147 Schulen dienen während des Kirchentags als Massenquartier. Hier schlafen vor allem junge Besucher. Eine Gruppe aus Niedersachsen ist hingegen bei einer katholischen Missionsgesellschaft untergekommen – im Gräbele.

Stuttgart -

 

Die Sonne scheint durch die Fenster von Klassenraum S 107 der Falkertschule im Stuttgarter Westen. Doch vier Mädchen, die auf Luftmatratzen liegen, scheint das nicht zu stören. Es ist 7.30 Uhr am Donnerstag. Die vier schlafen tief und fest. Sie scheinen weder vom Treiben in ihrem Zimmer noch vom Gewusel auf dem Flur etwas mitzubekommen. Es ist wohl spät geworden beim Abend der Begegnung zum Kirchentag-Auftakt.

Ein paar Räume weiter sind alle wach. Nora sitzt fertig angezogen auf ihrer Luftmatratze. Hannah, die „wie ein Baby geschlafen hat“, wäscht sich am Waschbecken. Cora, noch im Schlafanzug, zieht das Kirchentags-T-Shirt, das sie heute tragen wird, aus ihrem Gepäck: Sie habe vier T-Shirts dabei, sagt die 22-Jährige aus Kerpen bei Köln. Heute sei das orangefarbene dran, das sie sich beim ökumenischen Kirchentag in München gekauft hat. Die jungen Frauen haben Glück, sie schlafen nur zu acht in einem Zimmer. Es gibt Klassenzimmer in dem Massenquartier, in dem doppelt so viele Kirchentagsbesucher liegen. Aber auch das ist vergleichsweise wenig. „In Hamburg haben wir mit 50 Leuten in der Aula gepennt“, erzählt Cora.

Drei Duschen für 221 Leute

Die Falkertschule ist eines von 147 Massenquartieren des Evangelischen Kirchentags in der Region und in der Stadt Stuttgart. Hinzu kommen 10 000 Gräbele, also Privatquartiere. In den Schulen schlafen vor allem junge Leute. Das merkt man auch in der Falkertschule. Maja Faigle, die Quartiermeisterin, hat am Mittwochnachmittag alle Gruppen empfangen, hat ihnen die Zimmer gezeigt und erklärt, wo sie einkaufen können. Eine schlechte Nachricht gab es auch: 221 Leute teilen sich drei Duschen. Überall im Gebäude hängen Zettel mit dem Hinweis, dass Frauen abends und Männer morgens duschen sollen. Das Erstaunliche: niemand beschwert sich.

„Wir haben uns gestern Abend zu dritt eine Dusche geteilt“, erzählt die 17-jährige Julia beim Frühstück. Zum Einseifen ging es raus, zum Abduschen wieder rein. Das habe gut funktioniert. Im Frühstücksraum sind um kurz nach 8 Uhr die meisten Plätze belegt. Brötchen, Marmelade, Wurst und Käse stehen bereit. Im Flur gibt es Kaffee. Den hat die stellvertretende Quartiermeisterin Elisabeth Ulmer-Epple um 5.30 Uhr aufgesetzt. Da herrschte in der Schule noch absolute Stille. Zu fünft kümmern sich die Ehrenamtlichen, die zur Hospitalkirchengemeinde gehören, morgens um die Gäste. Dass sie um 4.30 Uhr aufgestanden ist, merkt man Elisabeth Ulmer-Epple nicht an. „Das beflügelt einen, hier zu helfen, da kommt keine Müdigkeit auf“, sagt sie und schwärmt, wie hilfsbereit alle seien. Völlig selbstverständlich nimmt jeder sein Geschirr, wäscht es in den Wannen ab. Ein Besucher erkundigt sich sogar bei den Ehrenamtlichen, ob die Toiletten sauber gemacht werden (was der Fall ist) oder ob sie das organisieren sollen. „Alles läuft wunderbar“, sagt Maja Faigle.

Ist ein Gräbele etwa ein Grab?

Bernd Fricke aus Gifhorn ist hingegen froh, in einem Gräbele zu schlafen. Das Problem ist nur, dass der Niedersachse das Wort nicht versteht. Was das denn sei, will er wissen. Ein Grab? Eine Kammer? Der Protestant ist rund vier Kilometer von der Falkertschule entfernt in einem zutiefst katholischen Haus in Botnang untergekommen. Die Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist hat vier Zimmer zur Verfügung gestellt. Wo sich sonst Jugendliche auf den Missionsdienst im Senegal oder in Ghana vorbereiten, haben sechs Kirchentagsgetreue mittleren Alters ihre Rollkoffer ausgepackt. In jedem Zimmer hängt über den Betten ein Kreuz.

„Wir waren schon auf vielen Kirchentagen, aber so ein gastfreundliches Haus haben wir selten erlebt“, sagt die Diakonin Michaela Herrmann. Ein Kaffee von der Hausverwalterin Birgit Mader zur Begrüßung, das Frühstück bereitet von dem Spiritanerpater Dieter und dann noch freien Zugang zu Küche, Wohnzimmer und Garten. Fricke hat bei Kirchentagen schon mit 170 anderen Menschen in einer Turnhalle übernachtet, aber auch alleine bei einem freundlichen Apothekerehepaar gewohnt, das ihn mit seiner Gastfreundschaft erdrückt habe. Für die kirchentagserfahrenen Niedersachsen ist die Missionsgesellschaft die ideale Lösung: ein Schlüssel für jeden, freundliche Menschen und wenig Verpflichtungen. Wenn da eine Sache nicht wäre: das Schwäbische. „Damit komme ich nur schwer klar“, sagt Fricke, bevor er mit bequemen Schuhen und Kirchentags-Survival-Rucksack loszieht.

Tagsüber ist die Schule abgeschlossen

Auch im Massenquartier Falkertschule machen sich die Gäste bereit. Maja Faigle wird gleich ihren Kontrollgang machen. Um 9 Uhr wird abgeschlossen. Ab 18 Uhr ist die Schule wieder geöffnet.