Braune Skihänge südlich der Alpen: In Südtirol und im Trentino ist Wintersport nur noch mit maschinell erzeugtem Schnee möglich. Südtiroler Schneekanonen sind zum globalen Exportschlager geworden.

Bozen - Auf der Alpe sieht es aus als hätte ein Riese mit einem Pinsel weiße Linien in die grünbraunen Hänge der Dolomiten gemalt. Die Linien sind aber Skipisten und der Schnee darauf kommt aus Maschinen, die man gemeinhin Schneekanonen nennt. Winter 2015/16 südlich des Alpenhauptkamms. In den italienischen Regionen Südtirol und Trentino, in denen auch schon mal aus dem Himmel gefallene Schneehöhen von über acht Metern gemessen wurden, hat es bisher kaum geschneit.

 

Es ist warm, ungewöhnlich warm. Hier oben auf der Alpe Lusia am Rand des Fassatals sitzen die Wintersportler schon am Vormittag mit einem Espresso auf den Sonnenterrassen der Skihütten, auf den Pisten daneben tupfen sich Skifahrer bei kurzen Pausen den Schweiß von der Stirn. Viele tragen bei ihren Schwüngen nur ein Skihemd, keine Jacke. Manche nicht mal Handschuhe und das auf über 2000 Meter und im Februar.

An Weihnachten bis zu 17 Grad in den Skigebieten

„An Weihnachten hatten wir bis zu 17 Grad in den Skigebieten“, erzählt Thomas Mussner. Er ist General Manager von Dolomiti Superski, einem Zusammenschluss von zwölf Skigebieten mit 1200 Kilometer Pisten und 450 Liften. Aber egal ob in den Gebieten des Pustertals, ob rund um das Sella-Massiv oder in den südlichen Regionen des Fassatals – Schnee ist in dieser Saison Mangelware und das Bergwetter den ganzen Winter bis auf wenige Ausnahmen meist frühlingshaft. Wenig Schnee hat es hier öfter mal, die große Wärme ist aber Zeichen des Klimawandels.

Trotzdem sind fast alle Liftanlagen in Betrieb und der Tourismus brummt. Möglich wird das durch künstlich erzeugten Schnee, „ohne den wir unsere Anlagen dicht machen könnten“, sagt Mussner. Südtirol gehört zu den Regionen, die sich schon vor Jahrzehnten entschlossen, sich unabhängig von den Launen der Natur zu machen. Werden zum Beispiel in den bayrischen Alpen und auch in der Schweiz nur etwa 15 Prozent der Pistenfläche beschneit, sind es in der Region von Dolomiti Superski 97 Prozent. 4700 Schneekanonen verwandeln das Wasser aus 150 eigens dafür angelegten Speicherseen in Schnee.

Schnee aus der Retorte braucht Minustemperaturen

324 Pistenwalzen mit einem Stückpreis von bis zu 350 000 Euro pressen den im Vergleich zu Naturschnee bis zu sechsmal dichteren Maschinenschnee auf die Hänge. Dolomiti nimmt für die Beschneiung jedes Jahr viel Geld in die Hand. Bei einem mittleren Preis von etwa 50 000 Euro pro Kilometer beschneite Piste wären das in der Region rund 60 Millionen Euro pro Saison.

Das einzige, was es zum Schnee aus der Retorte braucht, sind Minustemperaturen. Je tiefer, desto besser. „Wir hatten in diesem Winter im November das Glück, 60 Stunden am Stück bei starkem Dauerfrost Schnee produzieren zu können“, sagt Mussner. Diese knapp drei Tage reichten, um die Pisten mit knapp einem halben Meter Kunstschnee zu überziehen. Der kann wegen seiner Dichte auch den Temperaturen dieses Winters lange trotzen.

Naturschnee ist schön für die Optik

Für den Liftmanager ist das aber erst der Anfang. Da man wohl davon ausgehen muss, dass es künftig eher noch wärmer werden wird, liegt das Augenmerk auf der Entwicklung leistungsstärkerer Anlagen, die es schaffen in noch kürzerer Zeit die Hänge zu präparieren und die immer weniger Kälte benötigen, um brauchbaren Schnee zu erzeugen. Dafür hat sein Verbund in dieser Saison elf Millionen Euro investiert. Naturschnee, so der Tenor, ist schön für die Optik. Aber brauchen tut man ihn eigentlich nicht – wenn die Temperatur unter null Grad bleibt.

Dass die Schneekanonen ihre Pracht mitten in den Dolomiten, also in einem Weltnaturerbe der Unesco, in die Luft blasen, stört kaum noch einen. Anfangs hatten Umweltschützer noch Front gemacht, auch Obstbauern in den Tälern protestierten, dass ihnen wegen der Schneemaschinen das Wasser knapp werde. Aber seit das Wasser aus Speicherseen und nicht aus Bächen kommt, beschwert sich kaum einer mehr. Dass jede Pistenkatze bis zu 40 Liter Diesel pro Stunde verbrennt, ist auch höchstens noch eine Randnotiz. Das Geschäft geht weiter. Die Technoalpin AG mit Sitz in Bozen ist Weltmarktführer in Sachen Schneekanonen und hat schon mehr als 90 000 „Schneeerzeuger“ wie sie es nennen, verkauft. Bis nach Chile.