Zur Jahreswende gibt es auf diesem Planeten viele Bräuche. Manche muten etwas seltsam an aus deutscher Sicht, andere klingen eher vertraut. Wir reisen und feiern von Neuseeland aus einmal rund um den Erdball bis nach Hawaii. Prost Neujahr!

Leben: Susanne Hamann (sur)

Im Zentralpazifik beginnt das Jahr 2023 viele Stunden, bevor bei uns in Mitteleuropa gefeiert wird. Samoa lässt als Erstes die Korken knallen – um 11 Uhr deutscher Zeit. Grund ist eine verschobene Datumsgrenze. Bis vor 12 Jahren lag der Südseestaat östlich der Linie, Samoa war damit eines der letzten Länder, das Neujahr feierte. Durch den Wechsel am 29. Dezember 2011 sind die rund 200 000 Einwohner nun nur noch eine Stunde von Neuseeland entfernt, dem wichtigsten Handelspartner Samoas.

 

Neuseeland: Grillpartys am Strand

In Neuseeland hat Gisborne die Nase vorn: Die östlichste Stadt auf der Nordinsel von Neuseeland gehört zu den Silvester-Frühstartern. Um 12 Uhr mittags unserer Zeit ist es dort schon so weit: Happy New Year! Am Silvestertag unternehmen Neuseeländer gerne lange Spaziergänge. Den Abend verbringen die Kiwis am liebsten mit lässigen Grillpartys am Strand. Denn während wir Europäer in Eis und Schnee frieren, ist am anderen Ende der Welt Sommer.

Nach dem Barbecue gibt es süßklebrige Hokey-Pokey-Eiscreme oder Pavlova-Torte. Die nach der russischen Balletttänzerin benannte sahnige Kalorienbombe ist ein beliebtes Festtagsdessert. Übrigens begrüßen die Neuseeländer gleich mehrmals das neue Jahr: Zur Jahresmitte im Sommer feiern die Ureinwohner, die Maori, ihr eigenes Silvester namens Matariki. 2023 fällt es auf den 14. Juli. Das Fest ist nach einer Sternenkonstellation benannt, die Aussage über Aussaat und Ernte für das neue Jahr macht. Der Tag ist ein offizieller Feiertag in Neuseeland.

Japan: Gefährliche Klöße

In Japan ist der Jahreswechsel das wichtigste Fest des Jahres. Schon Wochen zuvor wird alles auf Hochglanz geputzt und festlich mit Kiefernzweigen, Bambus, gefaltetem Papier und Pflaumenblüten geschmückt. Diese Kadomatsu genannte traditionelle Dekoration soll Böses abhalten und Kraft und Stärke schenken. Den Silvesterabend Omisoka feiern die Japaner besinnlich. Punkt Mitternacht – 16 Uhr deutscher Zeit – schlagen die Glocken in den Tempeln, und zwar genau 108-mal, um die 108 Begierden des Menschen und 108 Übel des alten Jahres zu vertreiben. Viele spielen das Glücksorakel Omikuji – die japanische Version des Horoskops. Dazu werden Papierstreifen mit Wahrsagungen an den Tempeln befestigt.

An Neujahr besuchen sich Familien und Freunde und wünschen sich viel Glück. Denn Shin-nen heißt auf Japanisch nicht nur neues Jahr, sondern auch Neubeginn. Dann werden Mochi serviert. Die kleinen Klöße aus gekochtem, gestampftem und klebrigem Spezialreis symbolisieren ein langes Leben. Kurios: Die zähen Kugeln mit Kaugummi-Konsistenz sind nicht ungefährlich und bleiben manchem im Hals stecken. Alljährlich melden japanische Nachrichtenagenturen Todesfälle, die Zahlen schwanken zwischen fünf und 20.

Russland: Geschenke und Tannen

Da sich die russisch-orthodoxe Kirche nach dem Julianischen Kalender richtet, ist in Russland erst am 7. Januar der erste Weihnachtsfeiertag. Das neue Jahr begänne demnach eigentlich am 13. Januar, doch das ist den Russen egal. Sie feiern am 31. Dezember – und zwar kräftig. Der Tag ist offizieller Feiertag und wird als eine Art Weihnachts-Silvester-Mix zelebriert. Man schmückt den Tannenbaum, Jolka genannt, und Geschenke gibt es auch. Die bringt Väterchen Frost, der im roten Mantel und Bart dem Weihnachtsmann zum Verwechseln ähnlich sieht. Begleitet wird er von Enkelin Snegurotschka, dem Schneeflöckchen.

