Ein überraschend großer Teil der Belegschaft möchte SAP offenbar verlassen. Wurde vor einiger Zeit noch spekuliert, dass etwa 2600 der 25 300 Stellen in Deutschland gestrichen werden sollen, könnten es jetzt erheblich mehr werden – weil bis zu 15 Prozent der Belegschaft freiwillig gehen werden, wie in Unternehmenskreisen geschätzt wird. Weltweit hat Vorstandschef Christian Klein im Zuge der Transformation den Abbau von 8000 Stellen vorgegeben – „hierfür haben wir 2,2 Milliarden Euro als Rückstellungen gebildet“, sagt ein Unternehmenssprecher.
Ungefähr 5300 Beschäftigte sollen sich beworben haben
Allerdings fragt man sich bei SAP schon, ob dieser Topf ausreicht oder aufgestockt werden muss. Denn Management und Betriebsrat haben ein großzügiges Abfindungs- und Vorruhestandspaket ausgehandelt, für das sich nach Informationen unserer Zeitung rechnerisch etwa 20 Prozent der Belegschaft in Deutschland registriert haben – um die 5300. Voraussetzung für ein Angebot des Arbeitgebers ist die doppelte Freiwilligkeit auf beiden Seiten. Der Vorruhestandsteil richtet sich an alle Beschäftigten ab 55 Jahren. 70 Prozent der in Frage kommenden Belegschaft, um die 3000 Beschäftigte, sollen ihr Interesse daran bekundet haben – alle Anmeldungen seien angenommen worden.
Generell werden für die ersten Jahre der Zugehörigkeit zwei Monatsgehälter als Abfindung gezahlt – mit zunehmender Dauer weniger, im Schnitt etwa 1,5 Monatsgehälter pro Betriebsjahr; das wären 33,5 Monatsgehälter bei 20 Jahren. So kommen etliche Mitarbeitende auf eine halbe Million Euro. „Nicht außergewöhnlich“ sei diese Summe, heißt es. Konkret werden die Betroffenen zu 100 Prozent freigestellt, gehören aber weiter dem Unternehmen an. Die Abfindung wird auf ein Arbeitszeitkonto eingezahlt, aus dem bis zur Rente das Geld entnommen wird. Zusätzlich werden Sozialleistungen gezahlt. Geregelt ist, dass niemand mehr Geld bekommen soll, als er ohnehin bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter erhalten hätte.
Beim Freiwilligenprogramm sind Summen zwischen 200 000 und 300 000 Euro herauszuholen. Dort soll es eine Annahmequote durch den Arbeitgeber von ca. 50 Prozent geben. Dass es auch von vielen jüngeren Beschäftigten genutzt wird, mag auf den ersten Blick überraschen. Gründe sind die Personalpolitik und eine Rolle rückwärts des Managements: Nachdem vor Jahren das Homeoffice freigegeben worden ist, soll die Belegschaft jetzt wieder an mindestens drei Tagen pro Woche in den Betrieb kommen. Viele Betroffene fühlen sich nun getäuscht und ihrer Freiheiten bei der Wahl des Arbeitsorts beraubt – etwa weil ihr Lebensmittelpunkt längst woanders ist. So nehmen manche das Geld und verlassen das Unternehmen.
Wenn das Geld später für Gehaltserhöhungen fehlt
Doch die Sache hat noch mehr Haken: Auf der Arbeitnehmerseite sorgt man sich, dass zum Beispiel 30-Jährige mit viel Geld abgefunden werden, das später bei der Gehaltsrunde fehlen könnte – nachdem schon die vorigen Einkommenserhöhungen unbefriedigend ausgefallen sind. Dann würde, so die Logik, die Abfindungswelle zu Lasten derer gehen, die bei SAP bleiben. Dies würde auch für die befürchteten Arbeitsverdichtungen gelten, weil wegfallende Stellen, wenn überhaupt, wohl eher im Ausland ersetzt werden.
Der Unternehmenssprecher mag Einzelheiten der Abfindungsprogramme auf Anfrage nicht kommentieren. Die Angebote seien im vorigen Monat erfolgt – bis etwa November oder Dezember hätten die Betroffenen die Möglichkeit, diese anzunehmen. „Sie können es sich bis dahin aber auch anders überlegen“, sagt er.