Die beste deutsche Skirennläuferin und Olympiasiegerin von Vancouver, Viktoria Rebensburg, beendet überraschend ihre Karriere.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Wie aus dem Nichts flattern durchs Internet ein paar Zeilen, in denen die Skirennläuferin Viktoria Rebensburg das Ende ihrer Karriere verkündet. Im Alter von 30 Jahren, einfach mal so, und das auch noch in einer Phase, in der die alpine Mannschaft des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) – mit Ausnahme von Thomas Dreßen und Josef Ferstl – eine Riege der Namenlosen ist. Im März des vergangenen Jahres sagte ja schon der aufgeweckte und deshalb so beliebte Frontmann Felix Neureuther servus. Vor Rebensburgs Abschied am Dienstag hatten auch Veronique Hronek, Christina Ackermann, Dominik Stehle und Fritz Dopfer ihre Rennbretter in den Keller gestellt – für immer.

 

Jetzt also auch noch Viktoria Rebensburg, die Nummer eins im DSV-Lager seit Maria Höfl-Riesch sich im Jahr 2014 ins Privatleben verabschiedete. „Nach meiner Verletzung im Frühjahr und den zurückliegenden zwei Monaten im Schneetraining habe ich gemerkt, dass es mir nicht mehr gelingt, mein absolutes Topniveau zu erreichen“, erklärte Rebensburg. Ihr ging es stets um nichts anderes, als um Siege mitzufahren und die Menschen zu begeistern. „Da ich nun aber das Gefühl habe, dem nicht mehr gerecht zu werden, ist dies zwar eine sehr schwere, aber für mich unausweichliche Entscheidung.“

Neureuther ist geschockt

Felix Neureuther fiel aus allen Wolken, als er vom Rücktritt seiner Ex-Kollegin hörte. „Ich muss sagen, ich war geschockt. Ich schätze sie nicht nur als Athletin, sondern auch als tolle Persönlichkeit“, sagte Neureuther, der noch vor zwei Wochen Rebensburg traf, allerdings noch nichts bemerkt hatte von möglichen Rücktrittsgedanken. Der Frauen-Bundestrainer Jürgen Graller musste Rebensburgs überraschenden Abschied auch erst einmal verdauen. „Die Vicky kannst du nicht ersetzen“, sagte der Coach, „jetzt müssen wir erst mal kleine Brötchen backen.“

Für den DSV ist der Rücktritt seiner mit Abstand erfolgreichsten Athletin ein herber Dämpfer vor der WM-Saison. Rebensburg war neben Thomas Dreßen die größte Hoffnung im Kader für den neuen Winter, der wegen der Corona-Folgen noch voller Ungewissheit steckt. Vermutlich hat auch das durch die Pandemie verursachte Chaos im Sportbetrieb dazu geführt, dass Rebensburg einen Schlussstrich gezogen hat. Corona begünstigt die Gedanken an eine Zäsur.

In den vergangenen Jahren befand sich Rebensburg bei den Frauen zwar kraft ihrer Erfolge in einer Sonderrolle, doch an exponierter Stelle im Mannschaftsgefüge zu stehen war nie das, worauf sie Wert legte. „Ich bin, wie ich bin“ – mit dieser Aussage entkräftete sie immer wieder alle Hoffnungen des DSV und der Medien, sie würde vor allem nach dem Karriereende von Höfl-Riesch zu einer Galionsfigur mutieren. Solch eine Rolle war nichts für die bodenständige Frau. Sie war nie der schillernder Star, sondern eher das sympathisch geerdete Madel aus Kreuth: frei von Allüren, immer geradeaus – aber auch ausgestattet mit dem bayerischen Humor.

Keine Diva, aber das Herzstück

Insofern war Rebensburg innerhalb der deutschen Mannschaft keine Diva, sondern das Herzstück. Aber auch eine Athletin, die in den vergangenen Jahren wegen ihrer sportlichen Qualitäten immer öfter Einzeltraining bekam. Viktoria Rebensburg hat sich in ihrer Karriere schließlich zu einer der erfolgreichsten deutschen Rennläuferinnen gemausert – fast unbemerkt und ohne Tamtam. In Vancouver wurde sie Riesenslalom-Olympiasiegerin und holte in Sotschi Bronze. Dazu kommen zwei WM-Silbermedaillen und drei kleine Kristallkugeln im Riesentorlauf, ihrer Paradedisziplin. Zehn Jahre nach Höfl-Riesch war Rebensburg erst die zweite Deutsche, die auf der Kandahar in Garmisch eine Weltcup-Abfahrt gewann. Und im ewigen nationalen Ranking liegt sie mit 19 Weltcupsiegen bis auf einen Erfolg hinter der drittplatzierten Hilde Gerg. Häufiger gewannen nur Katja Seizinger (36) und Maria Höfl-Riesch (27).

Unvergessen aber bleibt ihr kurioser Olympiasieg in Vancouver. 2010 bei den Spielen in Kanada befanden sich Rebensburgs Eltern bereits auf dem Rückflug, sie konnten ja nicht ahnen, dass der zweite Durchgang des Riesenslaloms wegen der Wetterkapriolen einen Tag später ausgefahren wurde – der Flug war schon gebucht. Auf der Rückreise erfuhren sie vom Gold ihrer Tochter, die die Skiszene mit ihrem beherzten Fahrstil, der ein bisschen an die risikofreudigen Auftritte des US-Stars Bode Miller erinnerte, bereicherte. „Die Vancouver-Medaille liegt bei mir zu Hause auf einer Fensterbank. Wenn ich sie sehen will, hole ich sie aus der Filztasche heraus und gucke sie mir an“, sagte Viktoria Rebensburg mal mit einem lausbubenhaften Lächeln und im Bewusstsein: Das Ding kann mir keiner mehr nehmen.