In Sotchi ist Carina Vogt Anfang des Jahres Olympiasiegerin geworden. Nun startet die 22-Jährige in die neue Saison – ohne Druck und mit viel Selbstvertrauen.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Lillehammer/Stuttgart – Die Skispringerin Carina Vogt hat dazugelernt. Als sie im Februar Olympiasiegerin wurde, saß sie im russischen Retortenski-Ort Krasnaja Poljana im deutschen Haus und bekam fast keinen Ton heraus. Plötzlich bauten sie riesige Kameras auf und stellten ihr Fragen. Das war die Sportlerin aus Waldstetten auf der Ostalb ja überhaupt nicht gewöhnt. Und es sagte viel aus über das Frauenskispringen. Bei den Winterspielen 2010 in Vancouver war es noch nicht olympisch, weil die IOC-Funktionäre über die Disziplin noch schenkelklopfend lachten wie über einen Altherrenwitz.

 

Nun liegt Carina Vogts Olympiasieg acht Monate zurück. Sie ist sicherer geworden im Auftreten und auch selbstbewusster als Person. Als ihr neulich bei einem DSV-Termin ein Reporter die Frage stellte, ob denn so ein Olympiasieg etwas sei, das einem, ähnlich wie ein Doktortitels keiner mehr nehmen könne im Leben, da zeigte sich die Schwäbin schlagfertig. „So einen Doktortitel haben doch schon ein paar Leute verloren“, sprach Vogt und kicherte munter drauflos.

Zielstrebig und bodenständig

So schüchtern sich die Athletin bei den Spielen im Kaukasus präsentierte – sie kann auch anders. Es erhärtet sich der Eindruck, dass die Frau von der Ostalb sehr zielstrebig ist und genau weiß, was sie will. Aber vor allem ist sie bodenständig. Der Wirbel um ihre Person, vor allem im Heimatort Waldstetten bei Schwäbisch Gmünd, der habe ihr zwar gutgetan und gezeigt, „wie viele Menschen hinter mir stehen“. Doch dass Carina Vogt jetzt durchdrehen würde, weil sie die erste Skisprung-Olympiasiegerin überhaupt ist und damit einen dicken Eintrag in den Geschichtsbüchern des Sports sicher hat, davon kann wirklich keine Rede sein.

So hat Carina Vogt ihr Goldstück aus Sotschi nur in eine Schachtel gesteckt, damit es gut erhalten bleibt. „Wenn mich mal Freunde besuchen, dann hole ich die Medaille auf Nachfrage heraus, ansonsten bleibt das Ding in der Schachtel“, sagt sie. So turbulent die Zeit wegen zahlreicher Termine und Ehrungen auch war nach dem Olympiasieg – am Freitag war in Lillehammer wieder der Weltcup-Alltag angesagt. Carina Vogt landete in Norwegen beim Auftaktspringen von der Normalschanze beim Sieg der Slowenin Spela Rogelj auf Rang 19.

Mit Trainingsrückstand in die neue Saison

Vor diesem Weltcupauftakt hatte Vogt nicht die beste Phase ihrer Karriere. Wegen einer Knieoperation konnte sie erst seit September wieder das volle Trainingsprogramm absolvieren, deshalb erwartete der Bundestrainer Andreas Bauer auch noch keine Wunderdinge von ihr. „Beim Springen sind bei mir noch nicht alle Abläufe selbstverständlich genug, das ist nicht optimal“, sagte Vogt, die allerdings nicht der einzige Problemfall in der Vorbereitung war. Auch Ulrike Gräßler, Svenja Würth und Pauline Heßler hatten lange Ausfallzeiten zu verkraften und mussten Trainingsrückstände mühsam aufholen.

Der erste Superstar von Waldstetten

Doch das Positive überwiegt noch immer: Carina Vogt ist in ihrer Heimat der neue Superstar, um nicht zu sagen: womöglich der erste Superstar überhaupt. In der 7200-Einwohner-Gemeinde Waldstetten haben sie noch keine Straße nach ihr benannt, und auch noch nicht in Degenfeld, einem 450-Seelen-Ort auf der Ostalb, wo der „Goldschatz aus Sotschi“ im Skiclub ist. Auch wenn die junge Athletin sagt, dass das solch eine Ehre nicht nötig sei, kann das alles aber noch kommen. Im Degenfelder Verein legte Vogt als Mädchen den Grundstein für ihre Karriere, weil der Club eine kleine Sprungschanze besitzt. Bald soll dort eine 75-Meter-Schanze entstehen, worüber sich Carina Vogt natürlich mächtig freut, weil sie dann künftig auch in ihrer Heimat richtig üben kann.

Denn enormen Druck der vergangenen Jahre, den ist Carina Vogt aber erst mal los, da sie mit 22 Jahren „ein riesengroßes Ziel“ schon erreicht hat. Nun gilt es, das Frauenskispringen weiterhin populär zu machen – mit ähnlich spannenden Wettkämpfen wie dem in Sotschi, der die erste Skisprung- Olympiasiegerin hervorgebracht hat. Denn auch das weiß die nette Brünette von der Ostalb: „Es kann noch ein paar Jahre dauern, bis wir uns neben dem Männern richtig etabliert haben.“