Gemeinsam gegen die Coronakrise: Am Sonntagabend ist Freude angesagt. Von ihren Privatwohnungen aus spielen Berufsmusiker Beethovens „Ode an die Freude“ und hoffen, dass möglichst viele Stuttgarter einstimmen – mit was auch immer.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Dinge, auf die man sich trotz Coronakrise freuen kann: Dazu zählt der Sonntagabend. Um 18 Uhr wird überall in Stuttgart Beethovens „Ode an die Freude“ erklingen. Berufsmusiker der Stuttgarter Philharmoniker, des Kammerorchesters Stuttgart und des Staatsorchesters greifen bei sich zuhause, auf Balkonen und an Fenstern, zu ihren Instrumenten. Allein das Staatsorchester Stuttgart wird mit rund 140 Berufsmusikerinnen und -musikern mit von der Partie sein. Das erhoffte Volumen wird dieser Klangkörper über der Stadt allerdings nur entfalten, wenn sich möglichst viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter daran beteiligen. Das Konzert ist ausdrücklich als Gemeinschaftserlebnis gedacht: „Alle sind eingeladen, sich auf den Balkon oder ans Fenster zu stellen und einzustimmen, ob mit Ukulele oder Flöte, oder singend und pfeifend“, betont Cornelius Meister, Musikchef der Staatsoper und des Staatsorchester, und Taktgeber der Aktion.

 

„Es ist wichtig, Solidarität zu zeigen“

Meister erhofft sich von dem Zusammenspiel der drei großen Berufsorchester und der Stuttgarter Bevölkerung „ein Meer aus Klang“ und damit auch ein mentales Erlebnis: „In Ariadne von Naxos von Richard Strauss heißt es, Musik ist eine heilige Kunst. Sie ist etwas für alle Lebenslagen, ein sinnliches Erlebnis, das uns auch in schweren Zeiten helfen kann.“ Es sei wichtig, auch auf musikalische Weise Solidarität und Gemeinschaftssinn zu zeigen. „Wir dürfen nicht untätig sein.“

Die Idee zum Stuttgart-Konzert sei spontan entstanden, betont der Generalmusikdirektor. Unterbewusst mag eine Rolle gespielt haben, dass die Berufsmusiker ihr Stuttgarter Publikum bereits schmerzlich vermissen. Inspiriert ist die Aktion vom „Flashmob sonoro“ in Italien, einer musikalischen Form von Krisenbewältigung, die über das Land hinaus Schlagzeilen gemacht hat. Wie in Italien sollen die Stuttgarterinnen und Stuttgarter nach Möglichkeit ihre Hausmusik filmen und in den sozialen Medien teilen, damit auch Menschen außerhalb Stuttgarts eine Freude an der Aktion haben.

Eine Wiederholung ist nicht ausgeschlossen

Beethovens „Ode an die Freude“ lag für Meister als Musikstück nahe. „Wir haben das Beethoven-Jahr, in Schillers Text geht es um Verbrüderung, es handelt sich um die Europahymne und fast jeder kennt die Melodie“, erklärt er. Meister selbst, der an der Grenze von Stuttgart Süd und Stuttgart Ost wohnt, hat sich noch nicht entschieden, auf welche Weise er am Sonntag mitspielen wird. „Vielleicht mit selbst gebastelten Instrumenten, vielleicht dirigiere ich auch einen Nachbarchor – natürlich in gebührendem Abstand.“ Seine Frau und seine drei Kinder seien auch mit von der Partie. „Wir spielen in der Original-Tonart D-Dur“, sagt der 40-Jährige mit einem Lächeln. Er hat aber auch nichts dagegen, wenn’s da und dort mal schräg klingt. Hauptsache, es klingt. „Wir leben im 21. Jahrhundert. Da gibt’s nicht nur tonale Musik.“ Ein Da capo ist übrigens nicht ausgeschlossen, sagt Meister. „Ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt.“