Die chinesische Regierung bekommt das Problem der Luftverschmutzung einfach nicht in den Griff. Trotz aller Versprechen auf Besserung legt sich wieder eine dichte Smog-Wolke über die Stadt.

Peking - Der Barmann poliert das Cognac-Glas schon zum dritten Mal. „Wenn die Luft dermaßen schlecht ist, dann kommt einfach keiner“, klagt er. „Kein Schwein will dann vor die Tür gehen.“ Tatsächlich herrscht in der Kneipe „Adams“ im Pekinger Stadtteil Sanlitun fast völlige Leere – nur ein Gast sitzt an der Bar, während vor dem Fenster die Leuchtreklamen auf der gegenüberliegenden Straßenseite nur mit Mühe durch die gelben Schwaden blinken.

 

Der Barbesucher blickt auf den Fernsehbildschirm über den Schnapsflaschen und sorgt sich: „Diese Dunstglocke über Peking ist eine Blamage für unseren Präsidenten“ – das Staats-TV wiederholt gerade die Versprechen Xi Jinpings nach den Auftaktgesprächen mit Barack Obama: Die Klimakonferenz in Paris soll zu einem großen Erfolg für den Kampf gegen Emissionen werden. Irgendwie passt das alles nicht zusammen, findet der einsame Trinker.

Der Autor Finn Mayer-Kuckuk berichtet aus Peking über die momentane Situation:

Der „Nebel des Grauens“, wie er vor Ort schon heißt, hat sich aus politischer Sicht zum einem denkbar schlechten Zeitpunkt über die Hauptstadt gesenkt. In Frankreich läuft die wichtigste Umweltkonferenz unserer Zeit an, und China gilt als einer der größten Hoffnungsträger. Zugleich ist in Peking jedem schon beim bloßen Blick aus dem Fenster klar, dass das Schwellenland immer noch zu den katastrophalsten Verschmutzern gehört – und die Lage nicht in den Griff bekommt. Auf einer Skala, die eigentlich nur bis 500 reicht, lag die Feinstaubbelastung hier stellenweise über 1000. Die Weltgesundheitsorganisation hält Werte unter zehn für harmlos und hat den Grenzwert für längere Belastung bei 30 festgesetzt.

Peking war am Montag und Dienstag mit dem stinkenden Nebel nicht allein. Der Smogteppich bedeckt in Nordchina eine Fläche, die größer ist als Frankreich. Es handelt sich dabei um ein konkretes Gesundheitsproblem: Im vergangenen Jahrzehnt ist die Lungenkrebsrate um 60 Prozent gestiegen, obwohl weniger Menschen rauchen. Kinder leiden viel häufiger an Atemwegserkrankungen. An Tagen wie am Mittwoch schnellt die Sterberate bei alten Menschen in die Höhe.

In den Straßen stinkt es nach Schwefel

Die Ursache für den Smog ist die gleiche wie diejenige für die für den Ausstoß von Treibhausgasen. Die wichtigste Energiequelle des Schwellenlandes ist die eigene Kohle. Gute 65 Prozent des Stroms kommen immer noch aus Kohle- und Ölkraftwerken. Die Häuser sind sogar überwiegend mit Kohle beheizt: oft über regionale Fernwärmeanlagen; häufig verbrennen die öligen, runden Briketts jedoch in schlichten Öfen aus rostigem Eisen. Daher ist es auch kein Wunder, dass der Smog sich gerade jetzt über Peking herabgesenkt hat. In den vergangenen Tagen ist es kalt geworden, die Leute heizen mehr.

Auf der Straße stinkt es nun angebrannt nach dem Schwefel, der zu einem hohen Anteil in der nordchinesischen Kohle enthalten ist. Gesundheitsbewusste Bürger stellen ihren Luftreiniger auf Maximum – so ein Gerät gehört hier zu jedem besseren Haushalt. Wer es nicht vermeiden kann, vor die Tür zu gehen, trägt eine Filtermaske. Trotzdem kratzt der Smog im Hals und löst Kopfschmerzen aus.

Die Kollision von Anspruch und Wirklichkeit in der Klimapolitik wird derweil zu einem brisanten Reizthema. Chinas Online-Zensoren schieben Überstunden, um das Internet von Meinungsäußerungen zu reinigen, die die „Airpokalypse“ mit verfehlter Regierungspolitik in Verbindung bringen. Der Propagandasender CCTV ging sogar so weit, anlässlich von Xis Auftritt in Paris einen Beitrag abzuspulen, der das „grüne Entwicklungswunder“ Chinas zur großen Umweltschutz-Nation herausstellte. Im Internet hagelte es daraufhin so schnell Spott, dass die Zensoren gar nicht hinterherkamen.

Die Behörden reagieren zögerlich auf den Smog

Tatsächlich wirkt die Reaktion der Stadt Peking derzeit etwas lahm. Die Polizei zögert, Fahrverbote durchzusetzen, und auch Fabrikschließungen kamen am Dienstag erst 24 Stunden nach Einsetzen des Rekord-Smogs. Als Grund gilt eine Militärparade Anfang September: für den Jubeltag hatte die Regierung gutes Wetter verordnet, unter anderem hergestellt durch Abschaltung von Produktionsanlagen. Doch irgendwann müssen die Maschinen auch laufen, sonst kommt die Wirtschaft zum Stillstand. Der Winter mit seiner ohnehin schlechten Luft gilt dafür als gute Zeit.

Präsident Xi verpasst übrigens das Smog-Spektakel: Er ist von Paris nach Simbabwe weitergereist. „Wenn der Klimagipfel in Peking stattfände, hätten wir jetzt auch reine Luft wie zur Militärparade“, spottet der Kneipenbesucher in Peking.