Der mehrfache Weltmeister und Team-Olympiasieger arbeitet derzeit als TV-Experte und kümmert sich um den Skisprung-Nachwuchs. Bundestrainer will der 41-Jährige nicht werden – zumindest noch nicht.

Oberstdorf - Die TV-Macher haben in diesem Winter ein neues Lieblingsmotiv: Nach Wettkämpfen bitten sie, gerne an exponierter Stelle, die Cheftrainer der wichtigsten Skisprung-Nationen zur gemeinsamen Analyse. Gesprochen wird dann mit alpenländischem Akzent. Stefan Horngacher (Deutschland), Alexander Stöckl (Norwegen) und Andreas Felder, der das rot-weiß-rote Team betreut, sind allesamt Österreicher. Und diese Runde ließe sich problemlos erweitern – etwa um Richard Schallert (Privatcoach des japanischen Topstars Ryoyu Kobayashi), Werner Schuster (bis März 2019 elf Jahre lang Bundestrainer) oder Alexander Pointner (Macher der Superadler-Ära mit Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer).

 

Was nur zeigt: Viele der erfolgreichsten Trainer der vergangenen 15 Jahre kommen aus Österreich. Ob dies so bleiben wird? Weiß niemand. Sicher ist nur: In Deutschland gibt es einen Mann, dem eine große Zukunft als Coach zugetraut wird.

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Schmitt war Lehrgangsbester

Als Bundestrainer Werner Schuster, der Severin Freund, Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler zu Medaillensammlern formte, seinen bevorstehenden Absprung öffentlich gemacht hatte, kursierten im Februar 2019 nicht allzu viele Namen von möglichen Nachfolgern. Einer war Martin Schmitt. Überraschend kam dies nicht, schließlich weiß der frühere Weltklasse-Athlet, wie Skispringen funktioniert. In der Praxis, aber auch in der Theorie: Der Schwarzwälder, der bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften 13 Medaillen holte, hat die Ausbildung zum Diplomtrainer als Lehrgangsbester abgeschlossen. Der Fachmann erklärte dann relativ schnell, nicht Bundestrainer werden zu wollen. Oder hätte er besser sagen sollen: noch nicht?

Mittlerweile ist Stefan Horngacher (50), zuletzt Coach der Polen um Superstar Kamil Stoch, der Chef der DSV-Springer. Allerdings hat im Sommer auch Martin Schmitt (41) den Weg zum Deutschen Ski-Verband gefunden. Als Talentscout fördert er die Athleten des C- und D-Kaders. „Ich versuche, die Jungs gemeinsam mit ihren Trainern zu unterstützen“, sagt Schmitt, dem es großen Spaß macht, sein Wissen und seine Erfahrung an die zwischen 13 und 18 Jahre alten Nachwuchsathleten weiterzugeben. Was zugleich eine Investition in seine persönliche Zukunft sein könnte – denn die Talente von heute sollen ja die Überflieger von morgen sein. Dann unter einem Bundestrainer Martin Schmitt? „Ich will das nicht ausschließen“, sagt der Mann, der gemeinsam mit Sven Hannawald jahrelang das Gesicht des deutschen Skispringens war, „aber eigentlich steht es kurz- oder mittelfristig nicht auf meiner Agenda.“ Schließlich fühlt sich der Familienvater aktuell ganz gut ausgelastet – und mittendrin in der Skisprungszene ist er auch, ohne mit einem Fähnchen in der Hand auf dem Sprungturm zu stehen.

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Kompetenter TV-Experte

Denn Schmitt kümmert sich nicht nur um die Talente, sondern bildet zusammen mit seinem früheren Teamkollegen das zweifelsohne kompetenteste TV-Duo an den Schanzen dieser Welt. Hannawald kommentiert für Eurosport die Springen, Schmitt moderiert, interviewt Athleten und analysiert deren Leistungen. Sein Vertrag mit dem Sender läuft noch bis zu den Olympischen Spielen 2022 in Peking. „Momentan bin ich sehr happy mit meinen Aufgaben, das will ich auch die nächsten drei Jahre noch tun“, sagt er, „und ich werde auch danach nicht sofort andere Ambitionen haben.“

Das hört sich nicht nach einem baldigen Einstieg in den Trainerjob an. Aber auch nicht nach einem Dementi für immer. Weshalb sich der DSV in einer ganz komfortablen Situation befindet: Aktuell hat der deutsche Verband in Stefan Horngacher einen ausgewiesenen Experten als Chef. Dazu in Martin Schmitt einen charismatischen Fachmann in der Hinterhand, der früher oder später zeigen könnte, dass sich auch außerhalb Österreichs gute Skisprungtrainer finden lassen. Und der als Coach sicherlich das Ziel hätte, zu schaffen, was ihm als Athlet versagt geblieben ist: einen Sieg bei der Vierschanzentournee.

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