Der Rennsport ist ein Virus, das Werner Eisele nie los geworden ist. Der 76-Jährige hat die Legenden auf und neben der Strecke fotografiert: Nicki Lauda, James Hunt und Jimmy Clark. Alles fing für ihn mit einer Radfahrt zum Porsche-Werk in Zuffenhausen an – und mit hundert Mark Honorar.

Stuttgart - Manche Menschen leben in ungewöhnlichen Verhältnissen. Boris Becker lässt sich gerne damit zitieren, dass der Centre-Court von Wimbledon sein Wohnzimmer sei. Bei Werner Eisele fällt die Angelegenheit noch üppiger aus: Das Porsche-Museum sei sein zweites Wohnzimmer, erzählt der 76-Jährige, bevor er zum Rundgang aufbricht. Im Museum steht kein Rennwagen, zu dem Werner Eisele nicht eine Geschichte einfallen würde. Über Jahrzehnte hinweg hat er den Formel-1-Zirkus fotografiert. Viele seiner Bilder prägen unser heutiges Bild vom Rennsportgeschehen – weil sie nicht nur Karosserien zeigen, sondern Menschen. Eisele hat mit Fahrern Freundschaften geschlossen – und bei einigen ihren Tod auf der Rennstrecke dokumentiert.
Herr Eisele, Sie begleiten die Formel 1 und die Sportwagenrennen seit den 1960er Jahren, aber wenn Sie über den Motorsport reden, schwingt noch heute die frische Begeisterung eines Kindes mit.
Ich bin vom Rennsport mindestens genauso fasziniert wie damals. Wenn Formel-1-Rennen stattfinden, sage ich Termine ab und sitze mit meiner Frau vor dem Fernseher. Ich akkreditiere mich ab und zu noch für ein oder zwei Rennen, beispielsweise in Monte Carlo. Dabei fotografiere ich auch für ein neues Buch.
Wann hat Sie das Rennsport-Virus befallen?
Als Kind habe ich mich für die Porsches und andere Rennwagen in Autofachzeitschriften begeistert. Eines Tages fasste ich den Entschluss: Die will ich im Original sehen! Ich bin in Bad Cannstatt groß geworden. Von dort aus fuhr ich mit dem Rad nach Zuffenhausen ins Porsche Werk 1. An der Pforte zeigte ich eine Alu-Vesperdose vor und behauptete, dass ich meinem Onkel dessen Vesper vorbeibringen wollte.
Mit der Nummer sind Sie durchgekommen?
Der Pförtner hat mich nicht mal nach dem Namen meines Onkels gefragt. Er sagte nur: „Weißt du, wo der schafft?“ Ich deutete auf eines der Backsteingebäude. Dort habe ich zum ersten Mal einen echten Porsche-Werksrennwagen gesehen.
Wie kam es dazu, dass Sie mit der Kamera dem Rennsport ein Gesicht gaben?
Ich machte eine Ausbildung zum Fotografen und war mit der Kamera auch bei Rennen dabei. Eines Tages lernte ich Huschke von Hanstein kennen, den Motorsportchef von Porsche. Er sagte: „Kommen Sie am nächsten Tag bei mir vorbei und zeigen Sie mir die Bilder!“ Als er am anderen Tag meine Fotos ansah und wieder aus seinem Büro kam, ging für mich ein Traum in Erfüllung: „Junger Mann, die Fotos sind gekauft!“ Ich erhielt mein erstes Honorar. Unfassbar: hundert Mark.
Heute wirkt die Formel 1 oft klinisch rein, die meisten Fahrer besitzen ein Saubermann-Image.
Davon konnte früher keine Rede sein. Ich habe den ersten Whisky meines Lebens mit dem Rennfahrer James Hunt getrunken – auf einer Yacht von Goodyear vor Monte Carlo. Er kam mit zwei Gläsern auf mich zu und schenkte gut ein. Während wir uns über die Strecke unterhielten und ich noch beim ersten Whisky war, hatte er schon den dritten getrunken.
Klingt wie im Kino: schnelle Autos, schöne Frauen. Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll.
Und so war es auch. Im Kinofilm „Rush“ wurden James Hunt und Niki Lauda ja als Gegner inszeniert, aber in Wahrheit waren sie keine Gegner, sondern unsichtbare Freunde. Niki Lauda hat geschaut, dass der Hunt nicht zu viel raucht und trinkt. Hunt ist bei den Trainingsfahrten in Monte Carlo aus dem Rennwagen ausgestiegen, hat zwei Zigaretten geraucht, ein Bier getrunken und ist dann weitergefahren.