Beim Sommerfest des Böblinger Tierschutzheims herrscht am Sonntag reges Interesse. Ein Rundgang durch die Zwinger zeigt: Die Zahl der abgegebenen Hunde und Katzen bleibt hoch. Manche Vierbeiner werden sogar einfach ausgesetzt.

Ruhig ist es in den abgeschlossenen Räumen des Katzenhauses. Abgeschirmt mit Decken können die 15 kleinen und großen Katzen im Böblinger Tierschutzheim licht- und lärmgeschützt den Sonntag entspannt angehen lassen. Wenige Meter entfernt herrscht dagegen sommerliche Hitze und großer Trubel.

 

Der Grund für das bunte Treiben ist das alljährliche Sommerfest des Tierschutzheims. Das Interesse der Besucher – von Katze über Hund bis Kaninchen und Meerschweinen – alle Tiere zu sehen und vielleicht das passende Haustier zu finden, ist groß. „Wir haben immer auch die Hoffnung, dass ein Tier an einen der Besucher vermittelt werden kann. Oftmals klappt das auch“, sagt Tierheimleiterin Vanessa Königseder.

Abgaben oft aus Zeitmangel und Überforderung

Wie viele andere Tierheime in Deutschland hat auch das Böblinger Tierschutzheim – ähnlich dem benachbarten Kreistierheim – immer mehr Vierbeiner zu versorgen, genauer gesagt seit Corona. „Im Verlaufe der Pandemie haben viele gemerkt, dass die Haltung einer Katze oder eines Hundes aufwendig ist. Das haben wohl viele unterschätzt“, erklärt Mitarbeiterin Stefanie Rühle.

Für viele steht bei der Abgabe aber auch der finanzielle Aspekt im Vordergrund. „Die Tierarztkosten sind in die Höhe geschnellt. Ohne entsprechende Krankenversicherung können die Kosten schnell aus dem Ruder laufen. Bei OPs ohne Tier-Krankenversicherung gehen die Summen schnell auch mal in die Tausende“, sagt Rühle – selbst Katzen- und Hundebesitzerin. Selbst den monatlichen Versicherungsbeitrag können und wollen sich viele offenbar nicht mehr leisten. „Die Tierhaltung ist teuerer geworden. Zu Behandlungskosten kommen ja auch noch Futter und Zubehör dazu“, erläutert Rühle.

Manche Tiere werden ausgesetzt

In Fällen, in denen Menschen mit Tieren an ihre Grenzen kommen, könnten sie jederzeit auf Tierheime zugehen, betont Mitarbeiterin Jasmin Traub: „Man kann in Absprache mit uns Tiere abgeben.“ In Absprache bedeute, dass man ein Tier nicht einfach auf der Straße aussetze. Dass Traub das so betont, hat einen ernsten Hintergrund. „Erst vor kurzem hat ein Unbekannter eine Katze in einer Transportbox vor unser Gelände gestellt – in die Sonne. Eine Mitarbeiterin hat die Katze entdeckt.“

Auch die oft kolportierte Geschichte von Hunden, die vor dem Urlaub an einer Raststätte ausgesetzten würden, ist keine Legende: „Leider ist das wahr“, sagt Königseder. Das sei nicht nur herzlos, es sei auch unnötig. Tiere, deren Besitzer im Urlaub, Krankenhaus oder auf längerer Dienstreise sind, können temporär im Tierheim versorgt werden.

Dauerhaft versorgt werden in den Innen- und Außenzwingern des Tierschutzheims derzeit 15 Hunde. Normalerweise beherberge man mehr Vierbeiner. Wegen einer Renovierung seien einige der Hunde aber im Kreistierheim nebenan untergekommen.

Ein Hund ist Dauerbewohner

Ob einer der Sommerfestbesucher Interesse an einem der Hunde entwickelt, wird die Zeit zeigen. Genug Hunde, die auf sich aufmerksam machen und jedes Betreten eines Besuchers mit Bellen quittieren, gibt es. Während Hundewelpen meist in wenigen Wochen vermittelt werden können, ist Bonsai die Dauerbrennerin unter den Bewohnern. Seit drei Jahren lebt die zehnjährige, naturgemäß größer gewachsene Labrador-Kangal-Mix-Hündin in Böblingen. „Wir hatten leider noch keine konkretere Anfrage für sie. Das liegt natürlich auch an der Größe“, erklärt Königseder.

Verlassen kann sich die Tierheimleiterin nicht nur auf ihre Mitarbeitenden. Auch dank zahlreicher Ehrenamtlicher lässt sich der Betrieb trotz ansteigender Versorgungszahlen noch ableisten. „Ehrenamtliche kümmern sich um die Hunde und Katzen. Sie spielen, kuscheln oder gehen mit den Hunden Gassi“, sagt Vanessa Königseder. Angewiesen auf Menschen mit Herz ist das Tierschutzheim auch wirtschaftlich. Als gemeinnütziger Verein finanziert sich die Einrichtung durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.

Ein Fotograf bekommt die Hunde vor die Linse

Möglicherweise ergeben sich durch das Sommerfest neue tierliebe Mitglieder. Auch das ist ein Motiv, für die Öffentlichkeit die Tore zu öffnen: Damit alle an jenem Sonntag auf ihre Kosten kommen, sind nicht nur verschiedene Organisationen wie Peta, die Tierrettung oder Rettet das Huhn mit Infos über ihre Arbeit da. Auch leichtere Anliegen werden bedient. Fotograf José Alcauce zum Beispiel bietet an diesem Tag Foto-Sessions für Hunde wie die Berner Sennenhündin Juna an. Ein paar Kommandos und Leckerlis reichen, um die Vierjährige für ein Foto zu gewinnen. „Ich schieße Fotos, in denen die Hunde in die Kamera schauen. 40 Euro kostet das heute. Alles wird an das Tierschutzheim gespendet“, sagt José Alcauce, der in Böblingen ein Fotoatelier leitet.

Einen weiteren Geldregen erhält das Tierschutzheim durch das Tätowierstudio Mainink aus Gäufelden-Öschelbronn. Ein Teil ihres am Sommerfest eingespielten Erlöses fließt in die Tierheim-Kasse. Und da nach dem Fest, vor dem Fest ist, dürfen die Verantwortlichen schon bald in die Planung des Adventsfests im Dezember gehen.

Tierheime im Kreis Böblingen

Tierschutzheim
 Das Tierschutzheim befindet sich in der Herrenberger Straße 204 in Böblingen. Betrieben wird es vom Tierschutzverein Böblingen. Es finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Mehr Informationen, auch zu vermittelbaren Tieren, gibt es auf der Homepage unter www.boeblinger-tierschutz.de.

Kreistierheim
 Das Kreistierheim wird vom Landkreis Böblingen geführt. Es liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des Tierschutzheim – in der Herrenberger Straße 210. Das Kreistierheim lebt von Spenden, wird aber auch aus öffentlichen Geldern des Kreises finanziert. Auch hier warten unter anderem auch Hunde, Katzen, Kaninchen, aber auch Reptilien auf neue Besitzer. Mehr Informationen, auch zu vermittelbaren Tieren, gibt es auf der Homepage www.kreistierheim-bb.de.