Erst 17 und schon bei den Spielen: Lisa Zimmermann ist genau wie ihre Sportart Slopestyle ein Olympia-Neuling. Es ist eine dieser Fun-Sportarten, die die etwas verrückten jungen Leute betreiben. Warum? Weil sie Spaß haben wollen – und keinen Drill.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Sotschi - Lisa Zimmermann steht kurz bei der Einkleidung der Olympiaathleten in Erding da wie auf verlorenem Posten. Die Mütze ist tief ins Gesicht gezogen, man kann ihre sonst so großen und wachen Augen kaum erkennen. Sie fragt, ob sie in die Kamera gucken oder die Reporterin anschauen soll. Dann hagelt es Fragen von allen Seiten, und Lisa Zimmermann wird beim Antworten immer ein bisschen rot.

 

Lisa Zimmermann ist 17. Ihre Sportart heißt Slopestyle. Nicht nur die Athletin nimmt zum ersten Mal an einer Großveranstaltung teil, sondern auch die Disziplin steht in Sotschi erstmals im olympischen Programm. Es ist eine dieser Fun-Sportarten, die die etwas verrückten jungen Leute in ziemlich weiten Trendklamotten betreiben. Warum? Weil sie Spaß haben wollen – und keinen Drill.

Im Ski-Slopestyle muss Lisa Zimmermann mit ihren Ski (es gibt auch eine Snowboard-Variante) einen hügeligen Hindernis-Parcours bewältigen und dabei Kunststücke zeigen. Dazu gehören spektakuläre Mehrfachdrehungen über Kopf, oft ziemlich schief gelegen in der Luft. Sehr kompliziert zu beschreiben sei das, sagt die Sportlerin. Deshalb lautet ihr Tipp: „Schaut euch doch einfach mal im Internet ein Video an.“

Mit ihrer rasanten Entwicklung sorgt die junge Dame für Wirbel

Lisa Zimmermann ist eine besondere Athletin. Sie stand als erste Frau der Welt einen „Double 12“, eine doppelte Überkopfdrehung mit dreieinhalb Schrauben. Das Erstaunliche daran ist: genau vor einem Jahr nahm sie zum ersten Mal an einem Weltcup teil. Sie wurde auf Anhieb 18. und holte bei ihrem ersten Auftritt Weltcuppunkte. Später wurde sie Juniorenweltmeisterin, und am 19. Januar dieses Jahres ging es heiter weiter: da gewann sie ihren ersten Weltcup.

Die rasante Entwicklung der jungen Dame aus Oberaudorf hat Wirbel gemacht in der Slopestyle-Szene. Darüber hinaus nährt Lisa Zimmermann innerhalb des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), an den die Skiakrobaten inzwischen angeschlossen sind, die Hoffnung, dass sie in Sotschi eine Medaille holt. Genau genommen sprechen die Experten dabei nicht von Silber oder Bronze – es geht da schon eher um Gold.

Die hochgelobte Bayerin hält im Hinblick auf die Entscheidung am Dienstag den Ball lieber flach. „Ich will nicht behaupten, dass ich um Gold mitwirken kann“, sagt sie, es gelte nur, so zu fahren wie immer, dann werde sie schon sehen, wo sie lande. Sie befürchtet vor allem, dass die Amerikaner „ein paar starke Mädels“ nach Sotschi schicken, die jetzt noch keiner kennt, die aber richtig abräumen könnten. Doch dazu müssen sie erst einmal Lisa Zimmermann schlagen. Zu befürchten hat sie nicht viel. „Ich zeige technisch anspruchsvolle Tricks, deshalb bin ich zurzeit auch vorne dabei“, sagt die Bayerin und beschreibt ihren Vorteil.

Lisa Zimmermann orientiert sich an den Tricks der Männer

Lisa Zimmermann orientiert sich längst nur noch an den Männern – auch das hebt ihr Niveau. „Sie machen doppelt so schwierige Tricks wie die Frauen“, sagt die gebürtige Nürnbergerin, die für den WSV Oberaudorf startet und sich in der lockeren Slopestyle-Szene wohlfühlt. Die passt im Prinzip auch nicht recht zu einer so bierernsten Veranstaltung wie Olympischen Spielen, wo zwei Tage Trainingsrückstand schon eingestuft werden als mittelschwere Katastrophe.

Vor zwei Jahren hat ihr Bruder sie einfach mal mitgenommen zu seinen Slopestyle-Freunden. Da war sie sofort hin und weg von der entspannten Atmosphäre. Es ist auch keine Olympiamannschaft im strengen Sinn, die der DSV da nach Sotschi schickt, sondern eine überwiegend aus guten Kumpel bestehende Gemeinschaft, die es am Abend auch mal richtig krachen lässt.

Der Bundestrainer Thomas Hlawitschka ist auch keiner, der seinen Mädels und Jungs immer sagt, was sie machen müssen, und dazu die Peitsche schwingt. „Das wäre in unserem Sport auch nicht gut“, sagt Lisa Zimmermann und verweist darauf, dass ein gewisser Improvisationsspielraum beim Ausführen der Sprünge und Drehungen wichtig ist. Hlawitschka beschreibt seine im Vergleich zu den etablierten Disziplinen ungewöhnlich freie Rolle als Coach denn auch so: „Ich bin ein Kumpel, der besonders darauf achten muss, dass die Stimmung stimmt.“ Man könnte ihn auch als einen für die gute Laune zuständigen Vermittler und Motivator bezeichnen.

Vor zwei Jahren war sie noch Eiskunstläuferin

Genau das Richtige für Lisa Zimmermann – denn vom Drill im Sport hat sie mehr als genug. Vor zwei Jahren war sie noch Eiskunstläuferin. Ihre Mutter sei ganz begeistert gewesen von dieser Sportart – trotz Drill und den autoritären Trainern. „Sie war auch ein bisschen traurig, als ich aufgehört habe. Aber mittlerweile ist sie zufrieden mit meiner Entscheidung“, sagt Lisa Zimmermann, die als Slopestylerin zu Sponsoren kam, weil die Firmen ein paar Filme fanden, die sie von sich einfach mal so ins Internet gestellt hatte.

In Erding wird sie zum Abschluss dann noch gefragt, wie es denn mit der finanziellen Unterstützung durch den Verband aussehe. Doch schon stellt sich ein Pressesprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes vor die zierliche Frau und sagt: „Also Leute, bitte, sie ist erst 17!“ Dabei hatte sich Lisa Zimmermann, die am nächsten Dienstag bei ihrer Olympiapremiere in Sotschi zeigt, was sie kann, in einem ihrer ersten größeren Interviews doch erst so richtig warmgeredet – und auch damit aufgehört, rot zu werden.