Zugfahren kann schweißtreibend sein. Doch die Deutsche Bahn hat die vormals massiven Probleme mit den Klimaanlagen besser im Griff.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin/Stuttgart - Martin Ebert (Name von der Redaktion geändert) pendelt seit 2003 beruflich von Stuttgart nach Heidelberg. Zurzeit findet er die Bahnfahrten besonders anstrengend: Ebert schätzt, dass mindestens in 80 Prozent der Züge auf seiner Strecke ein oder mehrere Wagen wegen des Ausfalls der Klimaanlage gesperrt sind. Am schlimmsten war es jedoch, als er kürzlich mit einem Interregio-Express von Stuttgart nach Mössingen fuhr: Die Reisenden standen dicht gedrängt, die Klimaanlage funktionierte kein bisschen – und gefühlt war es deutlich über 40 Grad Celsius heiß. Entsprechend erleichtert war Ebert, als er aussteigen konnte.

 

Bahnreisende erleben in dieser Hitzeperiode immer wieder, dass ganze Wagen von Zugbegleitern geräumt und geschlossen werden, weil die Klimaanlagen streiken. Die Temperaturen im Inneren werden rasch unerträglich, weil die Sonne die Fahrzeuge aufheizt und sich in den ICE auch keine Fenster öffnen lassen. Vor allem in überfüllten Zügen kann die Fahrt ohne Sitzplatz zur Qual werden.Allen Klagen zum Trotz verbreitet die Deutsche Bahn gute Nachrichten: Der Zugverkehr laufe „weitgehend stabil“, betonte ein Sprecher des Konzerns. In den ICE- und IC-Zügen funktionieren demnach „weit über 90 Prozent der Klimaanlagen“. Das bedeutet allerdings auch: Bei rund 3500 klimatisierten Wagen, die jeweils eine eigene Anlage haben, können an heißen Tagen schon mal mehr als 100 Abteile bei Ausfällen der Technik zur unerwünschten Sauna werden.

Pro Bahn: Konzern hat die Probleme jetzt viel besser im Griff

„Das sind immer Ärgernisse, aber im Vergleich zu früher hat die DB die Probleme inzwischen viel besser im Griff“, verteidigt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn den Staatskonzern. Tatsächlich hat die Bahn in den vergangenen Jahren viel unternommen, um Züge und Gleistechnik fit für die Sommerhitze zu machen. Aus gutem Grund: Vor acht Jahren führten der Kreislaufkollaps von zahlreichen Fahrgästen in völlig überhitzten Zügen sogar zu Ermittlungsverfahren gegen die DB-Spitze und Zugbegleiter wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Die „Sauna-ICE“ brachten den damaligen Bahn-Chef Rüdiger Grube schon bald nach seinem Amtsantritt schwer unter Druck. Auch die Bundesregierung, das Parlament und die Bahn-Aufsicht forderten damals Aufklärung, nachdem beim schlimmsten Vorfall am 10. Juli 2010 die Fahrt des ICE 846 Berlin–Köln vorzeitig in Bielefeld geendet war. Nach dem Ausfall der Klimaanlage und der Lüftung war die Temperatur in den Wagen stark angestiegen. 35 Fahrgäste wurden leicht verletzt, neun Schwerletzte mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, darunter viele Schüler.

So etwas will der amtierende Bahn-Chef Richard Lutz, der seit Jahrzehnten beim Konzern arbeitet, nicht noch einmal erleben. Nach dem Klimadebakel wurde die anfällige Technik in den ICE-Zügen modernisiert, deren Wartung der Konzern zuvor lange vernachlässigt hatte. Interne Protokolle zeigten damals, dass zum Beispiel Klimaanlagen der 44 ICE-2-Züge schon unter dem früheren DB-Chef Hartmut Mehdorn über Jahre hinweg häufig ausgefallen waren und die eingebaute Kühlung auch nur bis 32 Grad Außentemperatur funktionierte.

Mitarbeiter werden besser geschult

Ein Schaffner meldete damals innerhalb eines Jahres allein 30 defekte Klimaanlagen in seinen Zügen weiter. Trotzdem wurden die Anlagen nicht ersetzt, sondern nur immer wieder repariert. Erst nach dem Kollaps der Fahrgäste brachte die neue DB-Spitze mit den Klimatechnik-Experten der Firma Liebherr ein Maßnahmenpaket auf den Weg. Seit einigen Jahren sind nun die Anlagen der älteren ICE-Flotte auf Temperaturen bis zu 40 Grad ausgelegt. In den neuen Zügen soll die Klimatisierung sogar bis 45 Grad Außentemperatur funktionieren. Bisher haben der ICE 4, der Intercity 2 und die ICE-3-Baureihe 407 den Härtetest offensichtlich bestanden. „Die Zuverlässigkeit der Klimaanlagen dieser Züge erreicht 99 Prozent“, betont der DB-Sprecher. Im Schnitt nimmt der Konzern in den nächsten Jahren alle zwei Wochen einen neuen Fernzug in Betrieb. Dadurch soll das Angebot zuverlässiger werden und sich die Zahl der Ausfälle verringern. Wegen der anhaltenden Hitze hat der Konzern zusätzliche Maßnahmen ergriffen. So wurde das Zugpersonal nochmals informiert, was bei Ausfällen der Klimaanlagen zu tun ist: Die Mitarbeiter sollen Trinkwasser verteilen, Reisende in kühlere Wagen bringen und überhitzte Wagen räumen. An zwölf Bahnhöfen wurden die Wasservorräte aufgestockt; abgestellte Züge werden weiter gekühlt, um das Aufheizen zu vermeiden. Zudem achten die DB-Mitarbeiter darauf, dass Türen rascher geschlossen werden, damit die Hitze draußen bleibt. Für Problemfälle halten sich zusätzliche Zugbegleiter und Triebfahrzeugführer sowie Personal in den Werken bereit.

Perfekt ist die Technik dennoch nicht

„Die zahlreichen Maßnahmen, um Züge und Gleistechnik fit für die Sommerhitze zu machen, als auch der aktuelle Einsatz der DB-Mitarbeiter an Bord, auf den Bahnhöfen, in den Leitstellen und in den Werken haben sich bislang ausgezahlt“, heißt es bei der Bahn. Die Anzahl von hitzebedingten Ausfällen von Klimaanlagen oder sonstiger Fahrzeugkomponenten sei derzeit zwar leicht erhöht, auffällige Häufungen oder größere Beeinträchtigungen der Fahrgäste habe man bislang jedoch nicht festgestellt. Die Leit- und Steuerungstechnik halte den hohen Belastungen ebenfalls stand.

Perfekt ist die Technik natürlich dennoch nicht, Pannen lassen sich nicht ganz vermeiden – sei es im innerdeutschen oder im internationalen Bahnverkehr. So fielen zu Wochenanfang im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Frankfurt, Amsterdam und Brüssel einige ICE der Baureihe 406 aus. Da nur diese Fahrzeuge in mehreren Ländern fahren können, fehlt Ersatz, weshalb die Verbindungen in Köln enden und sich wegen des Umsteigens die Fahrzeiten deutlich verlängern. Der Konzern empfiehlt, sich vor der Fahrt auf Bahn.de zu informieren – was für Zugreisende ohnehin immer ein guter Tipp ist.