Skifahren und Coronavirus Österreich verbietet Après-Ski
Die Wintersportgebiete in den Alpen rüsten sich mit klaren Corona-Regeln für die Skisaison. Die startet schon im Oktober. Als besonders vorbildlich präsentiert sich dabei ausgerechnet Ischgl.
Die Wintersportgebiete in den Alpen rüsten sich mit klaren Corona-Regeln für die Skisaison. Die startet schon im Oktober. Als besonders vorbildlich präsentiert sich dabei ausgerechnet Ischgl.
Ischgl - Die Corona-Krise hat Österreich derzeit fest im Griff. Die Fallzahlen steigen, die Stadt Wien und das Bundesland Vorarlberg werden von Deutschland aktuell als Risikogebiete eingestuft. Für Österreich, das laut Bundeskanzler Sebastian Kurz 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch Tourismus erwirtschaftet, ist das eine Katastrophe. Die Regierung kämpft daher nicht nur dafür, dass die Reisewarnungen schnell wieder aufgehoben werden. Sie hat am Donnerstag auch ein Konzept für sicheren Wintertourismus vorgestellt.
Kurz zusammengefasst geht das laut Kurz so: „Skivergnügen ja, aber ohne Après-Ski.“ In den Hütten und Lokalen – auch auf den Terrassen – dürfen Speisen und Getränke nur denjenigen Gästen serviert werden, die einen Sitzplatz haben. Mund-Nasen-Schutz ist Pflicht, ein Meter Abstand ist einzuhalten, auch beim Anstehen am Lift.
Während in den höher gelegenen Gebieten auf den Gletschern die Saison schon läuft oder bald startet, hat Ischgl bis zur geplanten Pisteneröffnung Ende November noch etwas Zeit. Der Tiroler Ort war im März 2020 eine der schlimmsten Brutstätten für das neuartige Virus in Europa. Viele Skifahrer hatten sich im „Ibiza der Alpen“ infiziert. Den Verantwortlichen wurde vorgeworfen, sie hätten aus Profitgier die Sicherheit der Gäste und Mitarbeiter aufs Spiel gesetzt und den Liftbetrieb viel zu lang am Laufen gehalten. Bis zu 30 Todesfälle weltweit werden inzwischen direkt mit Ischgl in Verbindung gebracht, Klagen sind eingereicht.
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Ein halbes Jahr später gibt man sich im Paznauntal geläutert. „Die Gesundheit hat oberste Priorität“, lassen Ischgls Bürgermeister Werner Kurz, der örtliche Tourismusverband Paznaun-Ischgl und die Silvrettaseilbahn AG in einer gemeinsamen Erklärung verkünden. „Es tut uns leid, dass sich Menschen in Ischgl infiziert haben. Wir haben aus den Erfahrungen des vergangenen Winters gelernt und umfangreiche Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um den Gästen ein maximal sicheres Urlaubserlebnis zu ermöglichen“, sagt Ischgls Tourismusdirektor Andreas Steibl.
In Ischgl hatte sich die Pandemie besonders rasant ausbreiten können, weil hier nicht nur Ski und Snowboard gefahren, sondern vor allem viel gefeiert und getrunken wird. Après-Ski-Bars wurden zu gefährlichen Virenschleudern. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat sich im vergangenen Winter infiziert. Daher greift Bundeskanzler Kurz nun zu drastischen Maßnahmen und verbietet Suff in Skistiefeln.
Die Entscheidungsträger im Tiroler Paznaun haben eine lange Liste erstellt, um Gesundheit und Sicherheit so gut wie möglich zu gewährleisten. „Unser Ziel ist es, einer der sichersten Orte weltweit zu werden“, sagt Steibl. „Wir gehen ganz bewusst weit über die Mindestanforderungen hinaus, um unseren Gästen und Mitarbeitern ein Maximum an Sicherheit zu bieten“, erklärt Günther Zangerl, Vorstand der Silvrettaseilbahn AG.
