Die StZ-Leser erfahren bei einer Führung durch das Kloster Maulbronner, dass dort möglicherweise sogar die Maultasche erfunden worden ist. Zum Abschluss des Rundgangs konnten selbst gemachte Exemplare der schwäbischen Spezialität verzehrt werden

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Maulbronn - - - Das Paradies ist keine 40 Kilometer von Stuttgart entfernt. Zu finden ist es 37 Kilometer nordwestlich der Landeshauptstadt – „Sie stehen hier im Paradies“, erklärt Angelika Braun. „Hier war ich zuletzt in meiner Schulzeit“, berichtet Barbara Beck. Angelika Braun ist die Leiterin der Museumspädagogik im Kloster Maulbronn, Barbara Beck ist eine von 30 Leserinnen und Lesern der Stuttgarter Zeitung, die einen Ausflug in das historische Gemäuer gewonnen haben – und das Paradies ist der Vorraum der Klosterkirche. „Im Mittelalter hat man diesen Vorraum mit Szenen aus dem Paradies ausgemalt“, erläutert die Museumspädagogin, „daher der Name.“

 

Der Anfang liegt im Jahr 1147

Die Geschichte der 1147 von Zisterziensermönchen gegründeten frommen Stätte kennt Angelika Braun aus dem Effeff. Sie ist in Maulbronn geboren, „meine Großmutter hat dort drüben noch die Eintrittskarten abgerissen“, sagt sie und zeigt auf den Eingang des Gebäudes, in dem Mönche wohnten, schliefen, Schriftstücke abschrieben oder beteten. Bis zu 150 Mönche und Laienbrüder lebten zu den Glanzzeiten innerhalb der Ansiedlung, die – für ein Kloster eher eine Seltenheit – von einer 850 Meter langen wehrhaften Mauer umgeben war. Rechnet man die in Besitztümern außerhalb des ummauerten Areals – etwa in Pfleghöfen – tätigen Laienmönche und Helfer hinzu, kommen gut und gerne 400 Personen zusammen, die in den Diensten des Klosters standen. Doch auch was „intra muros“, also innerhalb der Mauern, zu sehen ist, beeindruckt: „Ich hatte es mir nicht so groß vorgestellt“, sagt Sarah Naumann. Immerhin gab es neben den kirchlichen Zwecken dienenden Gebäuden etwa eine Mühle, eine Bäckerei, eine Apotheke, eine Wagnerei und andere Werkstätten – und natürlich auch einen Klosterweinberg und Fischteiche. Angelika Braun kennt nicht nur die Geschichtsbücher, sondern auch so manches Detail – etwa über das zeitweilige Verbot, Fleisch zu essen: „Biber, Otter, Gänse, alles, was im Wasser war, wurde als Fisch bezeichnet“ – und Fisch durfte verspeist werden. „Die eigentlichen Fische wurden als Gemüse der Gewässer bezeichnet.“ Dank der Führung bei der StZ-Sommerferienaktion erfährt Günter Alles auch solche Details: „Ich bin schon zum dritten Mal hier, aber ich hatte noch nie solch eine Führung“, sagt er begeistert.

Maulbronn ist Unesco-Weltkulturerbe

Nachdem Württemberg um 1530 evangelisch geworden war, wehte ein neuer Wind durch die mit dem Titel eines Unesco-Weltkulturerbes ausgezeichneten Mauern: Herzog Christoph richtete eine Klosterschule ein, aus der jahrhundertelang der Nachwuchs für die Kirche kam. Maulbronn und Blaubeuren waren sozusagen das Gymnasium, dann ging es ins Tübinger Stift, wo die angehenden Vikare den letzten Schliff erhielten, bevor sie dann als wohlbestallte Pfarrer in Städten und Dörfern auf die Kanzeln stiegen. Manche indes wollten es so weit nicht bringen – und es waren nicht diejenigen, die später als unbedeutend eingestuft wurden. Johannes Kepler, der Astronom, war ebenso Zögling in Maulbronn wie Friedrich Hölderlin, Hermann Hesse oder der Reutlinger realistische Romanschreiber und 1848er-Journalist Hermann Kurz. Die Führerin geleitet die Besucher durch Speisesäle für Mönche und Laienbrüder, erklärt eine Christusfigur in der Klosterkirche nebst den Fenstern, spricht über einen Baustil im Übergang von der Romantik zur Gotik, erläutert den schönen Schalenbrunnen im Garten neben dem Kreuzgang. „Es ist Jahre her, dass ich das letzte Mal hier war“, sagt Margit Herder zu dem ausgedehnten Rundgang, „ich hatte alles viel kleiner in Erinnerung“. Auch Georg Biber und Herbert Langer sind nicht zum ersten Mal in Maulbronn. Doch an dem Ort, der der Legende nach dort gegründet wurde, wo ein Maulesel einer Gruppe von Mönchen, die eine günstige Stätte suchten, auf Wasser stieß, hatten beide „noch keine solche Führung“.

Stammt die Maultasche aus Maulbronn?

Ob diese Geschichte stimmt, ist so sicher nicht, auch anderes mag sich möglicherweise anders verhalten haben. Etwa die Geschichte vom Bruder Jakob, der in der Fastenzeit bei einer Fasnet zu einem Sack mit Fleisch kam. Der gewiefte Bruder schnitt das Fleisch in Stückchen und wickelte Teig drum herum. Dies war nicht nur ein Betrug an Gott, der das Fleisch der fastenden Mönche nicht sehen sollte – es war möglicherweise auch die Geburtsstunde der Maultasche, jedenfalls aus Maulbronner Sicht. Und weil man Traditionen pflegen soll, durften die Teilnehmer Lauchzwiebeln, Spinat und Schinken schneiden, ein Brötchen einweichen, alles kräftig mischen und in Teig hüllen. Innerhalb kürzester Zeit waren 160 Maultaschen fertig, dazu gab es viel gelobten Riesling, Weißherbst oder Lemberger – und für alle ein Maultaschen-Diplom. Die Frage, ob die schwäbische Maultasche wirklich aus Maulbronn stammt, ist nach Expertenmeinung zwar nicht endgültig geklärt, doch was wären alte Mauern ohne schöne Sagen? Schade doch, wenn sich an ihnen nur der Efeu hochrankte.

Am Donnerstag
führt die Sommerferien-aktion zum Radiosender Antenne 1.