Ganz ehrlich: Glauben Sie, dass Deutschland zu der Qualität aufschließen kann, die aus den USA kommt?
Die „Soko“ ist aus meiner Sicht auf Augenhöhe mit US-Formaten wie „C.S.I.“. Und wenn ich mit Amerikanern über „Dr. Klein“ rede, denken die sofort an ein Remake. Eine kleinwüchsige Kinderärztin, die ihren Patienten auf Augenhöhe begegnet – das ist universell und in einem Satz zu vermitteln, das finden die gut. Bei den großen Event-Serien, „Game of Thrones“ oder „Boardwalk Empire“ sah das anders aus, bei diesen Budgets konnte man nicht mithalten. Aber „Babylon Berlin“ ist schon recht nah dran und unsere Sky-Serie „Das Boot“, die wir gerade drehen, wird auch ein internationales Niveau erreichen. Wir haben für 8 Folgen 26,5 Mio Euro, über 31 Mio US Dollar, das sind mehr als 3 Millionen pro Episode.
Der Stoff ist global bekannt, Regisseur Wolfgang Petersen und Kameramann Michael Ballhaus haben Hollywood-Karrieren gemacht. Wie schafft man es, so einem Stoff gerecht zu werden?
Wir sind uns der großen Erwartungshaltung bewusst und voller Respekt gegenüber der künstlerischen Leistung des Originalfilms. Daher haben wir uns auch sehr bewusst dagegen entschieden, ein Remake zu machen – weder als Film noch als Serie. Wir wollen nun eine neue Geschichte erzählen und dabei auch einer neuen Generation an Zuschauern die Anti-Kriegs-Message nahe bringen – denn leider ist das Thema Krieg und seine Sinnlosigkeit nach wie vor aktuell. Und nach dem, was ich nach der Hälfte der Dreharbeiten gesehen habe, kann ich ruhig schlafen. Niemand hat da irgendetwas auf die leichte Schulter genommen.
Ist es da von Vorteil, für eine Firma zu arbeiten, die in München ein für deutsche Verhältnisse großes Studioareal betreibt?
Man wird von internationalen Partnern auf Augenhöhe wahrgenommen. Die laufen übers Studio Gelände und erkennen die Kulisse von „Berlin Alexanderplatz“, „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“, die in den USA nach wie vor oft gezeigt wird. Neulich saß der Vice President von Fox International auf Fuchur und hat ein Selfie für seinen Sohn gemacht. Dazu kommen die logistischen Vorteile, dort produzieren zu können. Wir haben auf dem Gelände alle Möglichkeiten, vom Schnitt bis zur Dolby Atmos-Mischung. Im Moment drehen wir in den Studios Teile für „Das Boot“, den Innendreh der Szenen, die außen im französischen La Rochelle spielen.
Wenn Sie die Rahmenbedingungen für Filmproduktionen vergleichen: Wo steht Deutschland international?
Nur eines trennt uns davon, als Standort richtig durchzustarten: Wir haben keine Steuervergünstigungen wie Frankreich, Tschechien, Ungarn, Malta, Irland oder Belgien. Die Amerikaner drehen überall in Europa, aber nicht in Deutschland. Das föderale Fördersystem mit seinen Jurys ist ihnen zu kompliziert und zu riskant, und sie müssten im Erfolgsfall das Geld zurückzahlen. Die Amerikaner gehen aber immer vom Erfolgsfall aus. Also bauen sie lieber die Berliner Mauer in Budapest nach, als nach Berlin zu gehen.
Müssten man also das deutsche Fördersystem überdenken?
Hier geht es nicht um die Filmförderung der Länder, sondern um Steuervergünstigungen, und die sind Bundessache. Bei internationalen Produktionen braucht man eine fest kalkulierbare Summe, die man garantiert bekommt und nicht zurückzahlen muss.
Die „Soko“ war und ist die erste größere Produktion, die sich dauerhaft in Stuttgart angesiedelt hat. Sind Sie darauf stolz?
Wir haben am Standort Stuttgart 100 Arbeitsplätze geschaffen, Filmakademie-Absolventen sind in Stuttgart geblieben und nicht nach München oder Berlin abgewandert. Wir haben seit 2009 insgesamt 220 Folgen der „ Soko Stuttgart“ produziert. Wir hatten in Stuttgart neulich einen „Soko“-Fan-Tag, da haben die Leute uns die Bude eingerannt. Die sind zum Teil aus Hamburg und Brandenburg gekommen, um ein Selfie zu machen mit den Schauspielern. Die Serie läuft auch in Italien. Dazu kommen noch 49 Folgen der Serie „Dr. Klein“. Ich glaube, da darf man schon stolz sein.
Bleiben Sie Stuttgart erhalten, obwohl Sie jetzt so viel Verantwortung tragen?
Niemand kann mir das schwäbische Herz herausreißen, und die „Soko Stuttgart“ macht zehn Prozent unseres Umsatzes aus. Stuttgart ist für die Bavaria Fiction eine der Säulen des Unternehmens. Aber ich habe natürlich weniger Zeit. Als ich 2008 bei der Bavaria Fernsehproduktion angefangen habe, war die „Soko Stuttgart“ mein einziges Projekt. Jetzt bin ich für alle Produktionen der Bavaria Fiction verantwortlich. Der Trick ist, gute Leute zu haben und Dinge zu delegieren, und ich habe in Stuttgart ein großartiges Team und bin auf einem guten Weg, manches loszulassen. Aber ich komme nach wie vor so oft wie möglich in meine Heimat.