Der Plieninger Bezirksbeirat Gerhard Hütter von der Fraktion SÖS/Linke-plus bringt einen Antrag zur Direktwahl von Bezirksbeiräten ein. Ausgerechnet sein Birkacher Fraktionskollege ist dagegen.

Birkach/Plieningen - Bei der jüngsten Sitzung der Plieninger und Birkacher Bezirksbeiräte gab es ungewohnte Momente. Bei der Diskussion um Anträge zur finanziellen Förderung gesellschaftlichen Engagements aus dem dafür vorgesehenen Budget ergab sich, dass die Plieninger und Birkacher Bezirksbeiräte bei einzelnen Abstimmungen unterschiedlich votiert haben. Das bezeichnete die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel als noch nie da gewesen. Dann zeigte sich erneut ein Riss zwischen beiden Bezirken. Dieses Mal ging er mitten durch eine Fraktion. Der Plieninger Bezirksbeirat Gerhard Hütter (SÖS/Linke-plus) brachte einen Antrag ein, in dem eine Direktwahl der Bezirksbeiräte in Stuttgart von 2019 an gefordert wird. Der Birkacher Vertreter von SÖS/Linke-plus, Sebastian Exner, hatte seine Unterschrift nicht unter den Antrag gesetzt. Die Birkacher konnten deshalb über den Antrag nicht abstimmen. Ihre Plieninger Kollegen lehnten ihn mehrheitlich ab. Hütter zeigt sich verschnupft, dass sein Fraktionskollege seinen Antrag nicht mitgetragen hat. „Ich finde das nicht so doll“, meint er. Exner habe ihm per Mail mitgeteilt, dass er seine Unterschrift nicht unter den Antrag setzen könne. Hütter habe sich dennoch entschlossen, den Antrag einzubringen. „Wir waren beide im Urlaub, und wir haben keine Gelegenheit gefunden, noch einmal miteinander zu diskutieren“, sagt Hütter. Der Plieninger Vertreter von SÖS/Linke-plus zeigt sich auch deshalb erstaunt über das Vorgehen Exners, weil er sich selbst im Einklang mit der Gemeinderatsfraktion sieht.

 

Schnee warnt vor Kirchturmpolitik

Anfang vergangenen Jahres hatte die Fraktionsgemeinschaft im Gemeinderat bei den Haushaltberatungen dafür geworben, Geld für die Direktwahl der Bezirksbeiräte bereitzustellen. Aus den anderen Fraktionen gab es keine Unterstützung. Hütters Vorschlag fiel dann auch bei den anderen Parteien im Plieninger Bezirksbeirat durch. Die Argumente glichen dabei denen, die auch im Gemeinderat gegen den Antrag von SÖS/Linke-plus in Stellung gebracht wurden. Der Sprecher der Grünen, Walter Schnee, fand es schwierig, ein Gremium direkt wählen zu lassen, dass so wenig Einfluss habe wie der Bezirksbeirat. Außerdem könnten Entscheidungsfindungen schwieriger werden, da für Bezirksbeiräte die Interessen des eigenen Bezirks und weniger das Gesamtinteresse der Kommune im Vordergrund stünden. „Da droht dann Kirchturmpolitik“, sagte der Grünen-Bezirksbeirat.

Das gleiche Argument nennt auch Sebastian Exner. Er gibt aber zu, dass er den Antrag seines Kollegen Hütter noch aus einem Grund nicht mittragen konnte. „Bei einer Direktwahl kann es sein, dass SÖS/Linke-plus überhaupt keinen Sitz mehr in einem Bezirksbeirat auf den Fildern bekommen“, sagt er. Es wäre schon allein eine Herausforderung, einen Wahlkampf zu organisieren. „Dazu fehlen uns die Aktiven auf den Fildern“, meint Exner.

Argument verrät Kalkül

Er sei sich bewusst, dass SÖS/Linke-plus perspektivisch die Direktwahl anstreben, da sie sich mehr Basisdemokratie auf die Fahnen schreiben. „Kurzfristig bin ich aus den genannten Gründen strikt dagegen“, sagt er. Exner gibt zu, dass seine Argumentation Kalkül verrät. Er erkenne selbst einen gewissen Widerspruch zum grundsätzlichen Standpunkt der Fraktionsgemeinschaft. „Aber ich wollte auch einen Kontrapunkt setzen zu der Meinung, dass Linke immer Utopisches fordern.“

Exner sei sich bewusst, dass er Hütter mit seinem Vorgehen verärgert habe. „Das habe ich in der Sitzung bemerkt. Ein dauerhaftes Zerwürfnis erwarte er aber nicht. „Herr Hütter ist von der SÖS, ich von der Linken. In einer Fraktionsgemeinschaft ist es doch klar, dass es unterschiedliche Standpunkte gibt“, sagt er. Er und Hütter kämen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten, fügt er hinzu. „Er ist Rentner, und ich bin junger Vater. Wir sehen die Dinge oft von zwei ganz unterschiedlichen Seiten“, sagt Exner.

Sein Plieninger Kollege kann die Kritik und auch die der anderen Fraktionen nicht nachvollziehen. Sicher sollten mit einer Direktwahl auch vermehrte Kompetenzen für die Bezirksbeiräte verbunden sein. „Aber sie sollen sich nur um das kümmern, was wirklich den Bezirk betrifft“, sagt er. Kirchturmpolitik, die für die Gesamtstadt lähmend sei, könne niemand wollen, erklärt er. Hütter muss für seinen Standpunkt aber offenbar noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Ein Gespräch mit Exner werde er bald führen, sagt er.