Kleine Zeitreise gefällig? Die Venezianer Ludwigsburg verkleiden sich gerne als Adelige und feine Hofdamen. Bei Schlossfesten, Opern und nicht zuletzt bei der Venezianischen Messe in Ludwigsburg versetzen sie die Besucher zurück ins 18. Jahrhundert.

Ludwigsburg - Schneeweiße Perücken, breite Reifröcke, lange elegante Kleider und mysteriöse Masken: Wenn die Mitglieder des Vereins Venezianer Ludwigsburg Herzog Carl Eugen 1767 durch die Stadt ziehen, dann sind sie ein Hingucker. „Wir wollen das alte Venedig und die prachtvolle Residenz Ludwigsburg in vielfacher, fantasievoller Form wieder lebendig machen“, heißt es auf der Internetseite des Vereins.

 

In eigens angefertigten historischen Kostümen, welche die Zeit um Herzog Karl Eugen wieder aufleben lassen, flanieren oder tanzen die Mitglieder des Vereins bei Schlosseröffnungen, italienischen Opernabenden, auf Pferdemärkten in der Region oder beim Lichterfest in Schwetzingen. „Das ist für uns jedes Mal ein Highlight, wenn wir mit unseren Kostümen durch das erleuchtete Schwetzinger Schloss flanieren können“, sagt Karin Kathmann, die Vorsitzende.

Bis vor einigen Jahren fuhren die Vereinsmitglieder auch regelmäßig nach Venedig zum dortigen Karneval. „In den eigenen Kostümen beim Karneval in Venedig mitzumachen, das muss was Besonderes gewesen sein“, sagt Kathmann – die erst später zum Verein kam und daher noch keine Gelegenheit hatte, mit den Venezianern nach Italien zu reisen. „Aber ich denke, wir haben hier gute Alternativen“, sagt sie. „Vor allem, seitdem die Venezianische Messe wieder in Ludwigsburg stattfindet.“ Auf Initiative der Venezianer hin, die sich 1991 gegründet haben, feierte die Stadt im Jahr 1993 erstmals wieder eine Venezianische Messe. Eine Tradition, die der Herzog Carl Eugen von einer Italienreise 1768 nach Ludwigsburg gebracht hatte, und die bis 1775 regelmäßig stattfand.

Theater und Tanz gehören mit dazu

Etwa Tausend Kostümierte aus ganz Deutschland reisen alle zwei Jahre zu dem mehrtägigen Festival nach Ludwigsburg. „Wir transportieren damit die Atmosphäre des Markusplatzes in Venedig auf den Marktplatz in Ludwigsburg“, sagt Kathmann. Und weil die Venezianer damals die Messe mitinitiiert haben, besitzen sie das Privileg, beim großen Umzug der Kostümierten als erste Karnevalsgruppe gleich hinter dem Gondelpaar zu laufen.

Ebenso beliebt wie die historischen Kostüme der Venezianer sind die Fantasiekostüme, die an den Karneval in Venedig angelehnt sind, und zu denen eine Maske gehört. „Während des Karnevals in Venedig wollte die feine Gesellschaft ausschweifend feiern, dabei jedoch nicht unbedingt erkannt werden“, sagt Kathmann. Meist trugen die Frauen einen schwarzen Umhang über ihrem pompösen Kleid, die Männer hatten einen schwarzen Hut auf. Und damit sie nicht erkannt wurden,maskierten sich die adeligen Frauen und Männer, sagt die Vereinsvorsitzende.

Ebenso wie das Flanieren auf Festen gehören auch kleine Theaterstücke und historische Tänze nach Originalchoreografien zum Repertoire des Vereinsmitglieder. „Unser Tanzmeister beschäftigt sich seit 40 Jahren mit historischen Tänzen. Er ist bis nach Paris gefahren, um nach Vorlagen für die barocken Tänze zu suchen“, sagt Kathmann sichtlich stolz.

Diese Tanzkultur wollen die Venezianer Ludwigsburg in Erinnerung halten. Oft tanzen sie auch auf Schloss Solitude, zum Beispiel für ausländische Geschäftskunden. „Für die Japaner und Amerikaner ist das wie Disney in echt“, sagt Kathmann. Dabei sei es gar nicht so einfach, sich in den Kostümen zu bewegen, meint sie. „Wer ein barockes Kostüm tragen möchte, muss erst einmal lernen, wie man damit steht und geht. Eine Dame darf ihren Rock allenfalls mit zwei Fingern berühren“, erklärt Kathmann. „Die Hände in die Seite stemmen geht allerdings gar nicht“, sagt sie.

Von der „Arroganz des Adels“

Bei den Mitgliedern des Vereins sehe sie immer die Verwandlung von der modernen Frau zur barocken Dame. „Sobald der Reifrock angezogen und das Mieder geschnürt ist, ändert sich die Haltung schlagartig“, sagt Kathmann. „Die Person im Kostüm wird zu einer Figur aus dieser Zeit.“ Auch den Gang müsse man lernen, im Kostüm gehe man nicht, man schreitet, sagt die Vorsitzende. Die „Arroganz des Adels“ müssten die Kostümträger ebenfalls voll und ganz verinnerlichen, um die Rolle des barocken Adels glaubhaft zu spielen, sagt Karin Kathmann. Auch die Sprache sei eine ganz andere. „Wollen Sie mir die Ehre erweisen und mir diesen Tanz schenken“, fragt da zum Beispiel der barocke Herr die feine Dame im Kostüm.

Wobei sich unter so mancher barocken Herrenperücke der Venezianer eine Frau versteckt. Es gebe zu wenig männliche Tanzpartner, sagt Kathmann. Daher würden oft Frauen, als Mann verkleidet, diesen Tanzpart übernehmen. „Wahrscheinlich sind unsere Kostüme den Männern zu weibisch“, vermutet Kathmann. Dabei galt dieser Stil einst als schick und elegant. Die aufwendigen Barockkostüme näht eine vereinseigene Schneiderin, ganz auf die Wünsche der Mitglieder abgestimmt.

Die meisten Venezianer haben eigene Kostüme, es gibt aber auch einen Kleiderfundus, der dem Verein gehört. „Daraus können sich neue Mitglieder erst einmal bedienen“, sagt sie, „bevor sie sich ein eigenes Kleid zulegen.“ Ein Kostümverleih seien sie aber nicht, sagt Kathmann: „Dafür sind die Kleider viel zu kostbar.“