Der Deutsche Markus Eisenbichler ist in der Form seines Lebens und deshalb auch bei der Skiflug-WM in Planica der Favorit.

Sport: Dominik Ignée (doi)

STUTTGART - Die Slowenen sind ausgezeichnete Gastgeber. So präsentiert sich Markus Eisenbichler bei einer Schaltkonferenz aus einem Hotelzimmer in Planica vor einer wunderbaren Fototapete. Darauf ist Eisenbichler höchstpersönlich zu sehen, und zwar in Aktion. Er steht da in der Flugphase bei blauem Himmel wie ein Brett in der Luft. „Ich weiß gar nicht mehr, von wann das Foto war, und ich glaube, soweit war der Flug gar nicht“, sagt der Skispringer, „aber das Bild zeigt sehr schön, was wir beim Fliegen so erleben.“

 

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An diesem Donnerstag startet in Planica die Skiflug-Weltmeisterschaft, und den Mann von der Fototapete, den muss man im Hinblick auf den WM-Titel auf dem Zettel haben. Warum? Weil Markus Eisenbichler sich nach seinem famosen Auftritt bei der Tournee 2018/2019 in diesem Winter zum zweiten Mal in der Form seines Lebens befindet. Abermals ist er aufgestiegen – vom Sorgenkind zum Leistungsträger.

Ein Ass im Ärmel

Im vorletzten Einzelspringen ließen den Deutschen zwar Turbulenzen in der Luft viel zu früh herunterfallen auf den enttäuschenden 28. Platz. Ansonsten wurde er in der noch jungen Saison bereits zweimal Erster, einmal Zweiter, einmal Vierter und mit der Mannschaft noch einmal Zweiter. Außerdem gewann der Bayer in Planica im März 2019 seinen ersten Einzelweltcup – auch das spricht für ihn bei der aktuellen WM. „Markus ist auf dieser Schanze immer gut gesprungen, deshalb gehe ich davon aus, dass es wieder so sein wird“, sagt der Bundestrainer Stefan Horngacher über seinen besten Mann. Horngacher ist hinsichtlich seiner Prognosen eher als zurückhaltend bekannt. Doch Eisenbichler darf man in diesem Winter als Ass im Ärmel bezeichnen, da kann man auch etwas euphorisch sein

Das deutsche Team ist ohnehin wie eine echte Wundertüte, die immer mal wieder einen anderen Topspringer hervorzaubert. Dazu gehörten schon Severin Freund, Richard Freitag, Andreas Wellinger, auch Karl Geiger – und zurzeit ist es wieder Eisenbichler. „Ich freue mich extrem auf die WM, weil die Schanze einfach geil ist“, sagt der gebürtige Siegsdorfer in seiner ihm eigenen rustikalen Art. Gute Erinnerungen habe er ohnehin an seinen Weltcupsieg 2019. Und wenn er die Form auch bei der WM beibehält, er spürt es selbst, dann führt der Sieg womöglich nur über ihn.

Stark in der Luft

Was macht Eisenbichler so gut? Seine auffälligste Stärke ist die Flugphase, das zeigt nicht nur die Fototapete im Hotelzimmer, dass wissen sie alle. „Er hat ein super Fluggefühl, davon kann ich mir was abschauen“, sagt der Teamkollege Pius Paschke und zollt seinem Kameraden Respekt. In der Luft, da sind sie sich einig, da ist der „Eisi“ eine Klasse für sich. Die sehr effektive Fluglage kommt ihm vor allem bei Skiflugschanzen zugute, das steigert auch seine Chancen bei dieser Weltmeisterschaft. Außerdem ist Eisenbichler mit 248 Metern, die er am 5. März 2017 in Planica aufstellte, deutscher Rekordhalter im Skifliegen. Kein DSV-Adler flog bisher weiter.

Markus Eisenbichler ist ein Spätzünder. Vor seinem starken Tournee-Auftritt 2018/2019 war er ein eher unauffälliger Top-Ten-Springer, dem der letzte Kick fehlte. Ein krummer Sprung im Training – und das Wochenende war gelaufen. Weil er sich zu sehr ärgerte, haderte, wütend war. So stand er sich oft selbst im Weg. Teil seines Erfolgsrezeptes ist nun, dass er die Phasen des Jähzorns abgestellt hat, viel ruhiger und geduldiger geworden ist. Schon im Sommertraining dieses verrückten Corona-Jahres hatte sich der 29-Jährige sportlich von seinen Teamkollegen abgesetzt, war das viel zitierte Maß aller Dinge und eine Orientierungshilfe für die anderen. „Ich habe die Zeit gehabt, im Training darüber nachzudenken, was in der vergangenen Saison schiefgelaufen ist“, sagt Eisenbichler und klärt auf: „Ich hatte mich im letzten Winter zu sehr unter Druck gesetzt und wollte zu perfektionistisch sein.“

Corona hilft sogar

Weniger ist manchmal mehr – das weiß jetzt auch Markus Eisenbichler. So seltsam es klingt: Die Corona-Krise habe ihm da „ein bisschen in die Karten gespielt“, sagt er. Alles ging viel entspannter zu. Er hatte tatsächlich viel Zeit zum Nachdenken. Die Situation mit den Trainingseinheiten im Homeoffice hat ihn „heruntergeholt“ – und damit stärker gemacht.

Im deutschen Team gehen sie sogar soweit, dass es der Konzentration des Frontmanns guttut, wenn keine Zuschauer im Skiflug-Stadion von Planica sind. „Die Situation ist, wie sie ist“, sagt Markus Eisenbichler, „ich habe im Sommer ohne Zuschauer trainiert, jetzt mach ich halt so weiter und ziehe meinen Stiefel durch.“

Was das für die Konkurrenz bedeutet? Man wird es sehen. Als Drohung zu verstehen ist es allemal.