Die Soko-Reihe gilt bestenfalls als solide Unterhaltung. Dank seiner Hauptdarstellerinnen setzt das neue Team aus Potsdam von diesem Montag an aber ein Glanzlicht im ZDF.

Potsdam - Wer auch nur den Versuch unternimmt, das Repertoire an Fernsehkrimis aufzulisten, scheitert zwangsläufig an der schieren Masse. Allein vom „Tatort“ gibt es ja derzeit – na, wie viele Teams? Genau: 22. Noch. Deutsche Schauspieler als ausländische Ermittler an exterritorialen Einsatzorten von Athen bis Zypern gibt es zwar erst gut ein Dutzend, aber die Erde ist groß und das Erste bereit, sie polizeilich lückenlos mit Landsleuten zu besetzen. Dazu gibt es Nordsee-Bullen, Freitags-Chefinnen, samstags Wilsberg, und nur selten mal wird das Niveau amerikanischer bis skandinavischer Importe erreicht. Dass jetzt vierzig Jahre nach München bereits die elfte Soko ihren Dienst aufnimmt, ist angesichts der repetitiven Betulichkeit hiesiger Mörderjagden also alles andere als eine gute Nachricht.

 

Praktisch hingegen erlebt der kriminalistische Mainstream um 18 Uhr eine Art Springflut. Denn Achtung: Das neuste ZDF-Kommissariat wird nicht nur vom jüngsten Duo geleitet, es besteht auch erstmals in dieser Reihe allein aus Frauen, die Achtung, Achtung: richtig gute Fernsehunterhaltung liefern. Und das hat zwei, genauer fünf gute Gründe. Ganz oben auf der Liste und doch naturgemäß tief im Hintergrund stehen die drei Autoren. Hanno Hackfort, Bob Konrad und Richard Kropf haben bereits die Drehbücher zum gefeierten TNT-Achtteiler „4 Blocks“ oder Matthias Schweighöfers frisch fortgesetzter Amazon-Serie „You Are Wanted“ geschrieben und zählen damit zu den derzeit wohl heißesten deutschen Drehbucheisen.

Gute Autoren, gute Darsteller

Dass sie nun aber drei Vorlagen für 45-minütige Kurzkrimis geliefert haben, könnte – abgesehen vom öffentlich-rechtlichen Honorartopf vielleicht – auch an den Hauptdarstellerinnen liegen. Caroline Erikson und Katrin Jaehne – beide schon dreißig, beide bislang eher für Nebenrollen kleinerer Produktionen bekannt – sind als Kommissarinnen Luna Kunath und Sophie Pohlmann auf diesem Sendeplatz schließlich schlicht eine Sensation. Das beweist bereits ihr gelungener Einstieg in den Premierenfall namens „Saubere Geschäfte“ um einen Mord im Muckibuden- und Muskeldoping-Milieu. Mimik, Haltung, Ausdruck, Stimme, Aura – fast alles am Debüt wirkt rund. Und mit den ulkigen Sidekicks vom fußballverrückten Assi (Omar El-Saeidi) über den hippen Spurensicherer (Yung Ngo) bis hin zu Bernd Stegemann als prinzipientreuer Polizeiveteran hat der Regisseur Stefan Bühling eher Knallchargen als Männerrollen im Cast.

All dies aber gleicht die punktgenaue Kommunikation der Hauptdarstellerinnen locker aus. Mit ihnen sind eher normale Menschen mit eher gewöhnlichen Alltagssorgen im Einsatz, denen man von Beginn an gern beim Austarieren von Arbeit und Leben zusieht. Wenn Luna beim Aussteigen am Premieren-Tatort kurz im Close-up ihre kindlich lackierten Fingernägel knetet, stellt sie früh eine Verbindung mit dem Publikum her, die keiner großen Worte bedarf. Und Sophies Privatsphäre mit häuslichem Mann und aggressivem Kind ist nicht nur dramaturgischer Füllstoff, sondern macht die Figur wirklich plausibler. „Bleibst du im Wagen sitzen, wenn du in die Waschanlage fährst?“, fragt Luna ihre Kollegin angesichts einer Leiche bei der Autoreinigung. „Wenn ich in Ruhe weinen will“, antworte Sophie mit traurigen Augen.

Authentisch und leidenschaftlich

Diese Mischung aus Melancholie und Chuzpe gleicht auch in den nächsten zwei Folgen aus Potsdam so manche Durchschnittlichkeit in der Fallkonstruktion aus. Das elfte Team der Reihe wirkt damit authentischer, leidenschaftlicher, ergo besser als zweitausend Stunden Soko-Stuttgartkölnwismarkitzbühel zusammen und lockt nicht ohne Grund bereits zum Auftakt treffsichere Gaststars wie Adam Bousdoukos als Steroid-Dealer und Dirk Martens als Tankstellenwart ins Soko-Personal, vom hervorragenden Nebendarsteller Michael Lott in der Rolle des Vorgesetzten ganz zu schweigen. Gewiss – nicht alles an Soko Potsdam ist gelungen. Der kriminalistische Vorabend bot aber schon lange nicht mehr so wenig Anlass zu Fremdscham.