Der Wohnungsmarkt spielt verrückt – das führt zu schrägen Preisen und Wohnungsanzeigen. Mieter müssen sündhaft teuer Möbel übernehmen, in Japan anrufen oder vielleicht sogar ihre Seele verkaufen.

Stuttgart - Der Wohnungsmarkt spielt verrückt: Irre Mieten, Hunderte von Interessenten beim Besuchstermin, Bruchbuden zu Mondpreisen. So mancher greift zu schrägen Texten, um sich im Hauen und Stechen um den letzten Quadratmeter Wohnung einen Zentimeter Vorsprung im Fotofinish zu sichern. Oder Vermieter schrauben die Anforderungen irrsinnig hoch, um möglichst viele auszuschließen. In der Studentenplattform Jodel ist eine besonders schräge Wohnungsanzeige aus München zum Klickhit geworden: Von künftigen Mietern wird dort unter anderem eine Schufa-Auskunft, eine Bestätigung des Vormieters über pünktliche Mietzahlung, eine unbefristete Festanstellung, die letzten drei Gehaltsnachweise und 3000 Euro Mindesteinkommen verlangt.

 

Eine genervte Studentin hat noch ironisch als Bildmontage hinzu gefügt, was man noch mitbringen müsste: Einhornblut, zwei Liter Lava und die Seele des ersten Sohnes – der Post erreicht damit auf Facebook fast 19000 Likes.

Aber auch in Stuttgart hat der Wahnsinn System. So werden auf der Website Wohngemeinschaften.de für ein 16-Quadratmeter-WG Zimmer nicht nur 400 Euro Warmmiete verlangt – der künftige Mitbewohner muss zudem das gesamte Mobiliar für 1000 Euro übernehmen. Sonst braucht er sich gar nicht vorzustellen. Auf Immobilien Scout24 wird für eine 70-Quadratmeterwohnung zwar keine Maklergebühr, dafür aber schon bei Einzug eine Endreinigungsgebühr von 250 Euro verlangt.

Wer die Möbel nicht nimmt, zahlt Aufpreis

Interessant auch, welche Kontaktmöglichkeiten manche Vermieter vorschlagen. Für eine Altbauwohnung in Stuttgart-Mitte (vier Zimmer, 1880 Euro) kann der Eigentümer lediglich per Whatsapp kontaktiert werden – oder telefonisch auf einer Nummer mit Ländervorwahl 81 – also in Japan. Da wird das Telefonat mit dem künftigen Vermieter schon so teuer wie die erste Kaltmiete.

Auch eine Variante: Die Wohnung (1000 Euro, 55 Quadratmeter) ist möbliert. Wer sie haben möchte und die Möbel nicht übernimmt, zahlt einfach mehr. Teuer wird es in jedem Fall.

In Ludwigsburg hatte ein Makler kürzlich eine Anzeige für das „Ludwigsburg Horror Picture House“ geschaltet: Schimmel im Keller, Garten unbenutzbar, eine Ruine – und trotzdem zahlreiche Anfragen bekommen und mehrere 100 000 Euro für die Bruchbude bekommen. Egal wie schmuddelig und unbewohnbar das Haus auch war – allein der Grundstückswert führt zu einem irrsinnigen Ansturm an potenziellen Käufern. Überhaupt ist das Problem nicht auf Stuttgart beschränkt – auch im Umland wächst die Verzweiflung zusammen mit den Preisen.

Umzug in Mini-Wohnung für 10 000 Euro?

