Der Österreicher Gregor Schlierenzauer gewinnt das Heimspiel in Innsbruck und übernimmt die Führung in der Gesamtwertung. Doch auch die deutschen Springer hatten keinen Grund zur Klage.
Innsbruck - Sogar etwas staatstragend ist Gregor Schlierenzauer nach dem Wettkampf aufgetreten. „Ich möchte mich bei allen Österreichern bedanken“, sagte der 22-Jährige. „Vorher hat schon ein gewisser Druck auf mir gelastet. Aber hier waren alle auf meiner Seite.“ Seine Landsleute hatten ihn wirklich mit vollem Einsatz unterstützt. Trotz Nieselregen und Nebel am Bergisel waren 22 500 Fans an die Schanze oberhalb von Innsbruck geströmt. Hinauf zum Schanzenturm konnten sie gar nicht sehen, die Skispringer flogen durch einen Wolkenvorhang. Doch sobald auf der Videoleinwand zu erkennen war, wie sich Schlierenzauer auf den Balken setzte, ertönte ein ohrenbetäubender Lärm. Die Fans schrien, machten Krach mit ihren Tröten, zündeten bengalische Feuer – und setzten bei ihm damit zusätzliche Kräfte frei: „Das hat mich beflügelt.“
Im ersten Durchgang zeigte der Tiroler einen wahren Zaubersprung auf 131,5 Meter. Bereits damit war er ganz nah an seinen größten Rivalen, Anders Jacobsen, herangerückt. Mit einem weiteren starken Sprung im zweiten Durchgang auf 123 Meter flog er dann an seiner Heimschanze zum umjubelten Sieg beim dritten Springen dieser 61. Vierschanzentournee. Zweiter wurde der Pole Kamil Stoch (124,5/123 Meter), auf Platz drei landete der Norweger Anders Bardal (125/120).
Jacobsen schwächelt
Weil sein Landsmann Jacobsen („Ich war angespannt“) zuvor erneut geschwächelt hatte und nur auf Rang sieben kam (127/117,5), übernahm Schlierenzauer von ihm nun auch die Gesamtführung der Tournee. Seinen Triumph kostete er in vollen Zügen aus. Er stemmte seine Ski immer wieder in die Höhe, küsste sie und drehte im Auslauf eine Ehrenrunde nach der anderen. „Das gibt jetzt einen Megashowdown in Bischofshofen“, sagte Schlierenzauer. Beim letzten Skispringen der Tournee morgen (16.30 Uhr/ZDF) hat er nun die besten Chancen, seinen Titel vom Vorjahr zu verteidigen.
Auch die Deutschen blicken zuversichtlich auf den nächsten Wettbewerb, für den bereits am Samstag (16.15 Uhr/ZDF) die Qualifikation ansteht. Denn Severin Freund gelang in Innsbruck eine starke Leistung. Mit Sprüngen auf 125 und 120,5 Meter flog der 24-Jährige auf den vierten Platz – nur einen Punkt hinter dem Dritten Bardal. Dabei war Freund bei der Qualifikation tags zuvor mit der Schanze gar nicht zurechtgekommen. „Ich war dann mit dem einen Trainingssprung vor dem Wettkampf aber wieder in der Spur“, sagte er. „Mit dem vierten Platz bin ich sehr, sehr zufrieden.“ In der Gesamtwertung verbesserte sich Freund damit ebenfalls auf Rang vier und darf weiter auf einen Podiumsplatz hoffen. Sein Rückstand auf den Dritten Tom Hilde beträgt nur 1,2 Punkte.
Vor Severin Freund den Hut ziehen
„Severin hat sich zur rechten Zeit zurückgemeldet“, sagte der Bundestrainer Werner Schuster. Seinen Fehler bei der Anfahrt auf den Schanzentisch, mit dem er sich während der Qualifikation herumgeplagt hatte, konnte Freund abstellen. „Er hat konstruktiv weitergearbeitet und gezeigt: Er ist ein Klassemann“, betonte Schuster. „Davor kann ich nur den Hut ziehen.“ Auch die Leistungen der anderen Deutschen lobte der Bundestrainer. Richard Freitag wurde Elfter, Martin Schmitt Zwölfter, Michael Neumayer kam auf Platz 13 und Andreas Wellinger auf Rang 21. Einzig Andreas Wank schied im ersten Durchgang aus.
„Die Formkurve zeigt nach oben, das lässt mich optimistisch in die Zukunft schauen“, sagte Freitag. Schmitt war ebenfalls zufrieden. Bei seinem zweiten Sprung habe er sogar einige Meter verschenkt, schilderte der 34-Jährige. Zuvor hatte er gezeigt, „dass ich doch nicht so lange raus bin aus dem Weltcup“. Aufgrund des Nebels rings um den Schanzenturm hatte Schuster als Startsignal nicht nur mit seiner Fahne gewinkt, sondern auch gepfiffen. „Ich habe ihn nicht gesehen“, sagte Schmitt. „Aber ich habe den Pfiff gehört und dachte: den kenn ich doch.“
Durchwachsenes Ergebnis von Garmisch-Partenkirchen
Dass die Kommunikation im Team stimmt, folgerte Schuster auch aus weiteren Punkten. Das durchwachsene Ergebnis von Garmisch-Partenkirchen hätten seine Athleten gut aufgenommen, betonte der Österreicher. „Heute vier Springer unter den besten 13 zu haben ist ein Nachweis dafür, dass die Abläufe passen.“
Solch ein geschlossenes Teamergebnis konnten die Österreicher nicht erreichen. Die anderen Stars Thomas Morgenstern und Andreas Kofler enttäuschten als 24. und 18. erneut. Doch ihre Leistungen wurden sowieso von Schlierenzauer überstrahlt. „Das war ein irrsinniger Adrenalinkick“, sagte er über den 44. Weltcuperfolg seiner Karriere. „Mir ist alles gelungen.“