Zu Silvester laden die Russen Freunde und die Familie ein und verabschieden das alte Jahr bei einem Festmahl aus verschiedenen Salaten und mit viel Sekt und Wodka. Um Mitternacht gibt es eine Ansprache im Fernsehen, und das wegen der elf Zeitzonen gleich mehrmals. In Moskau ist Silvester um 22 Uhr deutscher Zeit. Danach trifft man sich auf öffentlichen Plätzen zum Feuerwerk. Es ist der Beginn einer Festphase, die noch bis zum orthodoxen Weihnachtsfest andauert.

Spanien: Weintrauben und langsame Uhren

Der Legende nach wollten Weinbauern aus Alicante anno 1909 ihre überschüssige Ernte loswerden. Sie erdachten den Brauch, an Silvester zu jedem Glockenschlag des Zwölf-Uhr-Läutens eine Traube zu verspeisen. Pro Frucht darf man sich dazu etwas wünschen. Ob’s stimmt? Die„Uvas de la Suerte“ (Trauben des Glücks) sind für die meisten Spanier jedenfalls unverzichtbare Tradition. Es gibt Tricks, damit sie besser rutschen: vorher enthäuten oder kleine kernlose wählen. Außerdem hat man an der Uhr gedreht. Denn maßgeblich für das ganze Land und für die TV-Übertragung ist die Turmuhr der Casa de Correos an der Puerta del Sol, einem Platz in der Mitte Madrids. In der Noche Vieja, der alten Nacht, schlägt sie langsamer als sonst.

Klar, dass die feurigen Südländer danach erst richtig loslegen. Auf der Straße, in Bars und Clubs wird bis zum Morgengrauen gefeiert. Auch danach geht’s weiter, denn die Weihnachtszeit dauert in Spanien bis zum 6. Januar, dem Tag der Heiligen Drei Könige. Schließlich brachten sie die Geschenke, nicht das Christkind.

Brasilien: Blumen im Meer

Silvester ist in Brasilien das zweitgrößte Fest, gleich nach dem Karneval. An Reveillon begrüßt man nicht nur das neue Jahr, sondern ehrt auch Yemanjá, die Göttin der Meere. Das größte Fest zu ihren Ehren findet in Rio de Janeiro an der Copacabana statt. Um der Wassergöttin der afrobrasilianischen Candomblé-Religion zu huldigen, strömen weiß gewandete Menschen in Scharen ans Meer. Mit Blumen in der Hand steigen sie ins Wasser. Rote Blüten stehen für die Liebe, weiße für Frieden, gelbe für Geld. Man legt die Blumen ins Wasser und wünscht sich etwas. Holt Yemanjá die Gabe zu sich, wird der Wunsch erfüllt. Spült eine Welle sie zurück an den Strand, bedeutet das: abgelehnt.

Danach wird an üppigen Büfetts mit gegrilltem Fisch und Fleisch, Reis, Obst und Salat geschlemmt. Um Mitternacht – 4 Uhr morgens am 1. Januar deutscher Zeit – gibt es natürlich ein Feuerwerk. Die Brasilianer sind schließlich Weltmeister der Pyrotechnik.

Hawaii: Football und Feuerwerk

Die Inselkette Hawaii im Pazifik gehört zu den letzten Gegenden auf der Welt, die das neue Jahr begrüßen. Wenn wir Mitteleuropäer um 11 Uhr morgens gerade leicht verkatert beim Neujahrsfrühstück sitzen, ist dort erst Mitternacht. Natürlich wird auch im 50. Bundesstaat der USA das neue Jahr typisch amerikanisch begrüßt: mit Feuerwerk und Partys. Die größten Spektakel findet man am Himmel über der Hauptstadt Honolulu sowie am Strand von Waikiki.

Am Neujahrstag lümmelt man wie überall in den Staaten vor dem Fernseher und schaut die Spiele des Super-Bowls im College Football. Doch Hawaii ist auch ein Schmelztiegel der Kulturen, hier vereinen sich westliche Bräuche mit asiatischen und polynesischen Riten. Abzulesen am Weihnacht-Silvester-Mischmasch: Einerseits schmückt man importierte Fichten und Kiefern und bewundert als Santa Claus verkleidete Surfer. Parallel dazu wird beim traditionellen Makahiki-Fest die Erde geehrt. „Gutes neues Jahr“ heißt auf Hawaiianisch übrigens „Hau’oli Makahiki Hou“.