Nicht nur die Dauerausstellung im Storchen ist neu. Es gibt auch eine fragile Sonderausstellung: Gläser von Gralglas waren begehrt. Das städtische Museum widmet dieser Manufaktur eine Schau.

Göppingen - Für eine Ausstellung sind Gebrauchs- und Ziergläser der Manufaktur Gralglas jetzt nach Göppingen zurückgekehrt. In vier Räumen im ersten Stock des nach einer umfangreichen Sanierung wieder eröffneten Stadtmuseums Storchen sind die fragilen Exponate zu bewundern, die für eine 50-jährige Erfolgsgeschichte stehen, die im Jahr 1930 in Göppingen ihren Anfang nahm.

 

Ausstellung kommt gut verpackt aus Finnland

Was könnte den Rang der Exponate besser beleuchten, als die Tatsache, dass das Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast Düsseldorf – eine Institution in Sachen Glas – diese Ausstellung konzipiert und vor vier Jahren gezeigt hat? Dann trat die Schau eine Reise in die Neue Sammlung nach München und das Finnische Glasmuseum in Riihimäki an, um nun in Göppingen ein letztes Mal präsentiert zu werden. Die Manufaktur, die in Göppingen in einem angemieteten Raum mit dem Schleifen und Gravieren von Glas begann und die nach dem zweiten Weltkrieg in Dürnau fortgeführt wurde, hat europäische Designgeschichte geschrieben.

Zwei Jahre lang haben die Schätze aus Glas gut verstaut in Kartons gelagert, bevor sie Wilfried van Loyen und Helmut Ricke nun wieder auspacken konnten. Wilfried van Loyen sammelt seit 20 Jahren Gralglas. Ihm gehört ein Großteil der Exponate. Helmut Ricke war lange Jahre der Leiter der Glassammlung in Düsseldorf und des Glasmuseums Hentrich. Die Manufaktur Gralglas, daran lässt der Glasexperte keinen Zweifel, gehörte zu ihrer Zeit zu den führenden Glashütten in Deutschland.

Kunst am Objekt

Die hohe Qualität der Gläser, die durch ihre Formschönheit bestechen, kam nicht von ungefähr. Von Anfang an hatte das Unternehmen einen hohen Anspruch an das Design. „Der Firmengründer Karl Seyfang wollte mehr, als nur Geld verdienen“, sagt Helmut Ricke. Seyfang holte Wilhelm von Eiff, einen gebürtigen Göppinger und einen der bedeutendsten Glaskünstler der Moderne, an seine Seite. Auch später arbeiteten namhafte Designer und Künstler für Gralglas, wie Josef Stadler, Konrad Habermeier und Hans-Theo Baumann. Wie prägend ihr Einfluss war und welche individuelle Handschrift ein jeder entwickelte, zeigt die Ausstellung anschaulich .

Dürnauer Glas im Bundeskanzleramt

Im ersten Raum, der ausschließlich die Zeit vor dem Umzug nach Dürnau beleuchtet, ist die hohe Kunstfertigkeit Josef Stadlers beim Gravieren und Schleifen der Gläser zu sehen. Er kreierte in den 30er Jahren den sogenannten Rautenschliff, das erfolgreichste Dekor der Manufaktur.

Während das Unternehmen vor dem zweiten Weltkrieg die Gläser lediglich veredelte, stellte es nach 1945 selbst Glas her. In Göppingen wurde eine Glashütte errichtet, drei Jahre später siedelte Gralglas nach Dürnau um, wo die Firma einen beispiellosen Aufschwung erlebte. Die Gläser der Dürnauer Manufaktur, die sich den Idealen des Deutschen Werkbunds verpflichtet sah und vom modernen Stil der skandinavischen Länder inspiriert war, waren begehrt. Sogar das Bundeskanzleramt orderte dort Gläser für besondere Anlässe.

Qualität rettet nicht vor dem Konkurs

Trotz der hohen Qualität überlebte die Manufaktur nicht. Im Jahr 1981 meldete Gralglas Konkurs an, zwei Jahre vorher hatte das Unternehmen noch 285 Mitarbeiter beschäftigt. Die „billige“ Konkurrenz war zu groß geworden. Doch bevor das Ende endgültig besiegelt war, stemmte sich die Manufaktur noch einmal gegen das Unvermeidliche. Livio Seguso, ein Glaskünstler aus Murano bei Venedig, kam nach Dürnau, um mit den Glasbläsern zu arbeiten. In dieser Zeit entstanden viele dekorative Glasobjekte – ihnen ist ein ganzer Raum im Stadtmuseum gewidmet. Doch auch diese hohe Glaskunst konnte den Niedergang nicht verhindern.