Bundespolitik spielt sich nicht nur im Reichstag ab. Sie hat auch Nebenbühnen. Unsere Berliner Korrespondenten stellen Schauplätze des politischen Alltagsbetriebs vor, von denen zwar oft die Rede ist, die aber kaum einer kennt: Orte, an denen Entscheidungen vorbereitet oder präsentiert werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der geheimste Ort im Berliner Regierungsviertel verbirgt sich hinter dem Türschild U1 215. Gewöhnliche Besucher bekommen nicht einmal das Türschild zu sehen, geschweige denn die Räume, die sich dahinter verbergen. Sie befinden sich im Souterrain des Jakob-Kaiser-Hauses. Das ist eines der drei Gebäude, in denen die Bundestagsabgeordneten ihre Büros haben. Es liegt zwischen dem Reichstag und der Wilhelmstraße, an der schon zu preußischen Zeiten die wichtigsten Ministerien angesiedelt waren.

 

Wo Geheimdienste kontrolliert werden

U1 215 ist der Arbeitsplatz einer Institution, die zuletzt ziemlich oft im Rampenlicht stand, obwohl die Öffentlichkeit stets ausgeschlossen bleibt: des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGR). Alle zwei Wochen – im Falle unverhoffter Skandale häufiger – treffen sich neun Parlamentarier, die mit der Kontrolle der Geheimdienste betraut sind. Gleich zwei Abgeordnete aus Baden-Württemberg gehören dazu: Clemens Binninger und Armin Schuster (beide CDU). Ihr Sitzungssaal liegt in einem langen, kahlen Betonflur, der die Bundestagskantine mit dem Reichstagsgebäude verbindet. Eine Fotogalerie an der unverputzten Wand verstärkt noch die triste Atmosphäre. Sämtliche Bilder zeigen menschenleere Szenerien.

Vis-à-vis dieses öden Panoptikums befindet sich eine Stahltür, die mit drei Schlössern gesichert ist. Selbst wenn sie nicht abgeschlossen sind, kann man sie nur mit Magnetkarte passieren. Besichtigungen der Räumlichkeiten sind nicht möglich. Hinter der Stahltür eröffnet sich eine Welt, von der selbst die Spione der National Security Agency (NSA) kaum etwas mitbekommen. U1 215 gilt als abhörsicher. Handys haben in dem Bunker keinen Empfang. Obwohl sie nutzlos sind, müssen sie beim Betreten abgegeben werden. Denn Sitzungen könnten auch mit einem Gerät ausgespäht werden, das nicht zum Telefonieren taugt. Dazu müsste das Mobiltelefon nur so manipuliert sein, dass sich mittels eines Trojaners die Memo-App ansteuern lässt. So könnten Agenten aufzeichnen und zeitverzögert belauschen, was in dem abhörsicheren Raum besprochen wird. Deshalb haben die Geheimdienst-Kontrolleure nur ohne Handy Zutritt. Sie müssen während ihrer Sitzungen auch auf Kaffee und Häppchen verzichten. Servicepersonal des Bundestags-Caterings darf den Raum nicht betreten.

Handys und Kaffee sind tabu

In dem abgeschirmten Saal haben 30 Leute Platz. Neben den Abgeordneten kommen regelmäßig führende Beamte des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes und des Verfassungsschutzes. Für vertrauliche Gespräche in kleiner Runde gibt es bequeme Ledersessel in einem Foyer. Alles ist mit Kunstlicht beleuchtet. Fenster gibt es hier nicht. Ungeachtet aller technischen Vorkehrungen bleibt aber nicht alles geheim, was hier besprochen wird. Obwohl das Gesetz es vorschreibt. Gegen Indiskretionen schützt auch ein abhörsicherer Saal nicht.