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Maske tragen, Abstand halten, Handhygiene, Zugangsbeschränkungen in Gaststätten – das gilt überall. Seilbahnen zählen in Österreich rechtlich gesehen zu öffentlichen Verkehrsmitteln, eine Reduktion der Fahrgastkapazitäten ist im Moment nicht vorgegeben. In Ischgl werden jedoch beispielsweise die Gondelkabinen mit Kaltvernebelungsgeräten desinfiziert. „Wir haben entsprechende Geräte angeschafft und im Sommer erfolgreich getestet“, sagt Zangerl. Dieselbe Methode werde auch in den Skibussen sowie in Sportshops, Skidepots, WC-Anlagen, Aufzugskabinen und den Erste-Hilfe-Stationen täglich angewendet.
Tägliches Fiebermessen und wöchentliche Corona-Tests sollen sicherstellen, dass die Mitarbeiter der Seilbahnen gesund sind. Auch die Angestellten in den Hotels und Bars, das Personal im Supermarkt, im Skidepot, in den Skischulen und so weiter würden ständig auf Covid-19 getestet. Im sogenannten Blaulichtzentrum in der Ortsmitte, in dem bereits die Feuerwehr und die Bergrettung ihren Sitz haben, wurde ein Corona-Testzentrum eingerichtet. „Unsere Screeningstation mit angeschlossenem Labor hat in der Sommersaison schon sehr gut funktioniert. Für den Winter wird die Kapazität natürlich aufgestockt“, sagt Tourismusdirektor Andreas Steibl.
Den Gästen wird empfohlen, bei der Ankunft im Hotel ein negatives Testergebnis, welches nicht älter als 72 Stunden ist, vorzuweisen. Wer den Test nicht zu Hause machen konnte, kann diesen in der Gäste-Screeningstation vor Ort nachholen. „Zur Pflicht machen können wir das aus rechtlichen Gründen nicht“, sagt Steibl. Zusätzlich wird beim Einchecken die Körpertemperatur gemessen, und man muss einen kurzen Fragebogen beantworten und unterschreiben. Außerdem werde zurzeit noch an einer personalisierten Kontaktverfolgungs-App fürs Smartphone gearbeitet.
Auch das Abwasser im Ort wird überwacht. Dieses Monitoring ist laut Bürgermeister Werner Kurz eine Initiative des Landes Tirol, die in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck landesweit eingesetzt wird. Die laufenden Abwassertests sollen mit hoher Genauigkeit die Früherkennung von potenziellen Infektionen ermöglichen.
Beim Kauf eines Skipasses erhält man in Ischgl im Winter 2020/2021 als kostenlose Zugabe ein Multifunktionstuch. Dieser Stoff wärmt das Gesicht nicht nur bei Kälte, er dient auch als Mund-Nasen-Schutz. Weitere Infos: www.ischgl.com
Einige Schweizer Skigebiete haben eine sogenannten Pandemieabsicherung für Wintersportler eingeführt. Bei den Tages- und Mehrtageskarten würde der Kaufpreis voll zurückbezahlt, falls es erneut zum Lockdown käme. Geld zurück im Pandemiefall gibt es zum Beispiel in Andermatt, Arosa-Lenzerheide, Laax, Davos Klosters oder Adelboden. Eine Übersicht über die in der Schweiz geltenden Schutzmaßnahmen findet man auf www.MySwitzerland.com.
Im Südtiroler Skigebiet Alta Badia wirbt man damit, dass es hier von Natur aus besonders viel Platz gibt. Die Weitläufigkeit soll Sicherheit bieten und so das Infektionsrisiko durch Covid-19 zu verringern. Außerdem gelten Abstandsregeln, man muss die Hände desinfizieren und es werden Hygieneschutzscheiben installiert. Außerdem fahren die Kabinenbahnen mit kleinerer Kapazität und höchstmöglicher Geschwindigkeit. www.altabadia.org.