Produzent Oliver Vogel hat die ZDF-Krimireihe „Soko Stuttgart“ in die Landeshauptstadt geholt. Seit 2016 ist der Absolvent der Ludwigsburger Filmakademie der Kreativ-Chef von Bavaria Fiction. Im Gespräch äußert er sich unter anderem zur Zukunft des Fernsehens.

Stuttgart - Er hat die „Soko Stuttgart“ etabliert und mit „Dr. Klein“ gleich noch ein erfolgreiches Format. Dafür hat Oliver Vogel 2015 den baden-württembergischen Ehrenfilmpreis bekommen. Derzeit läuft die neunte Staffel der „Soko“, in die die 200. Folge fällt, und die feiert der Produzent Vogel mit seinem Team an diesem Donnerstag auf der Filmschau Baden-Württemberg. Bernd Haasis

 
Herr Vogel, der Film- und Fernsehmarkt hat sich binnen zehn Jahren komplett verändert, Bezahl-Sender wie Sky und Netflix haben sich etabliert. Was bedeutet das für Ihr Geschäft?
Wir Produzenten profitieren von dieser Diversifizierung. Für Sender werden Eigenproduktionen immer wichtiger, um sich von ihren Wettbewerbern gezielt zu unterscheiden. Dies haben auch die neuen Plattformen erkannt. So produzieren wir beispielsweise die erste Eigenproduktion für die Telekom-Plattform EntertainTV. „Germanized“ ist eine Kooperation der Bavaria Fiction und Telfrance, die zur Newen Group gehört. Tanguy de Franclieu und Sandra Ouaiss von Newen sind 2016 bei der TV Messe MipTV in Cannes an meinen Kollegen Moritz Polter und mich herangetreten mit dem Konzept der Autoren Alexandre Charlot und Franck Magnier („Willkommen bei den Sch’tis“) und Thomas Rogel („Heute Show“).
Worum geht es da?
„Germanized“ handelt von einem südfranzösischen Küstenort, der kurz vor der Pleite steht und nun von einer deutschen Firma und deren Mitarbeitern gerettet werden soll. Hier treffen dann die doch sehr unterschiedlichen Kulturen aufeinander. In den Hauptrollen spielen Christoph Maria Herbst, den viele aus der Serie „Stromberg“ kennen, und Roxane Duran, die im Film „Das weiße Band“ mitgespielt hat. Ich bin frankophil und wusste sofort, was sie meinen. Wir werden die interkulturellen Missverständnisse und Vorurteile auskosten.
Wie entscheiden Sie, wem sie welchen Stoff anbieten – und was bedeutet das für das öffentlich-rechtliche Fernsehen?
Die Diversifizierung bedeutet auf keinen Fall das Ende des linearen Fernsehens, es gibt eine Koexistenz. Wir machen unseren Hauptumsatz mit linearem Fernsehen, und das wird vorerst so bleiben. Serien für ein breites Publikum bieten wir den öffentlich-rechtlichen Sendern an, steilere Formate den Bezahlanbietern, die eher die Sehgewohnheiten eines jungen Publikums bedienen mit horizontalem Erzählen und unbegrenztem Zugriff auf komplette Serien. Ältere Zuschauer sind oft mit der Technik überfordert, sie kaufen eher DVDs – die ist also auch mitnichten tot.
Verliert das Fernsehen durch die neuen Plattformen nicht Zuschauer?
Die „ Soko Stuttgart“ hatte in der ersten Staffel vor neun Jahren, als es noch gar kein Streaming gab, rund 19 Prozent Marktanteil, und das hat sie immer noch, bei gleichbleibenden Zuschauerzahlen von 3,5 bis 4 Millionen.
Jede Plattform verlangt Geld vom Nutzer, das zum Rundfunkbeitrag dazukommt. Wie weit kann man die Diversifizierung trieben, bis die Zuschauer aus Kostengründen wegbleiben?
Die Amerikaner geben für ihren TV Konsum deutlich mehr aus als wir, weil wir gewohnt sind, dass alles umsonst ist. Das ändert sich aber gerade, weil die Leute sehen, wie attraktiv die Angebote sind. Früher hat man DVDs gekauft, DVD-Boxen der Lieblingsserien, heute bezahlt man fürs Streaming. Und man braucht ja nicht überall ein Abo, sondern kann zum Beispiel mit Sky Ticket ausgewählte Inhalte buchen.
Die ARD ist Koproduzent bei „Babylon Berlin“, der größte Geldgeber ist der Pay-TV-Sender Sky, der die Serie nun auch als erster exklusiv ausstrahlt. Halten Sie diesen Einsatz von Gebührengeldern für sinnvoll?
Babylon Berlin ist in meinen Augen ein Meilenstein, was die Qualität deutscher Serien angeht, und die ARD macht ihn einer breiten Öffentlichkeit zugänglich – nur halt etwas später. Alleine hätte sie das kaum finanzieren können, da wäre ein Aufschrei durchs Land gegangen. Ich persönlich glaube, dass sich öffentlich rechtliche Sender solche herausragenden Programme leisten müssen, um ihr Senderprofil zu schärfen.
Die ARD hat Hans-Christian Schmids Miniserie „Das Verschwinden“ produziert und dann gemerkt, dass sie nur schwer einen Sendeplatz dafür findet. Können Sie das nachvollziehen?
Zum Teil. Durch das föderale System ist es bei der ARD nicht ganz einfach, für solche Programme Sendeplätze zu finden. Aber wenn man sich für so eine achtteilige, horizontal erzählte Mini Serie entscheidet, dann muss man dafür auch das Programmschema aufbrechen.