Ein städtebauliches Förderprogramm für Dürrlewang? Im Stadtteil wollen die Anwohner keine zusätzlichen Blumenkübel, sondern lieber mehr Geschäfte. Ein Rundgang zur Nachmittagszeit.

Dürrlewang - Die Stichworte „Soziale Stadt“ und „Hilfsprogramm für Dürrlewang“ reichen aus, um in der Bäckerei Bausch innerhalb weniger Augenblicke eine Diskussion zu entfachen. Es ist 16 Uhr am Nachmittag. Trotz Ferienzeit ist das Geschäft an der Osterbronnstraße zu dieser Zeit voller Kunden. Gerade werden Brot und Zwetschgenkuchen bestellt, als die Kundin Rose Vogg ruft: „Ha, sozial!“ Was sei denn in Dürrlewang sozial, wenn ein Geschäft nach dem anderen schließe? „Ich bin berufstätig und kann auf dem Heimweg von der Arbeit einkaufen. Aber was ist mit den alten Leuten? Die können doch jetzt nirgendwo mehr hin“, beschreibt die 56-Jährige die Situation im Stadtteil.

 

Nachdem auch noch der Lebensmittelmarkt „Nah und Gut“ geschlossen hat, sei ein neuer Abschnitt der Abwärtsspirale erreicht. Was nütze eine Ladenstraße mit ebenerdig gelegenen – und damit barrierefreien Geschäften – wenn eins nach dem anderen zumache? „Wir brauchen wieder einen Supermarkt und einen Metzger. Geschäfte, in denen man auch mal nur drei Scheiben Käse und 50 Gramm Wurst kaufen kann“, sagt Vogg. Das sei wichtiger für den Stadtteil, als etwa die Osterbronnstraße zu verschmälern – wie es eine Studie des Stuttgarter Planungsbüros Sippel und Buff und städtische Planungen vorsehen (siehe Infokasten).

Wer ist Schuld an der Misere

Wer ist Schuld an der Misere im Stadtteil? Steht Dürrlewang wirklich auf einer Stufe mit Stadtteilen wie einst Neugereut und dem Fasanenhof? Diese haben bereits Mittel aus dem Bund-Länder-Projekt „Soziale Stadt“ bekommen Die Dürrlewanger sehen weniger ein städtebauliches als ein wirtschaftliches Problem. „Alles machen sie uns zu“ – dieser Satz fällt mehrfach während der Debatte in der Bäckerei Bausch. Unklar bleibt, wer mit „sie“ gemeint ist. Manche Anwohner geben der Stadt die Schuld. Diese beginne immer „irgendwelche Projekte und führt nichts zu Ende“. Andere sagen: „Ja, bei den hohen Ladenmieten muss man sich über nichts wundern.“ Rund 2000 Euro Warmmiete koste schon eines der kleineren Ladenlokale an der Osterbronnstraße. Die meisten werden von Privateigentümern vermietet. „Da kriegen einige den Hals nicht voll“, empört sich eine weitere Kundin. „Wo soll denn hier so ein Umsatz herkommen?“

Wer ist noch Schuld? „Ha, die alten Leute selbst“, sagt ein Kunde, dessen Haaransatz auch bereits angegraut ist. Die Kinder würden beauftragt, den Großeinkauf im Discounter zu machen – „und im Geschäft vor Ort wird nur noch ein Päckle Salz gekauft“. Mit dem Bus führen die Senioren aus Dürrlewang in die Schwabengalerie nach Vaihingen, um dort in der Apotheke einzukaufen. Jetzt, wo die Apotheke im Stadtteil zugemacht hat, sei das Geschrei groß. „Da muss man sich nicht wundern.“

„Zum wohnen ist Dürrlewang schön, zum Einkaufen schlecht“

Wenige Schritte weiter auf dem Spielplatz: Nicole Pacht sitzt auf der Bank und schaut zu, wie ihr knapp drei Jahre alter Sohn Nico auf den Spielgeräten tollt.Pacht ist in Dürrlewang aufgewachsen. Zwei Jahre hat sie in Möhringen gelebt, dann ist die 24-Jährige zusammen mit ihrem Mann zurückgekommen. „Für Familien mit kleinen Kindern ist Dürrlewang super“, sagt sie. Der Generationswechsel habe funktioniert, immer mehr junge Familien ziehen zu. An jedem Haus gebe es eine Rutsche und einen Sandkasten. Nirgendwo sei ein Spielplatz weiter als zwei Fußminuten entfernt. Pacht sagt aber auch: „Dürrlewang ist schön zum Wohnen, aber schlecht zum Einkaufen.“ Sie selbst erledigt die Einkäufe mit dem Auto, ihre betagte Tante müsse umständlich zu Fuß gehen. „Ich habe mich am Anfang gewundert, wenn jemand dreimal hintereinander an meinem Fenster vorbeilief.“ Kurze Zeit später wusste sie: „Die alten Leute können halt nicht so viel tragen, die müssen mehrmals gehen.“

Von der Idee, den Parkraum umzugestalten, hält Pacht wenig. „Wir brauchen doch Parkraum.“ Umbauen bedeute in der Regel, dass dieser reduziert werde. Zehn Parkplätze für ein Haus mit 200 Bewohnern, das reiche nicht. „Ab 17. 30 Uhr geht hier parkmäßig gar nichts mehr.“

„Die Situation hat sich doch insgesamt verbessert“

„Die Situation in Dürrlewang hat sich doch insgesamt verbessert“, findet Eberhard Kappler. Der Innenarchitekt hat in Dürrlewang sein Design-Büro, just in der Bürozeile Junoweg/Ecke Schopenhauer-straße, die laut der Studie von Sippel und Buff eines der Beispiele für den problematischen Leerstand im Stadtteil ist. „Wir sind bereits seit Anfang der 90er-Jahre hier ansässig“, bemerkt Kappler dazu lächelnd. Zwar gebe es gerade einige Leerstände in Dürrlewang. „Aber das hat es immer wieder mal gegeben – und bisher hat sich immer jemand gefunden.“

Stattdessen hebt Kappler die Traditionsgeschäfte hervor, die beiden Bäckereien Bausch und Mauser, das Café Geiler – dort haben er und seine Mitarbeiter so manche Mittagspause verbracht. Sogar aus dem nahegelegenen Züblin-Haus in Möhringen fahren Mitarbeiter nach Dürrlewang, um in der Mittagspause etwas zu essen und sich ins Grüne zu setzen. Auch die Wohnsituation hält er für angenehm. Viel ist in den vergangenen Jahren saniert worden, und: „Niedrige Häuser, großzügige Grünflächen – so was müssen sie heute suchen.“ Der Stadtteil werde unterschätzt, findet Kappler. „Als wir hier gestartet sind, war die Situation prekärer.“