Smartphones und Laptops sind auch im Urlaub dauernervende Begleiter. Immer mehr Hotels bieten Offline-Urlaube an.

Das E-Mail-Postfach poppt auf, das Handy klingelt - im Alltag ist es kaum möglich, Computer und Smartphone auszuschalten. Selbst nach Feierabend verfolgt uns der Imperativ der ständigen Erreichbarkeit. Anfragen harren der Antwort, die Mail an den Chef muss noch abgeschickt werden. Manche Firmen bestehen nicht auf ständiger Erreichbarkeit. Bei der Daimler AG etwa können Mitarbeiter ihre Mails nach Feierabend und im Urlaub löschen lassen. Doch selbst wenn der Arbeitgeber E-Mails löscht, herrscht in den Ferien kaum Funkstille. Man checkt Nachrichten auf seinem Handy, schreibt SMS. Von der „emotionalen Erholung“, von der Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth sprach, ist man weit entfernt. Immer mehr Hotels und Urlaubsziele bieten gestressten Berufstätigen Offline-Urlaube an.

 

So wartet zum Beispiel das Camp Grounded in Navarro (Kalifornien) mit einem „technikfreien Wochenende“ auf. In diesem Sommercamp für Erwachsene gibt man das Smartphone an der Pforte ab, nimmt Yogastunden und besucht Meditationskurse. Die Nutzung elektronischer Geräte ist streng verboten. Es hat etwas von einem Hippie- und Indianerdorf. Mittdreißiger, die bei einem Start-up oder Internetkonzern im Silicon Valley arbeiten, erholen sich hier. Nachrichten nach Hause tippt man ganz Old School auf der Schreibmaschine. Das „Time Magazine“, „Forbes“ und die „New York Times“ berichteten über das kuriose Offline-Paradies. Digital Detox, digitale Entgiftung, heißt der neue Reisetrend, dessen Motto lautet: „disconnect to reconnect“ - abschalten, um sich wieder zu verbinden.

Auch in der Schweiz gibt es Angebote für Offline-Urlaub

Das Angebot wächst stetig. Auf Forbes Travel gibt es eine ganze Liste solcher Offline-Unterkünfte. Das Hotel West in Dublin bietet gestressten Gästen ein sogenanntes Digital Detox-Package an. Wer seine elektronischen Geräte an der Rezeption abgibt, erhält für die Zeit der Abstinenz ein Ablenkungspaket, in dem ein Brettspiel, eine gedruckte Zeitung sowie eine Umgebungskarte enthalten sind. Analoge Utensilien, um die Stadt zu erkunden. Back to the roots - zurück zu den Wurzeln. Der Reisende soll vom Gift der Megabites entschlackt werden. Ein Hotel ohne Internet ist heute kein Makel, sondern ein Gütezeichen. Auch in der Schweiz gibt es Angebote für Offline-Urlaub. Im Jugendstil-Hotel Paxmontana in Flüeli-Ranft im Kanton Obwalden gibt es weder einen Fernseher noch ein Telefon auf dem Zimmer. Internetanschluss? Fehlanzeige. Auch der WLAN-Empfang ist geblockt. Stattdessen gibt es in jedem Zimmer ein Fernglas (der „Pax-Montana Fern-sehr“) und ein Tagebuch. Der Gast soll abschalten können.

„Wir haben schon seit zehn Jahren keine Fernseher und keine Radios auf den Zimmern“, sagt Thomas Thüri, der Vizedirektor des Hotels. „Als vor zehn Jahren der Druck von gewissen Gästen immer größer wurde, Fernseher in den Zimmern zu installieren, hat man nach einer langen Analyse entschieden, dass wir aus einer Schwäche eine Stärke machen wollen.“ Die meisten Gäste kommen wegen der analogen Vorzüge. „Einige Gäste, die es nicht wissen, sind am Anfang erstaunt, warum ein Hotel in dieser Preisklasse keinen Fernseher hat“, erzählt Thüri. „Bei der Abreise sagen dann aber viele, dass sie diesen gar nicht vermisst haben.“ Das Minus als Plus. Unter den Gästen seien viele Akademiker, auch einige aus der „spirituellen Ecke“, dazu Architektur- und Kulturinteressierte.

Gestresst und überfordert

Was erklärt diesen Trend? „Digital Detox Camps sind eine Folge der zunehmenden Vernetzung“, erklärt Bettina Höchli, Researcherin am GDI Gottlieb Duttweiler Institute. „Der Einzelne schafft es kaum, das übergeordnete Netzwerk zu verstehen. Er ist gestresst und überfordert durch Überinformation und Überinteraktion.“ Wem die ganze Komplexität zu viel wird, der sehne sich nach Einfachheit, Echtheit und Entschleunigung. Eigentlich könnte man ja auch zu Hause elektronische Geräte abschalten. Doch das ist schwierig. „Sich komplett der zunehmenden Konnektivität und Digitalisierung zu entziehen, ist nur noch mit massiven Einschränkungen im Alltag möglich“, konstatiert Konsumforscherin Höchli. Der Soziologe Günter Burkart sieht das ähnlich.

„Die jungen Menschen wachsen heute in einer Situation auf, in der intensive Bindungen zu anderen Menschen vor allem medial vermittelt sind. Wenn das selbstverständlich geworden ist, kann man sich davon schwer lösen. Vielleicht hilft dann so ein Rückzug in ein medial abgekoppeltes Hotel, zumindest für ein paar Tage.“ Soziologe Burkart ist aber skeptisch, ob solche Digital-Detox-Camps uns dauerhaft vom Zwang der ständigen Erreichbarkeit befreien. „Es nützt wenig, solche Oasen einzurichten, wenn es sich dabei nur um eine Ausnahme vom Arbeitsalltag handelt. Die Beschleunigung des Arbeitsalltags und die Intensivierung der Arbeitszeit, die mit neuen Medien gekommen sind, will im Kapitalismus niemand wirklich zurückdrehen.“ Die Rückzugsmöglichkeit in eine solche Oase hängt auch von den Privilegien ab, die jemand hat. Eine „Digital Detox“-Kur im Hotel West in Dublin kostet pro Nacht 175 Euro. Und im Camp Grounded in Kalifornien zahlen die Erholungsuchenden 570 Dollar für ein smartphonefreies Wochenende. Es klingt paradox, aber einen Offline-Urlaub muss man sich leisten können.