An den Feiertagen geht es auch in einigen Flüchtlingsunterkünften besinnlich zu – Religion spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Wie geht es geflüchteten Familien während des Fests, was halten sie von unseren Traditionen?

Stuttgart - Vor der großen Katastrophe haben sie in Syrien alle gemeinsam Weihnachten gefeiert – Christen und Muslime. Sie haben sich gegenseitig besucht und sind bis spät in die Nacht aufgeblieben, erzählt Mohammad. Wie hier in Stuttgart waren die Straßen im christlichen Viertel Aleppos mit vielen Lichtern und bunten Bäumen geschmückt. „Und in der Schule haben alle Kinder Schokolade geschenkt bekommen“, sagt Mohammad, der selbst Muslim ist. Doch der Bürgerkrieg hat diese Traditionen beendet. Mohammads Heimatstadt Aleppo liegt in Trümmern.

 

An einem Abend kurz vor Weihnachten steht der 38-Jährige im Gemeinschaftsraum der Flüchtlingsunterkunft am Obertürkheimer Bahnhof. Es ist Weihnachtsfeier, der ganze Raum riecht nach Mandarinen und Kinderpunsch, dazu gibt es Lebkuchen und Dominosteine aus Marzipan. „Die Weihnachtsstimmung in Stuttgart gibt mir ein Gefühl von Sicherheit“, sagt Mohammad. Besonders für seine beiden Kinder sei ihm das wichtig. Auf dem Arm hat Mohammad seine sechs Monate alte Tochter Mia. 2015 hat er mit seiner Familie in Deutschland Asyl beantragt, es ist das dritte Weihnachtsfest, das sie hier in Deutschland erleben.

Viele Geflüchtete aus arabischen Ländern lernen hier Schnee kennen

Auf den Tischen in der Unterkunft liegen Buntstifte wild verstreut, daneben Ausmalbilder von Weihnachtskerzen und dem Nikolaus. Die Kinder der Bewohner haben aus Zuckerguss, Keksen und Dominosteinen kleine Türme aus Süßigkeiten gebaut. Davor haben sie transparentes Papier bemalt und anschließend kreisrund zusammengeklebt. Von der Obertürkheimer Pfarrerin Friederike Weltzien haben sie dazu kleine Teelichter aus Plastik bekommen, die sie in die Mitte stellen und die die Bemalung bunt leuchten lassen.

„Ich mag die Weihnachtszeit hier wirklich sehr“, sagt Jumana. „Besonders, wenn es schneit.“ Die Zwölfjährige stammt aus dem Irak und lebt seit zwei Jahren in Deutschland. „In den arabischen Ländern gibt es keinen Schnee“, erzählt sie. Den habe sie erst kennengelernt, nachdem sie hier angekommen war. Feste wie Weihnachten mit vielen Geschenken und Süßigkeiten gebe aber auch im Irak.

Wie verbringt Jumana die Weihnachtstage? Zunächst hat sie mit ihren Freundinnen ein kleines Geschenk für die Sozialarbeiter der Unterkunft vorbereitet – sie wollen für sie kochen und eine Tanzeinlage aufführen. „Weil es so lieb von ihnen ist, dass sie uns helfen.“ Außerdem ist ihre Familie noch nicht auf dem Weihnachtsmarkt gewesen, sagt Jumana. „Mein Vater hat gesagt, dass wir da vielleicht hingehen.“

Einige Bewohner fahren über die Festtage zu Verwandten

„Weihnachten in den Unterkünften ist speziell für die christlichen Familien natürlich schwierig, weil sie sehr beengt wohnen“, sagt Ordensbruder Matthias von den Salesianern Don Bosco aus Obertürkheim. Viele Familien würden sich deshalb zusammentun und in den Gemeinschaftsräumen feiern. „Einige Bewohner fahren auch weg über die Festtage und besuchen Verwandte und Bekannte in anderen Teilen Deutschlands“, sagt Michael Zondleder, der in der Obertürkheimer Unterkunft Sozialarbeiter ist.

Mohammad will an den Feiertagen mit seiner Frau und den zwei Kindern in die Stadt gehen. „Den Kindern gefallen die vielen Lichter, die Bäume und die Läden so gut“, sagt er. Außerdem will er Mia und ihrer Schwester zum Fest neue Kleider kaufen – das sei eine alte Tradition in Syrien.

Dann geht in dem Gemeinschaftsraum plötzlich das Licht aus. „Ich habe eine Überraschung“, ruft Pfarrerin Weltzien. „Es war einmal ein Mann, der lebte in der Türkei“, sagt sie – und erzählt die Geschichte der Heldentaten des Heiligen Nikolaus, der als Bischofs von Myra als Schutzpatron der Kinder gilt. Die Kleinen umringen die Pfarrerin und lauschen aufgeregt ihren Worten – und am Ende gibt es für sie kleine Schokoladennikoläuse.