Die Stadt hat sich als Sündenpfuhl bewährt. Seit neun Jahren wird gemeuchelt, erdrosselt, erstochen auf Teufel komm raus. Der „Soko Stuttgart“ geht die Arbeit nicht aus, sie sorgt seit nunmehr 200 Folgen dafür, dass das Laster keine Chance hat.

Stuttgart - Das Frohlocken war groß: Endlich wird in Stuttgart nach Herzenslust gemordet. Als die „Soko Stuttgart“ 2009 erstmals im ZDF böse Buben fing, jubilierte die Politik. Der damalige Medienminister Wolfgang Reinhart feierte den Start der Serie als „Erfolg für den Filmstandort Baden-Württemberg“. OB Wolfgang Schuster kam zur Vorstellung der ZDF-Pläne eigens an den Drehort ans Römerkastell, um dem Filmteam seine Aufwartung zu machen, warme Worte zu sagen und die dicke Broschüre über die „Stuttgarter Sicherheitspartnerschaft“ zu verteilen. Dass es zu dem Besuch gekommen ist, macht deutlich, welchen Nachholbedarf man damals hatte. Unvorstellbar, dass Berlins Bürgermeister oder Hamburgs Stadtoberhaupt an eine Filmkulisse eilen, um stolz zu verkünden, dass ihre Städte in einer Reihe mit Wismar, Leipzig, Köln, Wien, Kitzbühel und München stehen und eine eigene Soko haben werden.

 

Ein Quartett ist von Anfang an dabei

20 Folgen hatte man zunächst geplant. „Ich gehe fest davon aus, dass wir länger hier bleiben“, sagte Klaus Bassiner, Hauptredaktionsleiter Reihen und Serien beim ZDF, damals. Er behielt recht. An diesem Donnerstagabend um 18 Uhr kommt die 200. Folge, die „Soko“ ermittelt am Teehaus, sie will den Kollegen Stoll aus den Händen eines Geiselnehmers befreien. Ein Quartett ist von Anfang an dabei. Karl Kranzkowski (Michael Kaiser), Astrid Fünderich (Martina Seiffert), Peter Ketnath (Jo Stoll) und der gebürtige Stuttgarter Benjamin Strecker ( Rico Sander) ermittelten vom ersten Tag an. Die Rolle der Kommissarin Nummer zwei wechselte des Öfteren. Erst trat Nina Gnädig auf, dann Sylta Fee Wegmann, seit Folge 108 spielt Yve Burbach die Kommissarin Selma Kirsch. Unterstützt werden sie von Mechaniker Schrotti, dessen Darsteller Michael Gaedt sorgt für den Lokalkolorit.

Erfunden wurde die Serie von einem Polizisten

Die Mutter der Serie kommt aus München und läuft seit 39 Jahren. Erfunden hat’s ein leibhaftiger Polizist, Dieter Schenk. Der war Leiter der Kriminalpolizei Gießen und ärgerte sich vor dem Fernseher immer saumäßig, wie die Arbeit der Polizisten dargestellt wurde. Er hatte niemanden, der den Wagen vorfuhr. Also setzte er sich hin und schrieb das Buch „Der Durchläufer“, in dem er die Erlebnisse eines jungen Kripobeamten schilderte. Das Manuskript fand Gefallen, daraus wurden ein Buch beim Fischer-Verlag und eine Serie beim ZDF. Den Namen dachte sich Schenk aus: „Soko 5113“. Das war seine Durchwahl beim LKA gewesen. 5113, Polizei ans Telefon.

München ist nicht nur die Heimat der Soko 5113, sondern auch der Sitz der zuständigen Produktionsfirma Bavaria. Stuttgart als Drehort war dagegen vor acht Jahren für deutsche Fernsehschaffende fast so exotisch wie Hawaii. Was reihenweise die Absolventen der Ludwigsburger Filmhochschule ins Exil trieb. Auch dem Produzenten Oliver Vogel ging es Ende der neunziger Jahre so. „Ich musste fluchtartig Stuttgart verlassen und landete in Sachsen“, erinnert er sich. Als er zur Bavaria kam, dachte er an die alte Heimat. „Ich habe Stuttgart vorgeschlagen“, sagt er, „und bin allen in den Ohren gelegen, wie toll es hier ist.“ Neben „den vielen Facetten der Stadt“ haben auch handfeste Argumente die Kollegen überzeugt. Es gab einen direkten Draht ins Ordnungsamt, weiteren Lockstoff steuerte die Filmförderung Baden-Württemberg bei. Von dem Acht-Millionen-Etat trug sie anfangs 920 000 Euro.

Die Serie etablierte sich und ebnete den Weg für weitere Produktionen. Manche floppten wie „Huck“, andere wie „Dr. Klein“ erwiesen sich als Erfolg. Wie die „Soko Stuttgart“. Im Februar beginnt die Bavaria mit dem Drehen neuer Folgen für die zehnte Staffel. Die Quoten sind solide, um die 19 Prozent schalten donnerstags ein, das sind knapp vier Millionen Menschen. Krimi geht immer.

Promis kamen zu Gastauftritten

Die „Soko“ peppt das ZDF immer wieder gerne mit Promis und Ehedem-Promis auf, die ihren ehemaligen Ruhm versilbern können. Die Liste ist lang. Sven Martinek, Tilo Brückner, Michaela Schaffrath, Claus Theo Gärtner, Harald Schmidt, Claude Oliver Rudolph, Dieter Hallervorden, Barbara Becker, Udo Walz oder Alexandra Kamp durften mitspielen; auch einen ehemaligen Weltstar wie Brigitte Nielsen hat man aus der Versenkung geholt. Einst filmte sie mit Arnold Schwarzenegger, Eddy Murphy und ihrem damaligen Gatten Sylvester Stallone, war Muse von Fotograf Helmut Newton. Dann folgte der Absturz: Sie ließ sich beim Alkoholentzug filmen, die Kamera war beim Aufmöbeln ihres Körpers hautnah dabei, „deutlich vorgealtert“, urteilte der Arzt. Es folgte „Soko Stuttgart“, schließlich ging’s in den Dschungel. Nun gut, man muss ja leben. In Stuttgart hat es ihr gut gefallen, erzählte sie damals beim Dreh, „es ist alles so grün hier, so romantisch und hübsch“. Nur das Essen im Zauberlehrling und in der Trattoria Franca e Franco war zu üppig. „Das war so gut“, sagte sie, „ich passe bestimmt nicht mehr in meinen Badeanzug.“ Das war nun allerdings kein Fall für die Polizei – sondern für den Onkel Doktor.