andere kurz vor dem Saisonstart drauf hat oder nicht. Man beobachtet sich, vergleicht, zieht seine Schlüsse. Alexander Schmid guckt sich sehr genau den Franzosen Alexis Pinturault an, der in seiner Karriere bereits 14 Riesenslalom-Weltcups gewann. „Er fährt technisch sauber und hat einen sehr guten Schwung, von ihm kann ich mir richtig was abschauen“, sagt Schmid, den sie beim DSV im Riesentorlauf als zweiten starken Mann neben Stefan Luitz aufbauen.

So überfüllt die Gletscher in den Alpen zurzeit auch sind – die Trainingsbedingungen waren und sind hervorragend; es muss ja nicht immer für viel Geld nach Übersee gehen. Bereits im Juni fand die deutsche Equipe gute Bedingungen am Stilfserjoch. Danach war sie sehr zufrieden mit ihren Schneetagen auf den Schweizer Gletschern. „Wir hatten sehr gute Trainings in Saas-Fee“, sagt Luitz, der dort wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bekommen hat und richtig angreifen will in der bevorstehenden Saison, in der auf Rennen in Kanada und den USA wegen der Pandemie verzichtet wird.

Alles wird anders sein

Alles wird anders sein in diesem Winter. An die Sicherheitsbestimmungen haben sich die Athleten schon während der Trainingsaufenthalte gewöhnt. In Sölden gehen sie dann in Tirol an der Start. Der Ort ist wie das durch den großen Corona-Ausbruch im vergangenen Winter in die Schlagzeilen geratene Ischgl eine Hochburg für feierfreudige Ski-Gäste. Diesmal wird daraus nichts. „Wenn wir nur 48 Stunden in Tirol sind, müssen wir nicht in Quarantäne“, sagt Christian Schwaiger, der Cheftrainer der deutschen Männer, „und wenn wir länger da sind, dann müssen wir negative Tests bringen.“ Ob das auch noch für Mitte Oktober gelten wird, weiß er nicht. „Die Regularien ändern sich ja wöchentlich.“

Mit all diesen Dingen rund um die Pandemie will sich Alexander Schmid lieber nicht allzu viel beschäftigen. „Wenn man zu viel darüber nachdenkt, fokussiert man sich nicht mehr genug auf den Sport“, sagt er. Der Saisonauftakt wird derweil in gewisser Weise ähnlich ablaufen wie die Trainingstage auf den Gletschern: Zuschauer wird es nicht geben. Nun könnte man meinen, dass auf dem Rettenbachferner über Sölden Winde wehen, die das Virus weit jenseits der Baumgrenze ausgezeichnet verteilen, dennoch wird ohne Publikum gefahren. „Für uns Sportler ist es brutal schade, wenn die Stimmung fehlt“, sagt Stefan Luitz – fügt dann aber doch noch hinzu: „Wenn man schlecht fährt, ist es eh besser, wenn keiner da ist.“