CDU-Fraktionschefin Elke Staubach und Susanne Kogel sorgen sich um die Zukunft des Einzelhandels und Wohnraum für mittlere Einkommensgruppen.

Bevor an die Stadt für morgen gedacht wird, sollte erst einmal die Stadt für Menschen von heute im Mittelpunkt der Kommunalpolitik stehen. Dies ist die Kernbotschaft der Leonberger CDU-Fraktionschefin Elke Staubach und ihrer Fraktionskollegin Susanne Kogel im Sommergespräch mit unserer Zeitung.

 

Frau Staubach, Frau Kogel, wir stehen hier mitten im Ezach zwischen zwei Kindergärten, dem Ökumenischen Zentrum (ÖZE) und der Sophie-Scholl-Schule. Gefällt Ihnen dieser Ort besonders?

Staubach: Das hat weniger mit gefallen zu tun. Es ist vielmehr ein exemplarischer Ort, an dem nichts passiert. Hier soll ein großer Bildungscampus entstehen. Gekauft hat die Stadt das ÖZE vor drei Jahren, geschehen ist nichts.

Kogel: Noch nicht einmal ein paar Handwerker sind zu sehen, es ist ein großes Vakuum.

Was ist denn mit dem Bildungscampus gemeint?

Staubach: Hier soll ein großer Kindergarten entstehen, die Sophie-Scholl-Schule muss 2026 zur Ganztagsgrundschule werden und eine Mensa erhalten. Auch neue Wohnungen sind geplant. All das soll ineinander übergreifen. Und die Stadt hätte auch Ende 2019 sofort loslegen können. Mit der Kirche als Träger des Ökumenischen Zentrums war alles abgestimmt. Stattdessen drehen wir uns im Kreis. Auch weil es Einwände aus der Nachbarschaft gibt. Die werden im Rathaus offenbar wichtiger genommen als das Gesamtprojekt.

15 Millionen Euro für die „Stadt für morgen“

Bei der Stadtverwaltung gibt es große Personalengpässe. Liegt es daran?

Kogel: Wie groß die Personalprobleme sind, das können wir nicht beurteilen. Aber anscheinend fehlen Leute, um die Alltagsaufgaben zu erledigen.

Staubach: Der Oberbürgermeister spricht immer von der „Stadt für morgen“. Wir aber sagen, dass die „Stadt für Menschen“ gestaltet werden muss. Und das es sind nun einmal die aktuellen Aufgaben, die nicht erledigt werden. Das nicht vorankommende Ezach-Vorhaben ist symptomatisch für viele Projekte, etwa die Erweiterung der Grundschule Gebersheim sowie der Neubau der Grundschule Warmbronn. In der Betreuung und Bildung klemmt es an allen Ecken und Enden.

Sie stehen dem Projekt „Stadt für morgen“ also skeptisch gegenüber?

Staubach: Wir sagen, dass erst die Hausaufgaben von heute gemacht werden müssen. Für die „Stadt von morgen“ ist die gewaltige Summe von 15 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt. Es gibt zwar viele Landeszuschüsse, aber die Hälfte der 15 Millionen bleibt an Leonberg hängen. Geld und Personal das woanders fehlt. Interessanterweise wird die vom OB ins Leben gerufene Stabsstelle für Mobilität immer größer, während in anderen Ämtern dringend Leute benötigt werden.

Kogel: Auch bei den beschlossenen Wohnquartieren an der Berliner Straße und im Unteren Schützenrain bewegt sich nichts. Da brauchen wir über neue Kindergärten erst gar nicht zu reden.

Auch vom Postareal ist nichts mehr zu hören.

Kogel: Leonberg liegt unter einer großen Vakuum-Glocke.

Bei allen Problemen mit fehlenden Kitas und Schulen: Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist eines der zentralen Probleme von heute.

Kogel: Genau. Und deshalb sind einige von uns auch dafür, dass der Bereich der alten Schuhfabrik für Wohnraum genutzt wird. Wer das aber sagt, macht sich sofort unbeliebt, weil er angeblich gegen Kultur ist. Aber Man muss doch ehrlicherweise feststellen, dass das Gebäude völlig kaputt ist, vom fehlenden Brandschutz ganz zu schweigen. Da sind doch gar keine öffentlichen Veranstaltungen möglich. Deshalb ist es falsch, da jetzt tröpfchenweise Geld hineinzupumpen. Da gibt es wichtigere Vorhaben, die mehr Menschen betreffen.

Staubach: Beim Thema Wohnraum ist es wichtig, an die Normalverdiener zu denken: Angestellte im Handel, Facharbeiter, Klinik- und Pflegepersonal: Die halten unseren Laden am laufen. Aber wo sollen all diese Menschen wohnen? Auch das ist eine zentrale Aufgabe der „Stadt für heute“.

Die Autos stauen sich in den Ortsteilen

Liegt die Zähigkeit bei der Umsetzung von Projekten nicht auch daran, dass im Gemeinderat viel zerredet wird?

Staubach: Im jetzigen Gemeinderat setzt jede Fraktion unterschiedliche Schwerpunkte und will diese möglichst durchsetzen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Prozesse. Aber ein Grund für die Langwierigkeit liegt auch in der fehlenden Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung.

