Die deutschen Skispringer um Severin Freund sind derzeit in der Erfolgsspur. Martin Schmitt dagegen springt hinterher – und denkt inzwischen ans Aufhören.

Stuttgart - Wenn Severin Freund derzeit über Skispringen redet, huscht ihm immer wieder ein Grinsen übers Gesicht. Und in leichter Variation sagt er dann Sätze wie: „Ich genieße es.“ Oder: „Es macht gerade richtig Spaß.“ Auch am vergangenen Wochenende im russischen Sotschi war das so. Freund flog auf die Plätze zwei und fünf. Und weil er in dieser Saison schon zweimal gewonnen hat, trägt er auch am Samstag in Engelberg (Schweiz) das Gelbe Trikot des Weltcup-Spitzenreiters. Nach vielen dürren Jahren gibt es also wieder einen Deutschen, der ernsthafte Chancen auf große Erfolge hat. Wem das nicht außergewöhnlich genug ist, es geht noch besser: Freund wirbelt ja nicht allein die Weltspitze durcheinander. Er ist der Anführer einer bärenstarken Mannschaft.

 

Richard Freitag kommt immer besser in Form und liegt in der Gesamtwertung schon auf Rang sieben. Der 17-jährige Andreas Wellinger überrascht mit konstant grandiosen Sprüngen und steht sogar einen Platz vor Freitag. Zudem überzeugt der 19-jährige Karl Geiger. Und Andreas Wank sowie Michael Neumayer sind derzeit auch stets für eine Platzierung unter den besten zehn gut. „So muss es sein“, sagt Freund. „Es ist viel mehr Ruhe drin, wenn sich die Verantwortung so verteilt.“

Freund löst einen Ticketansturm aus

Rosarote Aussichten für die Deutschen

Diese plötzlichen rosaroten deutschen Aussichten haben hierzulande offensichtlich wieder eine neue Begeisterung für das Skispringen entfacht. Von einem „Ticketansturm“ jubeln die Organisatoren der Vierschanzentournee. „So einen Hype gab es seit der Erfolgsära von Sven Hannawald und Martin Schmitt nicht mehr“, sagt der Geschäftsführer Stefan Huber.

Doch eben jener Martin Schmitt, der um die Jahrtausendwende den Boom ausgelöst hat, spricht derzeit ganz anders über Skispringen als sein Nachfolger Freund. In leichter Variation sagt er stets Sätze wie: „Ich tue doch keinem weh.“ Oder: „Ich will die Dinge für mich lösen.“ Schmitt ist vom deutschen Aufschwung ganz weit weg – sportlich und geografisch. Der 34-Jährige startete am vergangenen Wochenende mehr als 4000 Kilometer östlich von Sotschi in die Saison: in Almaty (Kasachstan), im zweitklassigen COC-Cup. Auch dort enttäuschte er. Schmitt wurde 26. und 31.

Schmitt befindet sich in einer schwierigen Phase

Obwohl der viermalige Weltmeister und Olympiasieger schon einige harte Zeiten durchgemacht hat, derzeit befindet er sich in der schwierigsten Phase seiner langen Karriere. An den ersten beiden Springen der Vierschanzentournee wird er zwar sicher teilnehmen können, da der Bundestrainer Werner Schuster zusätzlich eine nationale Gruppe nominieren darf. So gut wie sich das deutsche Weltcupteam aber präsentiert, erscheint es äußerst zweifelhaft, dass Schmitt danach noch dabei ist.

Schmitt redet öfter über Rücktritt

Fragen nach dem Ende seiner Laufbahn lässt er deshalb nicht mehr so prompt abprallen wie früher. Der zweimalige Weltcup-Gesamtsieger hat eine Trainerausbildung an der Sporthochschule in Köln begonnen. Und kürzlich sagte er, wenn er die Tournee nicht beenden könne, würde er darüber nachdenken, sofort aufzuhören.

Die Regeländerungen bereiten Probleme

Schmitt betont: „Die Situation ist gerade so komfortabel in Deutschland, man ist nicht auf meine Leistung angewiesen und muss nicht auf mich warten.“ Wenn er sich noch mal behaupten könnte, „wäre es schön – wenn nicht, dann nicht“. Schmitt will es allerdings um jeden Preis versuchen, auch wenn er mit den neuen engeren Anzügen sehr zu kämpfen hat. Durch diese Regeländerung ist die Übergangsphase, in der die Athleten nach dem Absprung ins Fliegen kommen, noch sensibler geworden. Besonders damit hat Schmitt Probleme: „Ich musste beim Umstellen weiter ausholen.“

Schuster lobt zwar Schmitts Willen, große Hoffnungen, dauerhaft in die A-Mannschaft zurückzukehren, macht er ihm jedoch nicht: „Martin ist ein Fuchs. Wenn er es schafft, ist er willkommen. Aber wir stellen nach Leistung auf.“ Ganz anders redet der Österreicher über Freund. Wie er sich nach einer Rückenoperation aufgrund eines Bandscheibenvorfalls im Sommer zurückgearbeitet habe, sei beeindruckend gewesen. „Er war ja schon sehr ausgereift in seiner Denk- und Handlungsweise“, sagt Schuster. „Aber jetzt hat er endgültig die Spur aufgenommen.“ Mit den neuen Anzügen kam Freund nach seiner Pause schnell gut zurecht. „Von da an ging es bergauf mit dem Selbstvertrauen“, betont der 24-Jährige. „Skispringen ist ja viel Kopfsache.“

Auch in diesem Punkt sind Freund und Schmitt extrem weit voneinander entfernt.