Daher ist das Thema bei den meisten Netzreaktionen klar: Am verrücktesten sind jedenfalls die Preise in Stuttgart und Umgebung. So wird in der Facebook-Gruppe eine 68-Quadratmeterwohnung derzeit für 1080 Euro Kaltmiete inseriert. Dazu kommen 4400 Euro für einen einfachen Küchenblock und Einbauschrank als „Ablöse“. Ein Facebook-Nutzer schreibt: „Zusammen mit den drei Kaltmieten musste ja kurz eben mal 10 000 Euro beiseite legen für den Einzug in eine kleine Wohnung.“ Ein anderer Kommentator nimmt’s mit Humor: „Wenigstens ist die schlechte Stuttgarter Luft im Kaufpreis mit enthalten.“

Die Preise führen auf Twitter immer wieder zu digitalem Kopfschütteln und auch zu wütenden Tweets. „Vorsichtig ausgedrückt ist die Situation katastrophal“, schreibt etwa der Twitter-Nutzer Roland Aßmann. Ein anderer meint: „Versuch mal, mit 60K Euro eine Wohnung zu finanzieren, vergiss es.“ Man kann schon froh sein, wenn man nicht abgezockt wird, wie der Nutzer Heesters berichtet: Oft wird man als Interessent zum Besichtigungstermin gebeten und schon mal die „Kaution“ eingesammelt – und weg sind die Betrüger, über alle Berge.

Eine Familie hat in der Facebook-Gruppe „Schwarzes Brett Stuttgart“ für Furore gesorgt, weil sie 500 Euro „Belohnung“ ausgesetzt haben. „Hallo ihr Lieben, ich suche eine Wohnung in Ludwigsburg oder Heilbronn für mich und meine zwei Kinder“, schreibt sie, mit sympathischen Foto. Neben zwei Geldsäcken steht dann: „500 Euro Belohnung (zwei weitere Geldsäcke) auf eine erfolgreiche Vermittlung.“ Seit 15. Januar läuft die „Ausschreibung“, doch es hat bislang nicht funktioniert – mittlerweile hat die Nutzerin ihren Post aktualisiert: „Ich suche weiter.“

Doch nicht nur zur Zeit ist die Wohnungssuche in Stuttgart in Irrsinn. So mancher Twitter-Nutzer weiß auch Geschichten zu erzählen, die gefühlt vor dem Krieg stattgefunden haben: „So hat man 1980 dem Makler einfach fünf Mark in die Hand gedrückt, um die Adresse für einen Besichtigungstermin zu bekommen.“

Tatsächlich ist die Lage wie gefühlt, wie Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Mieterbundes in Stuttgart erklärt: „Es gibt zum Teil 1100 Bewerbungen auf eine Wohnung. Das führt übrigens auch dazu, dass in Wohnungsanzeigen immer öfter Fotos der Bewerber gepostet werden. Die Leute verkaufen sich über ihre Bilder“, sagt Gaßmann. Letztlich aber ließen sich die Leute nahezu alles gefallen, so seine Erfahrung: „Man wehrt sich nicht aus Alternativlosigkeit.“ Nach Erfahrungen des Mieterbundes ziehen die Menschen aus gut zehn Prozent der Haushalte gar nicht mehr um – weil sonst die Wohnung zu teuer wird.

Und so bleibt am Ende nur noch Galgenhumor, wie es der Twitter-Nutzer Tweetdemagoge mit diesem lustigen Foto zelebriert. Wohnen in Stuttgart – geht am besten im Zelt, dann ist das Wort „Kaltmiete“ auch endlich richtig genutzt.

Anders ist der Wohnungsmarkt in Stuttgart und dem Umland wohl auch kaum mehr zu ertragen. Wer aber noch schrägere Wohnungsangebote anschauen möchte, der sollte die Seite „Terrible Real Estate Agent Photos“ anschauen. Da findet man die abgefahrensten Wohnungsanzeigen weltweit. Etwa völlig vermüllte Wohnungen. Oder der Garten, in dem der Regisseur Francis Ford Coppola „Apocalypse Now“ gedreht haben muss.

Aber Vorsicht beim Betrachten dieser Bilder: Da ist das „Ludwigsburg Horror Picture House“ noch ein harmloses Kaffeekränzchen dagegen.