Kogel: Dass der Oberbürgermeister Aufgaben in neu geschaffene Referate verlegt, macht es nicht leichter.

Muss Martin Georg Cohn nicht auch intern neue Wege gehen, um seine Vision einer verkehrsarmen Stadt zu realisieren?

Staubach: Herr Cohn hat im OB-Wahlkampf versprochen, die Verkehrsprobleme der Stadt zu lösen. Ob aber die jetzt in Rede stehenden Maßnahmen für die gesamte Stadt gut sind, ist zu bezweifeln. Wenn zum Beispiel Pförtnerampeln die Zufahrt ins Zentrum verhindern, stauen sich die Autos in den Ortsteilen. Das scheint man den Menschen in Gebersheim und Höfingen zumuten zu wollen. Eine nach wie vor im Gespräch befindliche Umfahrung von Heimerdingen könnte gerade für diese beiden Stadtteile Entlastung bringen. Doch davon will man im Rathaus anscheinend nichts wissen.

Kogel: Und was eine Reduzierung der Achsen in der Innenstadt betrifft: Es tut mir weh, wenn ich mir vorstelle, dass der sehr gute Belag in der Eltinger Straße und in der Brennerstraße einfach herausgerissen werden soll. Damit würde eine funktionierende Infrastruktur zerstört. Da ist es besser und billiger, man stellt große Blumenkübel auf die stillgelegten Spuren, dann wäre für die Zukunft nichts verloren und es kostet weniger. Zudem könnte im realen Betrieb das Ergebnis erprobt werden.

Die Grünen, im Gemeinderat die größte Fraktion, unterstützen den OB bei seinem Kurs.

Kogel: Tatsächlich ziehen bei Grundsatzthemen der OB und eine grün-rote Mehrheit ihre Linie durch. Das sieht man auch an den Stellen für Fahrrad- und Klimabeauftragte oder der wachsenden Mobilitätsstabsstelle. Wenn es hart auf hart kommt, sind die bürgerlichen Fraktionen in der Minderheit.

Zumindest eine Gemeinsamkeit scheint es zu geben: Ein ungebremstes Wachstum halten zumindest im Moment sowohl die Grünen als auch Sie für schwierig

Staubach: Um zu wachsen, braucht man eine funktionierende Nahversorgung. Die ist aber jetzt schon problematisch, wenn man sich das Leo-Center anschaut. Der Leerstand wird immer größer, auch weil die Mieten offenbar steigen. Man fühlt sich als Kundin nicht mehr wohl.

Kogel: Sollte das Leo-Center anfangen zu sterben, dann macht das was mit ganz Leonberg.

Das Postareal als Brückenschlag zwischen Altstadt und neuer Stadtmitte könnte neuen Schwung bringen.

Staubach: Aber was ist, wenn das Postareal nicht kommt? Und dann noch die Pförtnerampeln, die die Leute aus der Stadt raushalten. Die fahren dann doch gleich ins Breuningerland, wo man zudem kostenlos parken kann.

Kogel: Jetzt rächt sich, dass die Stadt vor mehr als 50 Jahren die Hoheit über die Nahversorgung an ein gewinnorientiertes Unternehmen abgegeben hat.

Staubach: Der Online-Handel kommt erschwerend hinzu, was wiederum die Verkehrssituation und die Umwelt durch die vielen Lieferwagen belastet.

CDU Leonberg ist für den Verbleib von Christoph 41

In der Diskussion um den Rettungshubschrauber Christoph 41 ist neben dem Grünen-Abgeordneten Peter Seimer auch Ihre Abgeordnete Sabine Kurtz auffällig ruhig.

Staubach: Die grün-schwarze Landesregierung hat das Gutachten zur Luftrettung in Auftrag gegeben und muss natürlich die Belange des gesamten Landes im Blick haben. Die Luftrettung wird von den Krankenkassen nach ihrem Einsatz pro Minute bezahlt. Die Zahl der gefährdeten Menschenleben bleibt da außen vor. Hier sind viele Akteure gefragt.

Ist das nicht sehr zynisch?

Staubach: Fakt ist, dass der Standort Leonberg bitter benötigt wird. Der Verkehr in der Region nimmt zu statt ab. Die Leonberger CDU ist deshalb für den Erhalt des Standorts an unserem Krankenhaus. Was nicht bedeutet, dass im Bereich Reutlingen nicht ein weiterer Helikopter stationiert werden kann.

Wie definieren Sie Ihr Verhältnis zum Oberbürgermeister?

Staubach: An der Stadtspitze scheint nicht alles rundzulaufen. Das hinterfragen wir kritisch, und das ist auch unsere Aufgabe. Es gibt nicht umsonst eine Dezernatsaufteilung, aber man nimmt weder die Erste Bürgermeisterin Josefa Schmid noch den Baubürgermeister Klaus Brenner öffentlich wahr. Aber keiner ist allwissend. Die CDU-Fraktion besteht ja auch nicht nur aus Elke Staubach.

Kogel: Ein Oberbürgermeister einer Stadt mit 800 Mitarbeitern muss delegieren. Einer allein kann die Stadt nicht führen. Das schafft niemand.