Nach dem Rücktritt der dreimaligen Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch herrscht die große Flaute – was einige Gründe hat.

Stuttgart - Runter kommen sie immer. Aber wie? Das hat sich Maria Höfl-Riesch (30) am vergangenen Samstag wieder mal gefragt, als sie aus ihren Ferien in Obertauern folgende Meldung auf ihre Homepage im Internet stellte: „Après-Ski-Party auf der Edelweiß-Alm. Und wie wollen die jetzt alle noch ins Tal?“ Tja, Skifahren kann halt schon eine rechte Gaudi sein – wenn man nicht mehr dem Nationalkader des deutschen Frauenteams angehört.

 

Die Mitglieder in diesem Kreis haben nämlich auf den Alpenhütten nichts zu lachen und nichts zu feiern in der Saison eins nach dem Rücktritt der dreimaligen Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch, die inzwischen als ARD-Fernsehexpertin eine weit bessere Figur abgibt als ihre Nachfolgerinnen auf den steilen Hängen – was jedoch leider auch nicht allzu schwierig ist. So hat am Dienstag beim Nachtslalom von Flachau nur eine Läuferin im zweiten Durchgang das Ziel erreicht: Barbara Wirth. Sie wurde 22. – und Letzte. Das ergänzte dann aber nur das Bild, da die Ergebnisse in den vergangenen Wochen durchweg katastrophal ausgefallen sind, in allen Disziplinen und mit lediglich einer Ausnahme: Viktoria Rebensburg, die als Einzige die Norm des Verbands für die WM in Vail (2. bis 15. Februar) erfüllt hat.

Ansonsten sagen Spötter, dass die Mädels jetzt eventuell lieber noch mal einen Skikurs belegen sollten, bevor sie weiter die Pisten in den Bergen unsicher machen. Das ist zwar gemein, und ganz so dramatisch ist es auch nicht, aber schlimm genug ist es schon. Das weiß Maria Höfl-Riesch, die sich in ihrer neuen Funktion bestimmt auch gewissenhaft auf die Titelkämpfe in den USA vorbereitet. Denn schließlich kann man sich am Mikrofon angesichts der Misere ganz schnell den Mund verbrennen.

Zu beneiden ist Maria Höfl-Riesch jedenfalls nicht in ihrem neuen Job, der bedingt, dass sie den Zuschauern die Gründe des Niedergangs ein bisschen erklärt. Das erwartet das Publikum von ihr. Dabei gibt es Fachleute, die glauben, dass die Krise indirekt auch mit der früheren Medaillensammlerin zusammenhängt – speziell mit ihrer Dominanz und ihren vielen Siegfahrten, die jahrelang ein Schutzschild für den Rest gewesen sind. Das kann Maria Höfl-Riesch selbst natürlich nicht laut sagen, aber Markus Anwander schon. „Wir haben das Problem, dass unser Zugpferd verloren gegangen ist“, meint der Trainer der Frauen gegenüber der StZ. Dieses Zugpferd hat gerade schön Urlaub in Obertauern gemacht. Die anderen waren in Flachau. Deshalb würden sie jetzt in der Öffentlichkeit stehen, was mit Druck verbunden sei, sagt Anwander, „und damit können sie mental momentan noch nicht umgehen“.

Vielleicht haben sich aber nicht nur die Athletinnen hinter Maria Höfl-Riesch versteckt, sondern auch manche Funktionäre im Verband, die im Sog der alten Vorzeigedame gut gefahren sind und sich im Glanz der Triumphe sonnen konnten. Darüber vergisst man schnell einmal die konsequente Förderung der Jugend. Diese schmerzhafte Erfahrung haben im Übrigen auch schon andere Sportarten gemacht – etwa die Skispringer nach Sven Hannawald und Martin Schmitt oder die Biathleten nach Uschi Disl und Magdalena Neuner oder sogar die Fußballer nach dem WM-Gewinn 1990. Erst nach einer radikalen Nachwuchsreform knüpften sie wieder an bessere Zeiten an. Und auch der VfB Stuttgart ist kein so schlechtes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn die Weichen im Erfolg nicht richtig gestellt werden.

Anwander kennt solch größere Zusammenhänge. In diese Kategorie fällt auch das, was seine Analyse der gegenwärtigen Frustsituation neben dem nun fehlenden Zugpferd noch ergeben hat. Demnach ist es so, „dass es für uns immer komplizierter wird, im Jugendbereich gute Arbeit zu leisten“, sagt er. Zurückzuführen sei das vor allem darauf, „dass wir in Deutschland seit 1994 geburtenschwache Jahrgänge haben“. Und weniger Masse an Talenten bedeute dann eben auch weniger Klasse.

Eine Rechnung, die aber höchstens bedingt aufgeht. Denn zum einen gibt es in kleinen Ländern wie in Österreich oder der Schweiz kaum mehr Masse – und zweitens beweisen die Männer im DSV gerade, dass man auch mit relativ wenig Masse den Anschluss an die Weltspitze herstellen kann. In den letzten 25 Jahren seien die Herren hier im Schatten der Damen gestanden, sagt Anwander, „jetzt ist es umgekehrt“.

Überhaupt will er realistisch sein. Nach dem Abgang von Maria Höfl-Riesch sei ja klar gewesen, „dass wir kaum noch eine haben, die aufs Podest fahren kann“. Womöglich wäre die Gold-Marie dazu sogar nach wie vor in der Lage. „Die Slalomform passt noch“, hat Maria Höfl-Riesch aus Obertauern mitgeteilt. Aber bitte nicht übertreiben! Dann hat sie doch den Einkehrschwung auf der Edelweiß-Alm gewählt.