Sommergespräche FDP pocht auf Umfahrung für Leonberg

Am Haldengebiet vorbei, über des Glemstal und die Eisenbahn: So stellen sich die Liberalen eine Umfahrung Leonbergs vor. Foto:  

Der Autoverkehr wird nicht abnehmen, sagt der FDP-Fraktionschef Horst Nebenführ. Eine verkürzte Umgehung könne die Leonberger City und die Stadtteile entlasten.

Leonberg: Thomas K. Slotwinski (slo)

Schon die Beschreibung des Treffpunkts klingt ungewöhnlich: „Wenn Sie von Gebersheim nach Höfingen fahren, ist das in der ersten Kurve nach der langen Geraden, also bevor es über die Brücke geht.“ So lotst Horst Nebenführ den Redakteur zum Ort des Sommergesprächs. Der Chef der Leonberger FDP-Fraktion hat sich ein Feld bei Höfingen ausgesucht, um seine aktuellen Ansichten via Zeitung einem breiteren Publikum vorzustellen.

 

Herr Nebenführ, in 15 Jahren Sommergesprächen kann ich mich nur an einen Termin auf dem Feld erinnern, und der war mit den Grünen.

Da sehen Sie mal, dass die FDP immer für Überraschungen gut ist.

Haben Sie denn auch ein ökologisches Thema zu bieten?

Indirekt schon. Wir möchten die Innenstadt und die Stadtteile von Verkehrslärm und Staus entlasten – mit einer Umgehungsstraße.

Mal davon abgesehen, dass das schon vor sechs Jahren die Freien Wähler drauf hatten, klingt das nicht gerade ökologisch. Alle reden von Bussen und Bahnen, und Sie wollen eine neue Straße bauen.

Der öffentliche Nahverkehr ist ein Großstadtthema. In Leonberg funktioniert das nicht, dafür sind wir zu klein. Wir haben zwar recht gute Verbindungen, aber die werden oft gerade abends nicht angenommen, weil dann die Takte nicht stimmen. Niemand nimmt heute Wartezeiten von bis zu 45 Minuten in Kauf. Bei mir daheim fährt jeden Abend eine leere Linie 651 vorbei, bis Mitternacht im Wohngebiet.

Hier könnte die Straße verlaufen: Horst Nebenführ (links) beim Sommergespräch mit Thomas K. Slotwinski auf einem Feld bei Höfingen Foto: Simon Granville

Das sind Ihre individuellen Eindrücke...

Wir haben schon mehrfach konkrete Zahlen bei der Stadt angefordert. Aber dort wird gemauert.

Die FDP bleibt also eine Autofahrer-Partei?

Nein, ganz und gar nicht. Ich persönlich nehme oft den Bus und erledige in Höfingen fast alles zu Fuß. Aber man muss doch der Realität ins Auge schauen: Alle seriösen Studien besagen, dass der Individualverkehr nicht zurückgehen wird, nur der Anteil der Verbrenner. Der Güterverkehr wird sogar weiter zunehmen, um 17 Prozent bis 2040. Viele Autos, die bei uns unterwegs sind, gehören nicht zum sogenannten Ziel- und Quellverkehr, also dem hausgemachten Verkehrsaufkommen. Das sind Pendler und Ausweichfahrer von den Autobahnen. Gerade in den letzten Tagen war die Stadt wieder öfters zu. Die viel zitierte „Stadt für morgen“, also mit mehr Aufenthalts- und Lebensqualität, kann nur dann Gestalt annehmen, wenn tatsächlich weniger Autos in die Stadt kommen.

Gerade jetzt sind bei Höfingen sogenannte Pförtnerampeln in Betrieb gegangen, die den Verkehr draußen halten sollen, wenn die City voll ist.

Das ist keine nachhaltige Lösung, weil der Verkehr dann eben vor der Stadt steht. Er muss trotzdem durch, aber halt verzögert.

Wie soll denn Ihre Umgebung konkret verlaufen?

Vom Bereich Hasenbrünnele/Strohgäustraße geht es direkt westlich weiter übers Glemstal zur Pforzheimer Straße, dann südwestlich über die Gebersheimer Straße und die Rutesheimer Straße über die S-Bahn hinweg zum Westanschluss. Wer in Leonberg-West abfährt, muss also nicht durch die Stadtmitte. Pendler aus Richtung Westen können Gebersheim und Höfingen vermeiden. So werden diese beiden Ortsmitten entlastet, außerdem der neuralgische Punkt Sonnenkreuzung in der Altstadt.

Wie unterscheidet sich Ihr Plan von jenem, den seinerzeit Johannes Frey von den Freien Wählern entworfen hat?

Der Plan, den Kurt Kindermann und ich gemacht haben, ist eine Fortentwicklung der Gedanken von Johannes Frey, die wir mit ihm auch besprochen haben. Wichtig ist, dass es eine weniger aufwendige Lösung darstellt, insbesondere durch einen deutlich verringerten Landschaftsverbrauch. Es gibt keine teuren Tunnels, sondern Überführungen. Höfingen wird außerdem nicht von Straßen eingekreist.

Letztlich sind alle bisherigen Überlegungen auch am Geld gescheitert.

Bei solch einem wichtigen Projekt halte ich es für sehr angemessen, dass ein bis zwei Millionen Euro aus dem Sondervermögen des Bundes fließen. Damit wir konkrete Zahlen bekommen, haben wir im kommenden Leonberger Haushalt 100 000 Euro für eine Machbarkeitsstudie beantragt. Die Freien Wähler ziehen da mit uns an einem Strang.

