Zwischen konventioneller Bündnisverteidigung und multinationalen Einsätzen wie derzeit in Mali: die Bundeswehr muss sich wieder mal neu erfinden. An drei Standorten im Südwesten besichtigt die Verteidigungsministerin eine Truppe im Wandel.
Stetten am kalten Markt - Umgeben von einer problembeladenen Bundeswehr, gelingt es der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) jedes Jahr, mit ihrer Sommertour einen Kontrapunkt zu setzen: mit schönen Bildern von ihr inmitten der Soldaten vor allem. Vier von insgesamt zehn Stationen liegen diesmal in Baden-Württemberg. Am Montagmorgen besuchte sie in der Alb-Kaserne das Artilleriebataillon 295 in Stetten am kalten Markt.
Als Bestandteil der Deutsch-Französischen Brigade steht der Verband prototypisch für den neuerlichen Wandel der Bundeswehr: Er vereint konventionelle Kriegsführung mit hochmodernen Waffensystemen, zudem hat er einen hohen Anteil an der wieder bedeutenden Landes- und Bündnisverteidigung, beteiligt sich aber auch an multinationalen Einsätzen wie zuletzt in Litauen.
Im Oktober wird die Brigade zudem die Führung der EU-Trainingsmission in Mali übernehmen. Das Artilleriebataillon hat die Aufgabe, seit Februar und noch bis Anfang Oktober insgesamt 1020 Soldaten für den Afrika-Einsatz auszubilden. Zwar werden nur wenige Männer und Frauen aus Stetten an der EU-Mission direkt beteiligt sein. Dafür will die Ministerin im Herbst in die malische Hauptstadt Bamako fliegen, um dort gemeinsam mit ihrer Amtskollegin aus Paris die „Übergabe des Staffelstabs an die Deutsche-Französische Brigade zu begleiten“.
Auf dem Weg zur europäischen Verteidigungsunion
„Der Blick nach Mali zeigt: Natürlich werden wir die Nato immer für die kollektive Verteidigung brauchen“, sagt sie. „In Afrika sehe ich jedoch eine große Rolle der Europäer – dafür müssen wir gut aufgestellt sein.“ Dies sei auch der Grund gewesen, im Dezember vorigen Jahres die europäische Verteidigungsunion (Pesco) aus der Taufe zu heben. In der Deutsch-Französischen Brigade, aber auch in der engen Zusammenarbeit mit den Niederländern zeige sich, wie die Zukunft einer europäischen Armee aussehen könne: „Gewachsen aus den einzelnen Streitkräften, die immer enger miteinander verbunden arbeiten, so dass wir gemeinsam in Einsätze gehen.“
Doch von der Leyen schaut nicht nur in die Ferne. Nachdem die 57 Tonnen schwere Panzerhaubitze 2000 und der Raketenwerfer Mars II an ihr vorbeigerollt sind, lobt sie das Artilleriebataillon in den höchsten Tönen und würdigt Stetten am kalten Markt als „ausgesprochen wichtigen Standort“. 2400 zivile und militärische Beschäftigte – „das ist ein Wort“, meint sie. Allein die Tatsache, dass die Truppe dort in den nächsten Jahren noch einmal 180 Millionen investieren werde, zeige doch, dass Stetten am kalten Markt „für uns absolut Zukunft in der Bundeswehr hat“. Nach 25 Jahren Schrumpfung sei man mittendrin in der „Aufwachsphase“ – „dafür brauchen wir aber Geduld“. Und über diesen Satz dürften sich die örtlichen Honoratioren im Gefolge der Ministerin besonders freuen: Wo Gemeinde, Landkreis und Abgeordnete hinter der Bundeswehr stünden, gebe es einen guten Grund, den Standort auszubauen.
Als passionierte Reiterin zum Gestüt Marbach
Am Montagnachmittag besuchte von der Leyen noch das Transporthubschrauberregiment in Niederstetten (Hohenlohe), dessen Heeresflieger mit dem Helikopter NH90 bereits in Mali im Einsatz waren. An diesem Dienstagmorgen wiederum ist eine Visite beim Multinationalen Kommando Operative Führung in Ulm geplant, das künftig weltweite Einsätze für Nato, EU und Vereinte Nationen führen soll.
Am Nachmittag will sich die passionierte Reiterin noch einen Abstecher zum Landgestüt Marbach auf der Schwäbischen Alb gönnen – auf Vermittlung des örtlichen CDU-Abgeordneten, wie es heißt. Es ist ein privater Termin nach Abschluss der Sommertour im Südwesten. Die Bundeswehr hat zwar ein paar Haflinger und Maultiere bei den Gebirgsjägern – so weit reicht die konventionelle Wiederaufrüstung aber doch nicht, dass jetzt noch Zuchthengste und Araberstuten hinzukommen sollen.