Mit verschluckten Löffelstielen in die ersehnte Freiheit und mit einer Batterie im Magen zum Rallysieg: Ein Arzt hat seinen Patienten schon so manchen ungewöhnlichen Gegenstand aus dem Leib gezogen.

Bielefeld/Bonn - Mit Schwertschluckern hatte er es noch nicht zu tun. Aber dennoch kommt man aus dem Staunen nicht heraus, wenn man sieht, was der Bielefelder Mediziner Siegfried Ernst Miederer schon alles in den Mägen seiner Patienten entdeckt hat: von Fünfmarkstücken über Rasierklingen bis hin zu Löffel-Teilen.

 

„Die vielen Löffelstiele hat ein Mann verschluckt. Er war Insasse einer Justizvollzugsanstalt bei Bonn und erhoffte sich dadurch Abwechslung vom Gefängnis-Alltag.“ Miederer zeigt auf eine ganze Reihe von Metall-Stielen. Den eigentlichen Löffel hatte der „arme Schlucker“, wie der 74-jährige Mediziner im Ruhestand ihn lächelnd nennt, abgebrochen, um den gut zehn Zentimeter langen Rest vom Besteck besser durch die Speiseröhre zu bekommen.

„Das brachte mindestens zwei Wochen Krankenhaus. Er kam aus dem Gefängnis heraus und konnte zudem die Pflege der Krankenschwestern genießen.“ Nachdem der Gefängnis-Insasse mehr als 20 Mal operiert worden war, bot Miederer an, die Gegenstände mit einem Endoskop durch die Speiseröhre zu entfernen - und bereitete mit dieser Aussicht den zweifelhaften Ausflügen in die Freiheit ein Ende. Die Löffelstiele hat Miederer behalten und gesammelt. Fast wirken sie wie eine Trophäensammlung, wenn er sie, aufgereiht neben Rollmopsspießen, Knöpfen und Schlüsseln, auf einem Tablett präsentiert.

Gegenstände ohne OP entfernen

Die Sammlung steht auch für ein Kapitel Medizingeschichte: Schon Mitte des 19. Jahrhunderts gab es die Idee, einem Patienten mit einer langen Röhre in den Magen zu schauen. Seither wurde kontinuierlich geforscht, bis schließlich 1958 das erste flexible Endoskop vorgestellt wurde. Es erlaubte bald darauf Miederer, verschluckte Gegenstände ohne Operation wieder zutage zu fördern. Später arbeitete Miederer an der Medizinischen Poliklinik der Universität Bonn mit an der Entwicklung des ersten Desinfektionsgerätes für flexible Endoskope. Heute ist es ausgestellt in der Bonner Zweigstelle des Deutschen Museums - neben einer Reihe von „Magen-Funden“ aus der Sammlung von Miederer.

„Sie gehören zu unseren besonders stark beachteten Ausstellungsstücken. Immer wieder stehen Besucher davor und wundern sich, dass man ganze Löffel und sogar einen Zahnarztbohrer einfach verschlucken kann“, erklärt Museumsleiterin Andrea Niehaus. Den Sensationscharakter zwischen Ekel und Staunen nutzt das Museum, um dadurch die Aufmerksamkeit auf die Geschichte der Endoskopie zu lenken, die mit frühen Endoskopen aus den 1950er Jahren veranschaulicht wird.

Gemopste Batterien und eingesteckte Fünfmarkstücke

Zu jedem seiner kuriosen Fundstücke kann der langjährige Ex-Chefarzt einer Bielefelder Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie eine eigene Geschichte erzählen: etwa zu dem Fünfmarkstück, das ein Lehrersohn beim Raufen mit dem älteren Bruder aus Versehen verschluckt hatte - und das der Vater sofort in die eigne Hosentasche steckte, nachdem der Arzt es aus dem Magen hervorgeholt hatte.

„Ich musste ihm erst einen Fünfer aus meinem eigenen Portemonnaie geben, bevor er mir die Münze für meine Sammlung überließ“, schildert Miederer, der ein Buch mit den interessantesten Begebenheiten rund um die Fundstücke geschrieben hat. Darin berichtet er auch über die Batterie, die ein Junge im Grundschulalter bei einem Rennen mit Spielzeugautos verschluckt hat. Er hatte die Batterie aus dem Wagen seines sechsjährigen Konkurrenten heimlich im Mund versteckt, um seine Gewinnchancen zu verbessern - und sie nach einem freundschaftlichen Stupser vom Rennstall-Kollegen aus Versehen geschluckt.

Nicht immer gehen solche Zwischenfälle glimpflich aus. „Problematisch wird es, wenn sich runde Gegenstände auf den Kehlkopf legen. Dann besteht Erstickungsgefahr“, erläutert Miederer. Im Zweifelsfall sollte deshalb ein Arzt aufgesucht werden. So mancher kleine Gegenstand findet jedoch auch von ganz allein den Weg zurück ans Tageslicht und benötigt dabei keine Unterstützung - außer vielleicht eine ordentliche Portion Kartoffelbrei und einige Gläser Wasser.