Sommerinterview FDP-Fraktionschef für mehr Direktdemokratie
Mit Hilfe eines Volksbegehrens will die FDP ein für sie wichtiges Anliegen durchsetzen: die Verkleinerung des Landtags. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärt, warum.
Mit Hilfe eines Volksbegehrens will die FDP ein für sie wichtiges Anliegen durchsetzen: die Verkleinerung des Landtags. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärt, warum.
Es ist ein für Parlamentarier eher ungewöhnliches Unterfangen, für das sich FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke seit einiger Zeit einsetzt. Mit Hilfe einer Gesetzesänderung will er eine Aufblähung des Landtags verhindern, was auch Parteikollegen ihre Sitze im Parlament kosten könnte. Nachdem er mit der Idee im Parlament gescheitert und ein eigenes Volksbegehren der FDP vom Innenminister abgelehnt wurde, schließt sich seine Partei nun dem Volksbegehren eines Privatmannes aus Ditzingen an. Versucht die Opposition den parlamentarischen Prozess zu umgehen?
„Es wäre naiv, plebiszitäre Möglichkeiten nicht zu nutzen, nur weil wir im Parlament vertreten sind“, sagte Rülke unserer Zeitung bei einem Gespräch vor sommerlicher Kulisse im Schlossgarten. „Zu glauben, Politik aus der Opposition funktioniere in relevanter Weise über die parlamentarische Debatte, ist eine naive Sichtweise. Wenn die Regierung merkt, es entsteht Druck aus der Bevölkerung, bewegt sie sich. Das haben wir gerade beim Thema G9 gesehen.“
Das aktuelle, auf den Landtag ausgerichtete Volksbegehren soll die Zahl der Wahlkreise im Land auf 38 verringern und die Sitze im Landtag begrenzen. Denn nach der jüngsten Wahlrechtsänderung, die ab 2026 ein Zweistimmenwahlrecht auch im Land vorsieht, befürchtet die FDP einen deutlich größeren Landtag als bisher. Die Partei sieht sich durch eine Umfrage bestätigt, in der sich 66 Prozent für eine Veränderung des Wahlrechts aussprechen, damit der Landtag nicht noch größer wird. Mit der Idee würden aber vor allem Parteien wie CDU und Grüne, die viele Direktmandate haben, Federn lassen.
Mit Hilfe von Volksanträgen und Volksbegehren kann der Landtag dazu gebracht werden, sich mit Gesetzesvorhaben zu beschäftigen. 2013 hatte die grün-rote Landesregierung gemeinsam mit CDU und FDP die Hürden dafür gesenkt.
Doch die Regeln gehören nach Ansicht von Rülke weiter überarbeitet. „Ich bin mir mit der früheren Staatsrätin Gisela Erler einig, dass die Regeln zu kompliziert sind. Zu viel kann beispielsweise mit dem Argument, dass Volksbegehren haushaltsrelevant sind, ausgebremst werden.“ Außerdem hält der FDP-Fraktionschef es für falsch, dass der Innenminister über die Zulassung von Volksbegehren entscheidet. „Vielleicht sollte man das gleich Gerichten überlassen.“
Das Volksbegehren der FDP war vom Innenministerium als verfassungswidrig abgelehnt worden. Die Argumentation sei „windig“, sagte Rülke. „Deshalb ziehen wir dagegen auch vor Gericht.“
Aber Rülke sieht noch weitere Mankos. Auch die Hürde von rund 770 000 Unterschriften für ein Volksbegehren sei zu hoch für private Initiativen. Die Initiative „Landtag verkleinern“ sei deshalb zur FDP gekommen, um sich die Unterstützung bei der Unterschriftensammlung zu holen.
Er habe allerdings keine Hoffnung an den Regeln noch in dieser Legislaturperiode etwas zu ändern, sagte Rülke. „Dafür wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Das gehen wir nach der nächsten Landtagswahl an.“
Rülke ist ein scharfer Kritiker und lässt kein gutes Haar an der „Politik des Gehörtwerdens“, die eine hohe Bürgerbeteiligung ohne Entscheidungsmacht vorsieht. Er selbst ist aber für mehr plebiszitäre Elemente. „Dazu gehört auch die Direktwahl der Landräte. Das war mit dem grünen Ministerpräsidenten in dieser Legislatur nicht zu machen.“ In Baden-Württemberg werden die Landräte im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern von den Kreistagen gewählt.
Im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl 2026 würde Rülke auch das Kommunalwahlrecht auf den Prüfstand stellen. Angesichts der Zersplitterung vieler Gemeinderäte wäre er in einem ersten Schritt für eine Hürde von drei Prozent. „Erst im zweiten Schritt würde ich über das Zählverfahren nachdenken.“ Das wäre zwar nicht sein Wunsch, betonte Rülke. Aber: „So wie es ist, kann es nicht weitergehen.“
Kürzlich war Rülke vom Parteivorstand als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026 vorgeschlagen worden. Von der Partei gekürt wird er wohl bei einem Parteitag im Juli. Er bringt sich inzwischen immer sichtbarer mit CDU-Landeschef Manuel Hagel in Position. „Ich glaube, dass wir eine realistische Chance auf eine schwarz-gelbe Mehrheit haben für die nächste Landtagswahl“, sagte Rülke. „Sollte das nicht reichen, werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Deutschlandkoalition kommen.“
Weniger Wahlkreise
Der Gesetzentwurf, für den die Bürger bei dem von Dieter Distler aus Bietigheim-Bissingen gestarteten Volksbegehren unterschreiben, sieht vor, die Zahl der Wahlkreise von 70 auf 38 zu verringern. Damit werden stehen weniger Direktmandate zur Wahl.
Weniger Abgeordnete
Damit aber auch die Zahl der Abgeordneten sinkt, sieht der Entwurf vor, die Sollgröße des Landtags, die jetzt bei 120 liegt, auf 68 reduzieren. Distler geht davon aus, dass sich durch Überhang- und Ausgleichsmandate die Zahl ohnehin wieder auf 100 bis 120 erhöhen wird. Das Ziel, so schreibt seine Initiative auf ihrer Webseite: unter 120 Sitze.
Weiterer Zeitplan Im Juni wurde das Volksbegehren zugelassen, ab 12. August startet die Unterschriftensammlung. Es müssen 770 000 Unterschriften gesammelt werden. Anschließend wird das Gesetz dem Landtag zur Abstimmung gegeben, lehnt das Parlament ab, kommt es zur Volksabstimmung.