Was kann sich die Stadt überhaupt noch leisten?

An den Schulen muss sich etwas tun. Wir haben in absehbarer Zeit einen Bedarf für 1000 zusätzliche Schüler. Wir müssen einen Sporthallen-Neubau wie auch ein Gebäude im Schulzentrum angehen, die künftige Sporthalle im Ezach muss größer werden.

Wer soll das bezahlen?

Wir müssen uns für Public-Private-Partnership-Modelle öffnen, bei denen Investoren in die Finanzierung einsteigen. In vielen Städten funktioniert das schon, und zwar schneller und günstiger. Im Moment nehmen wir vor allem Vorhaben in Angriff, für die es Fördergelder vom Land gibt. Die haben oft einen ideologischen Hintergrund und orientieren sich nicht an den konkreten Interessen der Städte. Die Kommunen müssen von Land und Bund finanziell gut ausgestattet werden, dann brauchen wir überhaupt keine Fördergelder. Dem Investor müssen wir die Chance geben, nach zehn, fünfzehn Jahren das Gebäude anderweitig nutzen zu können, wenn die Schülerzahlen wieder sinken.

Beim Krankenhaus bleibt FDP skeptisch

(Der Rettungshubschrauber Christoph 41 ist am Himmel zu sehen und zu hören).

Das ist Musik in meinen Ohren. Der Rettungshubschrauber ist ein wesentlicher Bestandteil unseres medizinischen Versorgungssystems. Wir werden uns weiterhin für seinen Verbleib engagieren.

Und was ist, wenn Christoph 41 bleibt, aber es kein Krankenhaus mehr gibt?

Das langsame Ausbluten des Krankenhaus macht mir tatsächlich große Sorgen. Die Chefärztin Barbara John hatte die Innere Klinik mit dem Darmzentrum sehr gut etabliert. Sie ist rausgeekelt geworden. Nächstes Opfer der Taktik des Runterfahrens soll die Gynäkologie mit dem hebammengeführten Kreißsaal werden.

Horst Nebenführ zum Krankenhaus Leonberg: „Gefahr des Ausblutens“ Foto: Simon Granville

Der Landrat hat erst jüngst ein Bekenntnis für den Klinikstandort Leonberg abgelegt.

Solchen Worten traue ich schon lange nicht mehr. Der oder die künftige OB muss massiv auf eine Klinik mit Chefärzten und die Realisierung eines Gesundheitscampus drängen.

Apropos OB-Wahl: Die Erste Bürgermeisterin und OB-Kandidatin Josefa von Hohenzollern-Emden gehört Ihrer Partei an, wird aber nicht von der FDP unterstützt. Woran liegt das?

Ursprünglich gab es den Plan, dass die Fraktionen des Gemeinderates einen gemeinsamen Kandidaten präsentieren. Das hatte ich Frau von Hohenzollern-Emden auch so kommuniziert. Dann war lange nichts zu hören, bis im Juni die CDU und die Freien Wähler Tobias Degode als gemeinsamen Bewerber nominiert hatten. Damit war der Plan eines fraktionsübergreifenden Bewerbers nicht aufgegangen. Deshalb unterstützten wir auch keine Einzelperson.

Der auch juristisch geführte Streit zwischen der Ersten Bürgermeisterin und ihrem Chef, dem amtierenden Oberbürgermeister Martin Georg Cohn, spielt keine Rolle?

Das ist insgesamt eine ungute Situation. Da Herr Cohn über den Rechtsstreit nur äußerst einseitig informiert, können wir ihn nicht beurteilen.

Wie bewerten Sie die achtjährige Amtszeit des OB?

In der gerade angesprochenen Auseinandersetzung hat er klares Fehlverhalten gezeigt. Aber er hat auch einige interessante Impulse gegeben. Ich persönlich fand seine Idee, das Bürgeramt und die Stadtbücherei ins Leo-Center zu verlegen, durchaus gut. Auf der anderen Seite gab es völlig abstruse Vorschläge, wie der einer Seilbahn. Insgesamt hat Cohn sehr eigenmächtig gehandelt und dabei die starke Stellung des Amtes ausgenutzt. In Baden-Württemberg ist ein OB fast königsgleich. Man kann ihn auch nicht abwählen. Da sollten wir schon mehr Demokratie wagen.

Das ist ein Zitat von Willy Brandt. Ein guter Anlass, einen Blick auf die Bundespolitik zu werfen, in der die FDP keine Rolle mehr spielt.

Für uns an der Basis hat das Ausscheiden aus dem Bundestag nicht so viel verändert, wir haben sogar Leute hinzugewonnen. Zuletzt wurde unsere Partei nur noch mit Christian Lindners Schuldenbremse in Verbindung gebracht. Dabei ist die FDP viel mehr: eine Partei der Freiheit, der Bürgerrechte und der Marktwirtschaft in der Tradition von Gerhart Baum. Es gibt heute in allen Bereichen zu viel staatliche Regulierungen. Wir müssen auch mehr Freiheit wagen.

Sommergespräche

Horst Nebenführ
ist 68, verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Der FDP trat der Diplom-Physiker 2016 bei, „um den Populisten auf beiden Seiten des Atlantiks etwas entgegen zu halten“. Seit der Kommunalwahl 2024 steht er der FDP-Fraktion im Leonberger Gemeinderat vor. Der Höfinger ist Chef einer IT-Firma.

Serie
Immer in den großen Ferien unterhalten wir uns mit Leonberger Kommunalpolitikern. Den Ort des Gesprächs bestimmen sie.

Weitere Themen